Zäher Start, dann Hit auf Hit: Die Ärzte sorgen in Hamburg für Magie
Um 20.20 Uhr erklingt am Mittwochabend auf der Bahrenfelder Trabrennbahn Strauss‘ „Also sprach Zarathustra“. Aber die Fanfaren sind extra schief und schrecklich, um dann von „Himmelblau“ von der „besten Band der Welt“, die noch hinterm Vorhang spielt, übertönt zu werden: Die Ärzte – aus Berlin (aus Berlin)! Aber so richtig in Gang kommen sie noch nicht. Der Vorhang fällt und die Stage-Crew muss ihn erst mal vor „BelaFarinRod“ wegwurschteln. Die nächsten Songs „Noise“ und auch „Wir sind die Besten“ verpuffen.
Um 20.20 Uhr erklingt am Mittwochabend auf der Bahrenfelder Trabrennbahn Strauss‘ „Also sprach Zarathustra“. Aber die Fanfaren sind extra schief und schrecklich, um dann von „Himmelblau“ von der „besten Band der Welt“, die noch hinterm Vorhang spielt, übertönt zu werden: Die Ärzte – aus Berlin (aus Berlin)! Aber so richtig in Gang kommen sie noch nicht. Der Vorhang fällt und die Stage-Crew muss ihn erst mal vor „BelaFarinRod“ wegwurschteln. Die nächsten Songs „Noise“ und auch „Wir sind die Besten“ verpuffen.
Das passt so gar nicht zu meinem ersten Live-Erlebnis, das ich mit den Ärzten hatte! Im zarten Alter von 14 Jahren, genauer gesagt am 27. Juni 2001 in der Alsterdorfer Sporthalle, stand ich in der ersten Reihe bei der „Rauf auf die Bühne, Unsichtbarer!“-Tour. So groß! So bedeutend! Mein erstes richtiges, selbstausgewähltes Konzert! Einige weitere von ihnen sollten folgen – so auch am Mittwoch auf der Trabrennbahn:
Bei den älteren Songs wie „Meine Freunde“ oder „Ich ess‘ Blumen“ catchen Die Ärzte das 20.000er-Publikum dann doch. Und natürlich auch mit ihren Blödel-Ansagen, die kaum wiederzugeben sind: Auf Ärzte-Konzerten herrsche Liebe und Frieden, sagt Farin. Und man solle das Crowdsurfen und die „Walls Of Death“ doch am besten auf die Ansage-Zeit verlegen. Was das Publikum natürlich auch sofort macht!

Obendrauf wird ständig mit Stefanie geschnackt (denn davon gibt’s vermutlich einige im Publikum), zwei Frauen in weißen Kleidern werden wegen ihres Looks irritiert von der Band angesprochen (dabei ist Bela Bs schwarz-weißes „Camp David“-artiges Punk-Hemd ähnlich skurril) und das knutschende Pärchen aus der ersten Reihe bekommt zur Belohnung die Drum-Sticks geschenkt.
Die Ärzte in Hamburg: Erst zäher Start, dann Hit auf Hit
Es gab eine Phase in meinem Leben und dem meiner besten Freundin, da liefen wir mit Gwendoline-Plakette um den Hals herum und trugen das Bandshirt mit dem plüschig-türkisen „Ä“ drauf. Erinnert sich noch jemand dran? Jedenfalls fühlten wir uns wie echte Punks! Bis heute kenne ich alle von Farins Textabweichungen vom Original auf der 1999er-Liveplatte „Wir wollen nur deine Seele“ (die Beste: „Ich hab‘ schon zwölf Mal onaniert …“) – und natürlich auch alle Sprüche auf der kleinen, beigelegten Minidisc, für die man jeweils eine Box ausstöpseln musste, um sie alle anhören zu können.
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Auf der Trabrennbahn folgen natürlich auch noch mehr solcher Sprüche. Und Hit an Hit: „Hurra“ (inklusive negativer und Sitz-Laola), „Ohne dich“, „1/2 Lovesong“ (dazu gibt‘s ganz viele Handylichter!), der „Gassenhauer der Frauenbewegung“ (haha!) „Manchmal haben Frauen …“ oder „Friedenspanzer“, den Bela B am ukrainischen Nationalfeiertag natürlich diesem Land widmet.
Aber auch der wohl kürzeste Ärzte-Song „Yoko Ono“ und das absolute Gaga-Lied „Elektrobier“ (bei dem sich das Trio Warnwesten und blinkende Sonnenbrillen anzieht und eine 80er-Synthie-Performance hinlegt) stehen auf der Setlist.

Apropos „Elektrobier“: Das ist auf der „5, 6, 7, 8 – Bullenstaat!“-CD, die mir beim besagten Sporthallen-Konzert in die Hand gedrückt wurde und mich wegen Titels ganz schön zum Nachdenken brachte. Dafür stehen Die Ärzte nämlich auch: Politik und Kritik. Und sie waren obendrauf meine Überleitung zu weiteren Punk- und auch Hardcore-Bands: erst Wizo und später die volle Bandbreite aus NOFX, Pennywise, Sick Of It All, H2O usw., usw.! Wem ist es ähnlich ergangen?!
Bei den Ärzten ist live nichts perfekt – und gerade deshalb muss man sie einfach lieben
Als Farin „Unrockbar“ als letztes Lied auf der Trabrennbahn ankündigt, glaubt ihm das eh keiner. Ab 22.30 Uhr folgt der Zugabenblock, der auch mit Hit an Hit gespickt ist. Bei „Wie es geht“ wird’s magisch, als alle am Songende „Ich liebe dich!“ singen.
Und „Schrei nach Liebe“ kündigt Farin völlig zurecht als „wichtigstes Lied, das wir je geschrieben haben“ an: Wenn 20.000 Kehlen den Anti-Nazi-Song mit geballten Fäusten über Bahrenfeld und darüber hinaus grölen, dann ist das immer noch von allergrößter Bedeutung. „Zu spät“ – inklusive der umgetexteten Zeile „Ich war mit ihm auf der Trabrennbahn“ und Metal-Einlage – ist der krönende Abschluss um 23 Uhr.
Und was sagt uns das alles? Bei den Ärzten ist live nichts perfekt. Sie haben Spaß, labern herum, verkacken die Songs, texten sie um – alles wie im Proberaum. Sie haben in ihrer schon 40 Jahre (!) andauernden Karriere unzählige Hits geschrieben, die oft politisch und nicht immer politisch-korrekt sind. Und – das ist wohl das Allerwichtigste – jeder und jede im Publikum hat seine und ihre ganze eigene, persönliche Geschichte mit dieser Band. Und dafür muss man sie einfach lieben.