Roger Waters in Hamburg: Umstrittener Musiker schickt Kritiker an die Bar
Wenn Musik zur schönsten Nebensache der Welt wird, kann es sich dieser Tage nur um das Konzert von Roger Waters (79) handeln. Das ehemalige Mitglied der Rockgruppe Pink Floyd bestritt am Sonntag den Auftakt seiner Deutschland-Tour in der Barclays Arena in Hamburg. Wegen Antisemitismus-Vorwürfen hatten sich im Vorfeld verschiedene Gruppen dafür eingesetzt, die Konzerte von Waters hierzulande zu canceln. Einen Rechtsstreit über eine geplante Absage seiner Show in Frankfurt konnte er allerdings für sich entscheiden – Kunstfreiheit, so die Begründung. Wie lief es also in Hamburg?
Wenn Musik zur schönsten Nebensache der Welt wird, kann es sich dieser Tage nur um das Konzert von Roger Waters (79) handeln. Das ehemalige Mitglied der Rockgruppe Pink Floyd bestritt am Sonntag den Auftakt seiner Deutschland-Tour in der Barclays Arena in Hamburg. Wegen Antisemitismus-Vorwürfen hatten sich im Vorfeld verschiedene Gruppen dafür eingesetzt, die Konzerte von Waters hierzulande zu canceln. Einen Rechtsstreit über eine geplante Absage seiner Show in Frankfurt konnte er allerdings für sich entscheiden – Kunstfreiheit, so die Begründung. Wie lief es also in Hamburg?
Vor der Halle sucht man Protestierende vergeblich. Die Sicherheitsvorkehrungen beim Einlass sind jedoch verschärft. „Ein Gericht in Frankfurt hat entschieden, dass ich kein Antisemit bin. Ausgezeichnet“, ertönt Waters Stimme auf Englisch kurz vor Beginn des Konzertes. Der entsprechende Text erscheint auf der Leinwand über der Bühne. Er verurteile Antisemitismus vorbehaltlos und könne gar nicht sagen, wie sehr er sich auf den Auftritt in Frankfurt freue, so der britische Sänger, E-Bassist, Komponist, Texter und Musikproduzent.
Etwa 8000 Fans sind zu Roger Waters gekommen
Als es dann um 20.15 Uhr tatsächlich losgeht mit seiner Show, legt er noch mal nach: „Wenn du zu denen gehörst, die Pink Floyd lieben, aber Rogers Politik nicht ausstehen können, tätest du gut daran, dich gleich an die Bar zu verpissen. Danke!“ Jubel brandet bei den etwa 8000 Anwesenden auf. Und dann gibt‘s mit „Comfortably Numb“ und „Another Brick In The Wall 2 & 3“ einige der größten Hits seiner ehemaligen Band Pink Floyd von deren 1979 veröffentlichten Meilenstein-Konzeptalbum „The Wall“.
Die 360-Grad-Bühne ist bombastisch und kreuzförmig inmitten des Publikumsraums angeordnet. Darüber hängt eine ebenfalls kreuzförmige XXL-Leinwand, die besonders die Menschen, die an der Längsseite der Arena sitzen, beeindruckt. So ähnlich hatten schon U2 bei ihrer letzten Tour in der Barclays-Arena den Anfang ihres Konzerts inszeniert.
Jede Menge politische Botschaften beim Konzert
Waters Bilder sind plakativ und oftmals düster, immer wieder sieht man bewaffnete Soldaten über die Leinwand marschieren; in großen Lettern bringt Waters seine politischen Botschaften rüber. Und da ist alles dabei: von Black Lives Matter über Free Julian Assange bis hin zur Selbstbestimmung von Frauen, was ihren Körper betrifft. Er klagt ehemalige US-Präsidenten an, den Tod vieler Menschen auf dem Gewissen zu haben, erinnert noch mal an George Floyd und andere Opfer von Polizeigewalt, setzt sich für Rechte von Indigenen und Transmenschen ein, fordert lautstark die Abschaffung sämtlicher Nuklear-Waffen und will die Regierungsoberhäupter zu diesem Zwecke gleich mit an die Bar schicken. Da ist nichts, was man nicht sofort unterschreiben würde. Das Publikum feiert ihn dafür.
Sollte es antisemitische Botschaften in seiner Show geben, müssen wir die Millisekunde verpasst haben. Einmal sieht man Waters mit Palästinensertuch performen. Aber wenn man nicht ständig über die Vorwürfe gegen Waters in der Zeitung lesen würde, wüsste man nicht, mit wem man es hier zu tun hat. Waters wird unter anderem für seine Nähe zur BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) kritisiert, die zum umfassenden Boykott des Staates Israel aufruft. Bei Konzerten ließ der Sänger zudem Ballons in Schweineform mit einem Davidstern aufsteigen. Das Schwein – und nicht nur das – fliegt auch an diesem Abend seine Runde über dem Publikum, jedoch ohne Stern. Auch Äußerungen zum Krieg in der Ukraine sorgten zuvor für Aufsehen – etwa, dass Russlands Präsident Wladimir Putin damit den Faschismus in dem Land bekämpfen wolle und dass die USA ein Hauptaggressor seien.
Roger Waters kommt sympathisch rüber
Auch davon gibt es bei seinem Konzert nichts. Im Gegenteil: Waters kommt sympathisch, positiv und energetisch rüber. Er feiert die Musik und die Menschen, die zu seinem Konzert gekommen sind. Immer wieder wechselt er die (vier) Seiten der Bühne, sieben Musiker und zwei Backgroundsängerinnen hat er dabei. Der Sound ist ebenso bombastisch wie die Optik. Geradezu rührend ist, wie er seinen Anfängen mit dem 2006 verstorbenen Pink-Floyd-Sänger Syd Barrett in Cambridge gedenkt. „We dreamed to dream“, steht auf der Leinwand. Der Song „Wish You Were Here“ darf natürlich nicht fehlen.
Nach einer Pause kommen Fahnen mit Hämmern von der Decke, und Waters präsentiert den Song „In The Flesh“ mit schwarzem Ledermantel und Sonnenbrille. Am Ende menschelt es bei ihm gewaltig: Er bedankt sich bei seiner Crew, die seit 5 Uhr morgens die Giganto-Bühne aufgebaut hat, bei Bob Dylan, bei seiner Frau Kamilah, die lieber im Hotel verweilt, sowie seinen im vergangenen Jahr verstorbenen großen Bruder John und singt – ohne viel Brimborium – ein Piano-Reprise seines Songs „The Bar“ – neben ihm steht dann auch ‘ne Buddel.
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Der Abgang ist so simple wie überraschend: Zu Pink Floyds „Outside The Wall“ schlendert sein ganzer Musiker-Trupp ins Backstage und musiziert einfach weiter. Die Bilder werden auf die Leinwand in den Publikumsraum übertragen, bis schließlich alle Lichter ausgehen. Ein Konzert wie ein Siegeszug für Roger Waters.