Tokio Hotel in Hamburg: Kreisch-Alarm, Glamour und ein fescher Schlüppi
Wo diese Männer auftauchen, gibt es kein Halten mehr: Seit ihrem ersten Hit „Durch den Monsun“ (2005) sind Tokio Hotel die lebende Projektionsfläche frivoler (Teenager-) Träume. Mittlerweile sind die Jungs und ihre Fans erwachsen. Doch sobald Bill, Tom, Georg und Gustav die Bühne betreten, ist das vergessen: Vor allem die Kaulitz-Zwillinge versetzen die Frauen zuverlässig in Raserei – so auch am Donnerstag, als Tokio Hotel auf ihrer „Beyond the World“-Tour in der Großen Freiheit 36 auftreten.
Wo diese Männer auftauchen, gibt es kein Halten mehr: Seit ihrem ersten Hit „Durch den Monsun“ (2005) sind Tokio Hotel die lebende Projektionsfläche frivoler (Teenager-) Träume. Mittlerweile sind die Jungs und ihre Fans erwachsen. Doch sobald Bill, Tom, Georg und Gustav die Bühne betreten, ist das vergessen: Vor allem die Kaulitz-Zwillinge versetzen die Frauen zuverlässig in Raserei – so auch am Donnerstag, als Tokio Hotel auf ihrer „Beyond the World“-Tour in der Großen Freiheit 36 auftreten.
Die ersten Töne von „White Lies“ erklingen, das Publikum schreit begeistert auf. Dann fällt der Lichtkegel auf Bill: schwarz-pinkes Leder-Outfit, Cowboy-Hut und – Überraschung! – Gitarre in der Hand. Treue Fans wissen: Der Leadsänger spielt eigentlich kein Instrument, er war immer zu faul zum Üben.
Tokio Hotel: Bill kann alles – sogar Gitarre spielen
Doch weil er alles könne, habe er sich das für diese Tour eben draufgeschafft, erzählte er zuletzt in seinem Podcast „Senf aus Hollywood“. Und setzte direkt zur Verteidigung an: „Ich spiele fantastisch Gitarre“, erklärte Bill seinem skeptischen Bruder Tom, dem eigentlichen Gitarristen der Band: „Es klingt fantastisch und es sieht sehr gut aus!“
Die Fans in der Großen Freiheit scheinen der gleichen Ansicht zu sein, der Lärmpegel ist enorm – und das, obwohl die Gitarre zu diesem Zeitpunkt noch den freigelegten, neckischen Glitzer-Slip des Sängers verbirgt.
„Bill, ich will ein Kind von Dir!“
„Moinmoin Hamburg! Gut seht ihr aus“, begrüßt Bill strahlend die Menge. „Ich glaub, es wird heute von der Decke tropfen, mir ist jetzt schon heiß!“ Spätestens nach „Automatic“ ist auch das Publikum erhitzt: „Bill, ich will ein Kind von dir!“, brüllt eine Frau – ein Satz, der hier niemanden irritiert, sondern fast zum guten Ton gehört.
Jedes Lied, egal ob alt oder neu, wird wie aus einer Kehle mitgesungen. Alles wie früher? Nein, das Publikum hat sich verändert: Es sind nicht mehr hauptsächlich junge Mädchen, die Höschen werfend in Ohnmacht fallen. Und auch keine weiblichen Bill- oder Tom-Kopien. Vom Teenager bis zur Mittvierzigerin ist hier jedes Alter vertreten – und jedes Geschlecht. Männer mit dichten Bärten und Holzfällerhemden, mit Nagellack oder einem Ring im Ohr, gucken ebenso begeistert dem Treiben auf der Bühne zu wie die weiblichen Fans. Nur, wenn die Frauen wild zu schreien beginnen, scheint es ihnen nicht so ganz geheuer zu sein.
Alle Hits stehen auf dem Programm, sogar „Durch den Monsun“
Bill tritt zu seinem Zwillingsbruder, macht ein paar Tanzmoves, während Tom seine Gitarre bearbeitet: Ausnahmezustand im Publikum. „Girl Got A Gun“, „World Behind My Wall“, „Just A Moment“. Tokio Hotel spielen ihr ganzes Repertoire. Ab und zu huscht Bill von der Bühne und wechselt von einem extravaganten Outfit zum nächsten. Hollywood in Hamburg. Glamour in der Großen Freiheit. „Hamburg, habt ihr Bock?“ Was für eine Frage.
„Wir spielen auch ein paar alte Kamellen“, sagt Bill und ergänzt schelmisch: „Aber ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste.“ Tokio Hotel bringen alle Hits ihrer vergangenen Alben – inklusive der deutschen Songs „Spring nicht“ und „Durch den Monsun“.
Tokio Hotel: Die Extase ist dieselbe wie früher
Während Drummer Gustav fast im Bühnenbild verschwindet und nur zum Abschied nach vorne kommt, wechselt Bassist Georg ab und an die Bühnenseite, quittiert von Jubelrufen. Kleine Gesten genügen, um die Menge anzuheizen. Wenn Tom beim Spielen mit halbgeöffnetem Mund seine Haarmähne zurückwirft, will jede im Raum Heidi Klum sein. Wer Bill beim Tanzen sieht, überlegt Polizist zu werden – der Sänger hat bekanntlich eine Schwäche für diesen Berufsstand.
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Bill bedankt sich zwischen den Songs für die Treue der Fans. Und fragt: „Wer ist denn schon von Anfang an dabei?“ Das Kreischen aus dem wogenden Meer emporgestreckter Arme wird noch lauter. „So viele?“ Jubel. „Wir haben also keine neuen Fans dazu gewonnen, naja…“
Mit „Runaway“, einem Song vom neuen Album, verabschiedet sich die Band. Es gibt keine Dreadlocks mehr, keine schwarzen Stachelhaare und keine barbusigen Mädchen im Publikum. Es gibt keinen Hass von Erwachsenen, die meinen, eine Jugendband angreifen zu müssen, weil sie anders aussieht. Doch die Freude an der Musik und die Ekstase – die sind unverändert.