Mega-Show in der Heimat: Olli Schulz geht auf Tuchfühlung mit den Hamburger Fans
Amüsante Geschichten aus Hamburg, Stellvertreter-Duette mit dem Publikum, MOPO-Schlagzeilen, eine Kissenschlacht und jede Menge Indie-Hits: Olli Schulz präsentierte an seinem ersten Abend in der Edel-Optics-Arena in Wilhelmsburg eine Show voller Witz und musikalischer Raffinesse.
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Amüsante Geschichten aus Hamburg, Stellvertreter-Duette mit dem Publikum, MOPO-Schlagzeilen, eine Kissenschlacht und jede Menge Indie-Hits: Olli Schulz präsentierte an seinem ersten Abend in der Edel-Optics-Arena in Wilhelmsburg eine Show voller Witz und musikalischer Raffinesse.
Olli Schulz ist sich am Montagabend nicht zu schade, noch vor seinem Support-Act ganz unprätentiös auf die Bühne zu kommen, um das deutsch-britische Powerpaket Christin Nichols mit Band höchstpersönlich anzusagen. Vielleicht kann er es aber auch einfach nicht abwarten, selbst auf den Brettern zu stehen. Es ist das erste von zwei Konzerten in Hamburg (für heute Abend gibt es noch Restkarten für 42 Euro!), die Arena in Wilhelmsburg ist voll.
Olli Schulz verrät: Er wurde im selben Krankenhaus geboren wie Angela Merkel
„Ich hoffe, ihr habt richtig gute Laune. Ich hab richtig gute Laune!“, begrüßt Schulz die Besucher. „Es ist das Ende der Tour, wir waren auf Platz 1 mit der Platte, ey, das hab ich euch zu verdanken… Wir haben den Rest der Tour nur geübt, um heute richtig gut zu sein!“ Jubel total. Dann verschwindet der Sänger, Songwriter, Podcaster („Fest & Flauschig“ mit Jan Böhmermann) und Moderator so leise wie er gekommen war. Nur um 50 Minuten später mit Akustikklampfe unterm Arm zurückzukehren und noch vor seinem ersten Song weiter zu quatschen.
„Vielen Dank, dass ihr so zahlreich erschienen seid und den Weg nach Wilhelmsburg irgendwie gefunden habt. Viele haben mir beleidigt geschrieben: ‚Nee, da fahr ich nicht hin.‘ Aber Wilhelmsburg ist voll schön geworden. Seit Jahren höre ich: Wilhelmsburg kommt. Und ich glaub, jetzt ist es da.“ So spricht nur ein Hamburger Jung. Wie wir später erfahren, wurde Schulz im selben Eimsbütteler Krankenhaus wie Angela Merkel geboren. Er legt mit seiner vierköpfigen Band mit dem Song „So muss es beginnen“ von 2015 los, dessen munterer perkussiver Sound an Vampire Weekend erinnert. Ein Vorhang fällt und gibt den Blick frei auf den Mann des Abends auf seinem Albumcover von „Vom Rand der Zeit“, mit dem er es im Februar tatsächlich 21 Jahre nach seinem Debüt erstmals auf die Pole-Position der deutschen Albumcharts schaffte.
Man muss kein Fan von Olli Schulz sein, man muss seine Lieder nicht kennen, man muss nicht mal mehr gute Laune haben, um wertschätzen zu können, wie gut er darin ist, in Wort und Ton zu unterhalten. Es macht einfach Spaß, seinen Geschichten zuzuhören, und er hat es drauf, sie in Songs zu gießen, die so gar nichts mit der gerne mal eintönigen deutschsprachigen Singer-Songwriter-Mucke zu tun haben. Dazu sind seine Lieder zu gut arrangiert und erfreulich flott gespielt.
Sänger vermisst die vielen Plattenläden, die es früher in der Schanze gab
Allein die Leidenschaft, mit der er über Musik sinniert, trifft mitten ins Herz: „Wenn ich eine Sache vermisse, dann sind das viele Plattenläden“, meint Schulz. „In der Schanze konnte ich in den Neunzigern drei Straßen langlaufen und acht Läden besuchen. Ich hab meine allererste Freundin im Plattenladen kennengelernt. Es war eine gute Kontaktbörse, ein guter Zufluchtsort.“ Darauf folgt das fröhliche Lied „So schreibt man seinen Song“ von der neuen Platte – und alles feiert ausgelassen. Schulz outet sich im Laufe des Abends als jemand, der oft allein auf Gigs abhing, „weil ich so viel auf Konzerte gegangen bin, dass dann oft keiner mitkommen wollte.“ Er erzählt, wie er im Beat-Club in der Hopfenstraße auf St. Pauli jobbte und wie ihn Annette Humpe (Ideal, Ich+Ich) zu einem besseren Text von „Bessere Version“ motivierte.
Dass er als Sidekick von Joko und Klaas zu mehr Berühmtheit kam als durch die Musik, war nie sein Plan. „Weil ich immer wieder gefragt werde: ‚Wann sieht man dich denn mal wieder im Fernsehen?‘ Wahrscheinlich nicht so häufig, das hier ist meine Kernkompetenz. Vor Leuten singen, quatschen, das mag ich am liebsten“, bekräftigt der 50-Jährige und holt aus. „Ich sag euch mal ein Geheimnis: Ich gelte in der Medienszene als schwieriger Typ. Isso. Weil ich mich einfach nicht entschieden habe für eine professionellen Charakter, ich bin ein eher brüchiger Typ, ne?“
Besondere Zugabe: eine Kissenschlacht in der Nachspielzeit
Der neue Song „Hamse nich“ bringt es auf den Punkt: „Man hatte angenommen, ich wäre angekommen, doch dann flog ich ganz schnell auf. Mein Businessplan ist nich‘ aufgegangen, ich hab mich viel zu schlecht verkauft“, heißt es darin. „Stadtfest in Bonn“ singt Olli Schulz auf dem neuen Album mit Ina Müller. „Aber Ina Müller ist diese Woche nicht in Hamburg. Sie hat ‘ne gute Ausrede, da kann ich nichts gegen sagen“, meint er und bittet Hilke aus Oldenburg und Shirley aus Hamburg als Duettpartnerinnen auf die Bühne. „Klaus und Klaus hießen auch noch so, als sie längst zu dritt waren“, kommentiert Schulz die Situation und erntet Lacher. „Wir sind jetzt ein abgebrühtes Schlagertrio.“ Das Publikum schunkelt dazu.
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Auf der B-Stage am Ende der Halle steht plötzlich eine dunkle Gestalt, die sich als Ollis Gewissen ausgibt, das fragt: „Du hast doch sicherlich schon die MOPO-Schlagzeile von morgen vor deinem inneren Auge? ‚Hamburger Jung an der Spitze der Charts.‘ Oder: ‚Olli Schulz geht in seiner Heimatstadt auf Tuchfühlung mit den Fans.‘“ Sein Indie-Gewissen hätte er schon lange umgebracht, entgegnet Schulz. Er rennt quer durch den Saal zur zweiten Bühne für seinen „Coldplay-Moment“.
Mit „Spielerfrau“ hat er den passenden Indie-Hit dafür parat, und alles singt olé, olé – Olli! Am Ende der Hauptspielzeit gibt es mit „Passt schon!“ einen HipHop-Song à la Olli Schulz, zu dem die Menge tanzt. Statt Konfetti gibt es in der Nachspielzeit kleine Kissen fürs Publikum – eine Kissenschlacht in XL sozusagen, wie man das unter guten Freunden so macht. Ein fantastischer Abend.