Ton Steine Scherben feiern Geburtstag in Hamburg: Ja, die gibt’s noch!
„Macht kaputt, was euch kaputt macht“, sangen sie einst, und sind selbst fast unkaputtbar. Ton Steine Scherben ziehen wieder durch das Land, um – drei Jahre verspätet – im Logo an der Grindelallee ihren 50. Geburtstag zu feiern. Wie jetzt, die gibt es wirklich noch? Geht das überhaupt ohne Rio Reiser? Oh ja – und wie!
„Macht kaputt, was euch kaputt macht“, sangen sie einst, und sind selbst fast unkaputtbar. Ton Steine Scherben ziehen wieder durch das Land, um – drei Jahre verspätet – im Logo an der Grindelallee ihren 50. Geburtstag zu feiern. Wie jetzt, die gibt es wirklich noch? Geht das überhaupt ohne Rio Reiser? Oh ja – und wie!
Sie kamen – und rissen die deutsche Musikwelt mit einem Schlag entzwei. Wo eben noch der liebe Heintje für „Maaaaamaaaa“ sang, traten Anfang der 1970er plötzlich Gestalten namens Rio, RPS Lanrue, Kai und Funky auf die Bühne. Sangen krachende Lieder über besetzte Häuser, die Gleichheit der Menschen, den Klassenkampf, ein generelles Wutgefühl und der Legende nach sogar ein Liebeslied für Claudia Roth. Ihre Songs wurden zwar keine großen Hits, ihre Band trotzdem zur Legende: Ton Steine Scherben.
Ton Steine Scherben: Ohne Rio, aber mit Gymmick
Anstelle von Rio Reiser – dem viel zu früh verstorbenen Frontmann und Texter der Anarcho-Politrocker – ist seit 2014 Tobias Hacker alias Gymmick mit an Bord. Der Nürnberger ist Cartoonist, Humorist, Sänger und war als solcher selbst Träger des Rio-Reiser-Songpreises. Schafft er es, die große Lücke zwischen Funky K. Götzner (Cajón, kam 1974 hinzu) und Gründungsmitglied Kai Sichtermann (Bass) auszufüllen?
Schon mit den ersten Tönen des Openers „Mein Name ist Mensch“ wird klar: Ja, das schafft Gymmick. Erschreckend nah reicht dessen Stimme an die von Rio Reiser heran, ohne diesen dabei zu imitieren. Es ist eben ein aktuelles Ton Steine Scherben-Konzert – und nicht allein ein Abend des Gedenkens für Rio.
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Das wird spätestens dann klar, als Kai, Funky und Gymmick mit „Am Jenseits“ und „Wir bleiben drin“ zwei eigene Songs aus der neuen Scherben-Ära spielen. Überwiegend besteht der Abend natürlich dennoch aus Klassikern: „Zauberland“, „Sklavenhändler“, der „Arbeitslosenreggae“, der „Rauch-Haus-Song“, „Wir müssen hier raus“ und „Der Traum ist aus“ aus dem Scherben-Werk sind genauso dabei wie Rio Reisers Solo-Songs „Alles Lüge“, „Menschenfresser“ oder „König von Deutschland“.
Zwischendurch bekommt Gymmick Unterstützung auf der Bühne von Scherben-Urgestein Nikel Pallat und Antonia, die ansonsten am Merchandise-Stand steht und selbst als Sängerin der Berliner Punkband Not the Ones aktiv ist. Auf große Ansagen verzichten Ton Steine Scherben. Lieber spielen sie dafür ein, zwei Lieder mehr – die Fans freut’s.
Ton Steine Scherben: Polit-Rock zum Rumknutschen
Obwohl die große Zeit der Scherben fünf Jahrzehnte zurückliegt, zieht ihre Musik überraschend viele junge Leute ins Logo. Der Textsicherheit tut das keinen Abbruch. „Keine Macht für Niemand“? „Macht kaputt, was Euch kaputt macht“? Sitzt durchgehend – und beweist, dass der wütende Politrock der 70er Jahre immer noch eine gewisse Relevanz besitzt.
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Was freilich auch für die verzweifelt-emotionale Herzschmerz-Seite der Band gilt: Wo die Menge eben noch wild pogte und laute Parolen grölte, als wäre es eine 1. Mai-Demonstration, wird zu „Für immer und Dich“, „Halt Dich an deiner Liebe fest“ oder „Junimond“ plötzlich zum Engtanz gewechselt und heftigst geknutscht. So sind sie eben auch, die Scherben.