H.P. Baxxter über seine Texte – und Erfolg: „Manchmal versteh ich das auch nicht“
Keiner plärrt so schön wie er: Hans Peter Geerdes, besser bekannte als H.P. Baxxter. Der Scooter-Frontmann fegt seit 30 Jahren über die Bühne und ruft dabei mehr oder weniger sinnvolle Texte in sein Retro-Mikrofon. Wie kann es sein, dass die Leute das immer noch gut finden? Wie entstehen solche Zeilen wie „Skibadee, skibadanger. I am the rearranger“? Und ballert Baxxter privat auch Techno? Wir haben ihn gefragt.
„Open your mind and your trousers“ heißt das neue Scooter-Album. Wer soll denn da die Hose öffnen? Und warum?
H.P. Baxxter: (lacht) Die Intention dahinter ist eher so: Entspannt euch und macht Liebe, „make love not war“.
- Deutsch (Deutschland)
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Keiner plärrt so schön wie er: Hans Peter Geerdes (60), besser bekannt als H.P. Baxxter. Der Scooter-Frontmann fegt seit 30 Jahren über die Bühne und ruft dabei mehr oder weniger sinnvolle Texte in sein Retro-Mikrofon. Wie kann es sein, dass die Leute das immer noch gut finden? Wie entstehen solche Zeilen wie „Skibadee, skibadanger. I am the rearranger“? Und ballert Baxxter privat auch Techno? Wir haben ihn gefragt.
MOPO: „Open your mind and your trousers“ heißt das neue Scooter-Album. Wer soll denn da die Hose öffnen? Und warum?
H.P. Baxxter: (lacht) Die Intention dahinter ist eher so: Entspannt euch und macht Liebe, „make love not war“. Weil ich finde, heutzutage wird alles immer verkrampfter, die Leute sind chronisch schlecht gelaunt, alles ist negativ und deswegen: Entspann dich mal, sei locker.
Aber „sich entspannen“ und Scooter-Techno passt ja irgendwie nicht so recht zusammen …
Naja, also das finde ich schon. Das ist eine sehr energetische Entspannung: aufs Konzert gehen und so richtig die Sau rauslassen. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum viele immer wieder zu unseren Shows gehen. Um mal so richtig abzuschalten.
H.P. Baxxter: „Durch meine Stimme merkt man immer: Das ist Scooter“
30 Jahre Bandgeschichte und 21 Alben gibt es nun schon: Wie hat sich Ihre Musik verändert? Hat sie sich überhaupt verändert?
Der Grund-Vibe hat sich nicht verändert. Also das, was wir machen wollen. Aber es kommt immer wieder Neues mit rein – jetzt zum Beispiel Hypertechno, mit ganz minimalistischen, schnellen Songs. Das ist im Moment total angesagt, aber das klingt wie bei uns vor 30 Jahren. Aber wir rennen jetzt auch nicht jedem Trend hinterher. Und durch meine Stimme, durch die Art des Arrangements merkt man sowieso immer: Das ist Scooter. Das ist mir auch wichtig.
Techno, das ist ja eigentlich Musik aus den 90ern. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Sie damit immer noch so erfolgreich sind?
Also Techno an sich, da läuft die Beliebtheit immer wellenförmig: Mal ist es richtig angesagt, dann dümpelt es ein bisschen im Underground. Und in den letzten Jahren, da ist es total, also wirklich richtig angesagt. Auch bei den ganz großen Festivals weltweit.
Also ist Techno zeitlos?
Schon. Und bei uns ist es auch so: Mal sind wir mehr da, dann mal wieder ein bisschen weniger. Aber im Livebereich, da geht die Kurve bei uns eigentlich immer nur nach oben. Das liegt daran, glaube ich, dass wir mittlerweile einfach so eine Stammbasis haben von Fans, auch aus den frühen Jahren. Aber dann auch schon wieder die nächste Generation kommt, auch viele junge Leute, Kids. Während der Hallentour ist das Publikum echt von 8 bis 80.
Scooter-Frontmann über seinen Erfolg: „Manchmal versteh ich es auch nicht so genau, wie sowas entsteht“
Sie sind ja nicht nur in Deutschland bekannt und erfolgreich. Wie ist das anderswo?
Wir waren jetzt gerade im Ausland unterwegs, da sind viel, viel mehr junge Leute, so um die 20. Das ist echt ein Phänomen. Wenn du da in Belfast in zwei Tagen die Halle ausverkaufst mit zig Tausend Leuten und die sind alle zwischen 18 und 22 – also das verrückt! Manchmal versteh ich es auch nicht so genau, wie sowas entsteht. Aber gut, ist ja toll.
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Diese Leute waren ja noch gar nicht geboren, als Sie Ihre ersten Hits hatten!
Ja, das zeigt: Wir sind auf keinen Fall nur auf die Neunziger zu reduzieren. Das wäre dann ja nur bis „How Much Is The Fish“. Und so Klassiker wie „Maria (I Like It Loud)“ würden dann gar nicht gespielt. Das kannste ja nicht machen. Klar, haben wir da den Ursprung, da ist alles entstanden. Aber du kannst Scooter nicht auf ein Jahrzehnt beschränken. Deswegen spielen wir auch so gut wie gar nicht auf 90er Events.
Wie schreibt man einen guten Scooter-Text?
In einem Interview haben Sie mal gesagt: „Texten, das ist unglaublich schwierig.“ Wie schreibt man denn einen guten Scooter-Text?
Er sollte verrückt-originell sein. Guten Flow haben. Ein gutes Versmaß. Der Reim muss stimmen. Es muss grooven. Also so einfach, wie man sich das vorstellt, ist es nicht. Auch weil unsere Texte auf Englisch sind, das ist nicht meine Geburtssprache. Manchmal klappt‘s mit ‘nem guten Text, manchmal nicht.
Wo fällt einem denn so ein „guter Text“ ein? Unter der Dusche?
Ganz unterschiedlich. „I Keep Hearing Bingo“ zum Beispiel, vom neuen Album. Das hatte ich aufgeschnappt auf der Fähre von Schottland zurück nach Holland. Da wurde Bingo gespielt und der Conférencier, der hat das immer gebrüllt. So entstehen manchmal die Sachen.
Und was ist mit Liedzeilen wie „The cherries are not important“? Oder „Skibadee, skibadanger. I am the rearranger“?
Also „Skibadee, skibadanger ”, das war ein Zitat, das habe ich irgendwann mal von nem Jungle MC aufgeschnappt. Und das andere, das mit den Kirschen, da hatte ich mal ein Interview gesehen mit Jonathan Meese, dem Maler. Er und seine Mutter, die waren in seinem Atelier, überall standen Sachen rum. Und das Interview war auf Deutsch, das war der Gag eigentlich. Und Meese sagte so ein paar Dinge, „die Kirschen sind nicht wichtig“. Aber man soll diese Kartons da behalten, da kann er noch was draus machen. Und dann habe ich das einfach so übersetzt. „The cherries are not important. Don’t throw away the banana boxes.“ (lacht) Das hat dann sowas Abstraktes.
Naja, oder man fragt sich als Zuhörer oder Zuhörerin: Was meint er denn jetzt damit?
Das ist abstrakt, da ist nichts mit gemeint. Ich weiß auch gar nicht mehr, was das für Kirschen waren.
Also sind Scooter-Texte kompletter Nonsens?
Nein, das stimmt so nicht. „Respect to the Man in the Icecream Van“ zum Beispiel, das war ja ne Grußbotschaft. Da sind damals Leute mit dem Eiscreme-Wagen durch London gefahren und haben Freibier an Obdachlose verteilt, als Aktionskunst.
Wie bei Scooter neue Songs entstehen
Wovon lassen Sie sich sonst inspirieren?
Oft von Sets, die ich bei Youtube höre. Von DJs oder DJanes, da gibt’s ja aktuell sehr viele: Charlotte de Witte, Amelie Lens, Lilly Palmer. Also was die Beats angeht. Und was die Themen betrifft: Jetzt zum Beispiel bei „Waste Your Youth“. Da war ich auf dem Oktoberfest und die Kapelle spielte zum dritten Mal Sportfreunde Stiller, und ich hab‘ mir gedacht: „Die Melodie ist der Hammer, da müsste man eigentlich was draus machen.“ Ich hab dann nen anderen Text geschrieben und das auf unseren Sound produziert – und siehe da, es funktioniert super.
Welcher Ihrer vielen Songs ist denn Ihr Lieblingssong? Kann man überhaupt einen haben bei der Menge an Material?
Also einen einzigen Lieblingssong – das ist schwierig. Das wechselt auch. Aktuell ist es vielleicht „Call Me Manjana“, das haben wir bearbeitet für die Show. Weil man hört natürlich schon den Unterschied, wenn so eine Produktion vor über 20 Jahren war und du das vergleichst mit den aktuellen Songs. Also haben wir das angepasst, mit anderen Sounds, mehr Dampf dahinter. Und irgendwie knallt das jetzt so richtig los und ich finde den echt richtig klasse.
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Und was mag das Publikum am liebsten?
Sowas wie „Fuck 2020“, das ist immer ein Garant. Das macht einfach Spaß. Aber auch „God Save The Rave“, das ist von den neuen Sachen unser größter Hit, würde ich sagen.
H.P. Baxxter: Privat ballert er Klassik
Gibt es ein Stück, von dem Sie im Nachhinein sagen: „Was haben wir denn da fabriziert?“
Es gibt immer Songs, bei denen ich im Nachhinein denke: „Joooaaah, war okay, aber war jetzt nicht so der große Wurf.“ Ich glaube das ist immer so, egal was man macht.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Ich könnte jetzt nicht mal sagen, welcher genau. Aber meistens sind das die Dinger, die irgendwie in Vergessenheit geraten, die man auch live nicht so oft spielt. Vielleicht manchmal auch Stücke, wo man einfach zu theoretisch war, zu kopflastig, zu konstruiert.
Ballern Sie privat auch Techno?
Ach, ich höre eigentlich alles, was zur Situation gerade passt. Ich bin da relativ offen. Vor einer Show höre ich nur Techno, da mache ich Warm-up. Wenn ich abends ausgehe, Samstagabend, Essen und anschließend Club, dann höre ich auch solche Sachen. Wenn ich Sonntagmorgen beim Frühstück im Wintergarten sitze, höre ich nur Klassik. Musik löst, das ist ja auch das Schöne, etwas aus. Und das muss halt passen.
„Die Bühne ist für mich ein Ventil, um alles rauszulassen“
Nach so vielen Jahren Erfolg: Eigentlich könnte man doch sagen: „Okay, ist gut jetzt, ich gehe in Techno-Rente.“ Spielen Sie manchmal mit dem Gedanken?
Bis jetzt nicht, weil ich bin da so drin und das Ganze fehlt mir auch. Es war jetzt lange keine Show mehr – manchmal wird man da schon ein bisschen unruhig. Und die Bühne ist für mich auch immer ein Ventil, um alles rauszulassen – wie so eine Reinigung, eine Katharsis. Es ist so ähnlich wie bei jemandem, der am Wochenende ins Stadion geht und da einfach alles rausbrüllt und dann ist er wieder gut drauf. Jeder hat da vielleicht seine eigene Methode.
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Also kein Karriere-Ende in Sicht?
Man sagt ja immer: Man muss den richtigen Moment finden. Aber wann ist der richtige Moment? Man muss halt schauen: Reicht die Fitness und fühlt man sich wohl, macht es Spaß oder überanstrengt es einen? Wenn man häufig das Gefühl hat, es geht jetzt auf Krampf oder so, ich denke, da würde ich vielleicht irgendwann, wenn man am wenigsten damit rechnet, sagen: „So, lass gut sein.“
Was hat Scooter noch so vor?
Es ist jetzt nicht so, dass wir bestimmte Ziele haben oder lange in die Zukunft planen. Wir machen eher „Go with the flow“. Wir machen einfach immer weiter.
Album: „Open Your Mind And Your Trousers”, ab dem 22. März erhältlich
Tour: 14 Termine in Deutschland, Niederlande, Österreich und der Schweiz. Hamburg: 30. März, Barclays Arena (ausverkauft)