„Das Paradies und die Peri“: Happy End für den gefallenen Engel
Mit zerfledderten Flügeln sitzt sie vor einer grauen Wand, die Peri. Wie ein aus dem Nest gestürzter Vogel. Nur, dass der Halb-Engel aus dem Himmel gefallen ist. Die Sopranistin Vera-Lotte Boecker gibt ihrer Verzweiflung in der Staatsoper eine eindringliche Stimme. Ihr bleiben drei Versuche, um die Himmelspforte wieder zu öffnen und zurückzugelangen.
Mit der Inszenierung von „Das Paradies und die Peri“ von Robert Schumann hat das neue Duo aus Intendant und Regisseur Tobias Kratzer sowie dem musikalischen Leiter und Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber seine erste Spielzeit an der Staatsoper eröffnet. Schon die Wahl des Stoffes überrascht, handelt es sich doch um keine klassische große Oper, sondern um ein weltliches Oratorium. Kratzer findet für das Werk moderne minimalistische Bilder.
„Das Paradies und die Peri“ an der Staatsoper – darum geht es
Mit Chor, Solisten und Orchester erzählt die 1843 geschaffene Parabel vom Schicksal des Halb-Engels Peri. Sie begibt sich auf die Suche nach einer rettenden Gabe. Der Staatsopern-Chor trägt Alltagskleidung (Bühne und Kostüme: Rainer Sellmaier) und geht seinem Treiben nach. Bald landet Peri mitten in den Krisen der Gegenwart und stößt zuerst auf das heldenhaft vergossene Blut gegen einen Tyrannen mit Namen Gazna (kraftvoll gesungen von dem Bariton Christoph Pohl). In tiefes Rot ist auf einmal ihr weißes Kleid getaucht.

Kurz darauf trägt der Chor Schutzanzüge gegen eine Pest. Der Seufzer einer Liebenden bei ihrem an einer Seuche gestorbenen Geliebten, gesungen von Lunga Eric Hallam, wird zur nächsten Gabe der Peri. Doch auch dieser Versuch misslingt. Der Engel (Countertenor Ivan Borodulin) verweigert erneut den Einlass. Die Verzweiflung wächst.
Weiter geht die Reise zu Fuß. Auf der Videoleinwand hinter Vera-Lotte Boecker wechseln die Landschaften. Syrien, der Libanon, das Heilige Land werden durchquert. Auf einmal erscheint eine Winterlandschaft. Schließlich teilt sich die graue Wand auf der Bühne und eine Glaskugelstadt wird sichtbar, in der Kinder, ein Verweis auf die nachfolgenden Generationen, spielen. Bald sind sie im sich verdichtenden Rauch, ausgestoßen von einigen Schornsteinen, verschwunden.
Gelungener Einstand des neuen Opern-Duos
Immer wieder filmt eine Kamera ins Publikum. Diesmal bleibt sie an einem Mann mit feuchten Augen hängen. Und da steigt Boecker auf einmal durch die Reihen des Publikums, erhält die Tränen des reuigen Sünders (ja, ein Schauspieler), singt ergreifend aus dem Saal heraus. Diese Gabe verschafft ihr schließlich Einlass an der Himmelspforte. Ein Happy End? Vielleicht doch nicht ganz.
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Das von Omer Meir Wellber dirigierte Philharmonische Staatsorchester spielte mit viel Schwung auf, während der Chor in Dynamik und Tempo nicht immer einheitlich blieb. Ein gelungener Einstand des neuen Opern-Duos, erzählt der Abend doch nicht nur von der Versöhnung himmlischer und irdischer Sphären in Krisenzeiten, sondern bringt die Opernkunst in Inhalt und Inszenierung näher zu den Menschen. Der Abend ist mit einem herzlichen „Willkommen“ überschrieben. Er könnte der Staatsoper neue Publikumskreise erschließen.
Staatsoper: 11./14./17./24.10./2.11., diverse Zeiten, 7-137 Euro, die-hamburgische-staatsoper.de

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