Mit 40 Jahren mehr auf dem Buckel: Heaven 17 feiern den Frust weg – Hamburg jubelt
„Wir haben vor der Tür einen Typen getroffen, der hat sein Ticket für diese Show vor vier Jahren gekauft! Leute, ihr seid echt geduldig!“, meint Glenn Gregory (64), Sänger von Heaven 17, zur Begrüßung und erntet Lacher. Es ist wohl eines der letzten Post-Pandemie-Nachholkonzerte, das die britischen Synthiepop-Helden am Freitag in der ausverkauften Fabrik spielen.
„Wir haben vor der Tür einen Typen getroffen, der hat sein Ticket für diese Show vor vier Jahren gekauft! Leute, ihr seid echt geduldig!“, meint Glenn Gregory (64), Sänger von Heaven 17, zur Begrüßung und erntet Lacher. Es ist wohl eines der letzten Post-Pandemie-Nachholkonzerte, das die britischen Synthiepop-Helden am Freitag in der ausverkauften Fabrik spielen.
Gregory und sein kongenialer Partner Martyn Ware mit Cowboyhut hinterm Keyboard haben noch eine Begleitmusikerin sowie zwei Backgroundsängerinnen mit dabei. „We love you“, ruft eine Frau. „We love you more“, entgegnet Gregory. Die Stimmung ist vom ersten Song an bestens.
Heaven 17 in der Fabrik: Der Frust wird an diesem Abend einfach weggefeiert
Auf das schnelle „(We Don’t Need This) Fascist Groove Thang“ folgt „Crushed By The Wheels Of Industry“ – und alle tanzen dazu. „Wir schrieben den Song exakt vor 40 Jahren. Ich muss zwei Jahre alt gewesen sein. Ich meine, 40 verdammte Jahre – wie geht das?“ Damit spricht der Frontmann allen Anwesenden aus der Seele: Kaum eine(r) dürfte jünger sein als Mitte 40. „Das Traurige ist, dass diese zwei Songs und auch ‚Let‘s All Make A Bomb‘ aus unserer Paranoia über die politische Situation jener Zeit heraus geschrieben wurden. Vor verdammten 40 Jahren! Aber wir hätten sie gestern geschrieben haben können. Wir sind in derselben Situation. Das ist gar nicht gut.“

So wie schon in den Achtzigern wird der Frust an diesem Abend einfach weggefeiert. Es ist der Wahnsinn, wie viele klasse Songs Heaven 17 auf ihren Alben „Penthouse And Pavement“ (1981) und „The Luxury Gap“ (1983) versammelt haben. Die Stücke klingen immer noch cool, auch dank der kernigen, dunklen Stimme von Gregory, die perfekt konserviert ist. Nur der Körper ist noch nicht ganz auf Betriebstemperatur: „Es ist das erste Konzert der Deutschlandtour, und ich fühle mich gerade erschlagen“, scherzt der lange Glatzkopf und krümmt sich. Man ist eben nicht mehr der Jüngste.
Heaven 17: Zwischen den Songs gibt es etwas Musikgeschichte
„Play To Win“ bescherte dem Duo einst den ersten Auftritt bei „Top Of The Pops“. „Come Live With Me“ ist immer noch ein ungewöhnliches kitschbefreites Liebeslied. Zwischen den Songs gibt es etwas Musikgeschichte. „Als Martyn bei Human League ausstieg, wurden wir Heaven 17“, so Gregory. „Martyn war damals der Einzige von uns, der einen Job hatte. Er musste sich entscheiden: einen Synthesizer kaufen oder Fahrstunden nehmen. Er entschied sich für den Synthie. Und er kann heute noch nicht Autofahren.“
Der Saal jubelt. Sie spielen das sommerliche Party-Lied „This Is Mine“, das in selbe Kerbe trifft wie „Club Tropicana“ von Wham!. „Wenn ich den singe, krieg ich ihn die nächsten Wochen nicht mehr aus dem Kopf. Schuld sind die Bläser…“, so Gregory. Und dann gibt es Stücke, die nie fürs Livespielen gedacht waren. „Als wir Heaven 17 gründeten, startete MTV in Amerika. Live aufzutreten fanden wir im Videozeitalter altmodisch, also taten wir es nicht.“
„Temptation“: Ein Song für die Ewigkeit
Der nächste Song wurde geschrieben, nur um ihn einmal im Studio zu singen. „Und hier stehe ich nun, 40 Jahre später, zur Hölle, so viele Worte…“ Aber Gregory meistert den Text von „We Live So Fast“ bravourös. Da alles mitklatscht, hätte man Fehler eh nicht bemerkt. Mit „You’ve Lost That Lovin‘ Feeling“ übernimmt Ware den Leadgesang für einen Song, den sie schon Ende der Siebziger gern gecovert haben. Und das Drumgewitter am Anfang von „Let Me Go“ kommt immer noch gut.
Für ihren größten Hit treten die beiden Ladys nach vorne und dekorieren „Temptation“ mit einem Intro, das so lang ist wie eine Maxi-Single in den Achtzigern. Ein Song für die Ewigkeit und die Gewissheit: Mit 40 Jahren mehr auf dem Buckel feiert es sich nicht viel schlechter.