Deutsche ESC-Band: „Wir sind nicht Blankenese oder Wandsbek, wir sind St. Pauli“
Deutschland und der ESC, das war zuletzt nur eine einseitige Liebesbeziehung. In diesem Jahr will eine Band aus St. Pauli dafür sorgen, dass es nicht schon wieder der letzte Platz wird. Dabei geht es Lord Of The Lost nicht darum, eine bestimmte Nation beim Finale in Liverpool zu vertreten, wie Sänger Chris Harms, Gerrit Heinemann (Piano) und Pi Stoffers (Gitarre) der MOPO im Gespräch verraten. Sie haben sich klare Ziele abseits der Rangliste gesetzt.
Deutschland und der ESC, das war zuletzt nur eine einseitige Liebesbeziehung. In diesem Jahr will eine Band aus St. Pauli dafür sorgen, dass es nicht schon wieder der letzte Platz wird. Dabei geht es Lord Of The Lost nicht darum, eine bestimmte Nation beim Finale in Liverpool zu vertreten, wie Sänger Chris Harms, Gerrit Heinemann (Piano) und Pi Stoffers (Gitarre) der MOPO im Gespräch verraten. Sie haben sich klare Ziele gesetzt.
MOPO: Ihr tragt das Label „Jungs aus St. Pauli“ – wie tief seid ihr mit dem Stadtteil verwurzelt?
Chris Harms: Wir haben in der Sendung [der ESC-Vorentscheid am 3. März, Anm. d. Red.] gesagt, dass wir einfach nur ein paar Jungs aus St. Pauli sind. Und plötzlich sind wir ‚Die Jungs aus St. Pauli.‘ Unser Kreativzentrum ist hier, wir entspannen uns hier – nicht in der Herbertstraße (lacht) –, das ist der Stadtteil mit dem Lebensgefühl, das wir nachvollziehen können. Wir sind nicht Blankenese oder Wandsbek, wir sind St. Pauli.
ESC-Act Lord of the Lost: „Wir sind St. Pauli“
Kannst Du dieses Lebensgefühl kurz beschreiben?
Chris Harms: St. Pauli ist divers, offen und immer interessant.

Was sind eure Lieblingsorte auf St. Pauli?
Gerrit Heinemann: Unser Place-to-be war immer das „Lunacy“ am Hamburger Berg, wenn man Bock auf eine enge, verrauchte Bar hat – was seltener wird.
Pi Stoffers: Noch ein Wohlfühlort hier auf der Ecke ist das „Mother’s Fine“. Da gibt’s sehr gute Bagels und sehr guten Kaffee.
Chris Harms: Wenn wir vom Nachtleben weggehen, sind für mich die Landungsbrücken ganz zentral. Ich versuche jeden Tag, dort hinzugehen und die Luft einzuatmen. Dort trifft man mich und dort kann man auch den Lord of the Lost-Geist atmen.
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Begegnet ihr mittlerweile öfter Fans auf der Straße?
Chris Harms: Es gab jetzt natürlich einen Peak. Nach dem ESC wird es sicher nicht besser werden, wenn alle zum letzten Platz gratulieren. Aber das ist okay.

Ist das manchmal nicht unangenehm?
Pi Stoffers: Das ist so wie mit jeder menschlichen Interaktion. Wenn du nichts sagst und Menschen ungefragt um den Hals fällst, dann ist das komisch. Wenn Leute auf uns zukommen und „Hallo“ sagen, dann sagen wir auch „Hallo“ und können uns nett unterhalten.
Chris Harms: Wenn du den ganzen Tag bei jemandem zuhause aus den Boxen kommst, dann sprichst du zu den Leuten – gerade als Sänger. Sie haben das Gefühl, dass Du ihnen ganz nah bist und dass sie Dich kennen, obwohl ich sie zum ersten Mal sehe. Die meisten Leute sind sehr respektvoll und nett.
Hamburg und die Beatles: „Verbindung ist schön“
Ihr lebt auf St. Pauli. Verratet ihr uns ein paar „sündige“ Geschichten?
Chris Harms: Das Sündigste, was ich gemacht habe, war mit skandinavischen Bands im „Dollhouse“ zu sitzen. Die hatten sich gewünscht, Table Dance zu sehen. Meist sind es die Bands aus anderen Ländern, die herkommen und unbedingt in die Herbertstraße wollen. Dann wartest Du brav davor, bis sie nach sieben Minuten wiederkommen und dann geht’s weiter.
Hamburg und Liverpool, da gibt es mit den Beatles eine bestimmte Verbindung …
Chris Harms: Das ist ja nicht nur Hamburg und Liverpool, sondern St. Pauli und Liverpool. 1960 kamen diese jungen Herren, damals noch zu fünft, hierher – jetzt fahren wir nach Liverpool. Diese Verbindung fühlt sich schön an.
Habt ihr überhaupt Zeit, euch in Liverpool mit den Beatles zu beschäftigen?
Chris Harms: Wir haben einen Plan bekommen, aber der besteht nicht aus Freizeit. Es gibt zehn Tage lang Pressetermine, Technikproben, Bühnenproben, Musikproben, Make-up-Proben, Interviews und noch ein Akustik-Konzert zwischendrin.
Olli Schulz-Gag über Lord of the Lost: „Respektlos“
Wie geht ihr mit der großen Aufmerksamkeit seit dem Vorentscheid um?
Chris Harms: Je berühmter du wirst, desto mehr Hass gibt es. Da brauchst Du ein dickes Fell. Und wenn Du keines hast, eignest Du dir eines an.
Gerrit Heinemann: Das dicke Fell gab es bei uns auch nicht von vornherein. Es ist ein harter Trainingsprozess über die letzten 14 Jahre gewesen.
Chris Heinemann: Es gibt immer noch Sachen, die weh tun, gerade, wenn es persönlich wird. Olli Schulz finde ich als Typen cool, aber wenn er bei „Fest und Flauschig“ sagt, „Der Wikipedia-Artikel von dem Sänger, da sieht man ja schon, dass der den selbst geschrieben hat“ – dann tut mir sowas weh. Weil das nicht wahr ist und ich es anderen Künstlern gegenüber respektlos finde, so ein Ding unter der Gürtellinie rauszuhauen. Lieber Olli, wenn Du das liest: Sowas macht man nicht.
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Welches Ziel habt ihr euch für den ESC gesetzt?
Chris Harms: Das Hauptziel ist erst einmal: Besser als der vorletzte Platz zu sein. Das halten wir nicht für unrealistisch. Für uns ist es wichtig, authentisch zu sein. Wenn es von 200 Millionen Zuschauern nur 0,1 Prozent gefällt, dann haben wir als Band auch schon etwas richtig gemacht.
Habt ihr keine Angst vor einem schlechten Ergebnis?
Pi Stoffers: Was oft in den Köpfen der Deutschen bleibt und sehr nachtragend ist: Sie sehen den letzten Platz und sehen das als das letzte, mit dem sie sich beschäftigen. Wenn wir den letzten Platz belegen, wird das auch passieren, darauf haben wir keinen Einfluss. Wir für uns wissen, dass das ganze Jahr abseits des ESC mit Shows und Touren durchgebucht ist.
Chris Harms: Nationalstolz? „Wir sind zufällig von hier“
Der ESC verbindet einen gesamten Kontinent, sogar Australien ist dabei.
Chris Harms: Menschen und ihre Grenzen, alles unterm Strich sinnlos. Wir treten für Deutschland an, aber das hat nichts mit Nationalstolz zu tun. Wir sind zufällig von hier. Maßgeblich treten wir für die Leute an, die Bock auf unsere Mucke haben. Ich finde nicht, dass irgendein Land gewinnt, sondern der Act, der den meisten Leuten gefällt.
Gerrit Heinemann: Für einen Moment reißt es die Grenzen nieder, die wir uns im Kopf gesetzt haben.
Lord of the Lost werden am Samstag auf Platz 21 (von 26) die Bühne in Liverpool betreten. Das ESC-Finale wird am Samstag ab 21 Uhr live in der ARD und im Internet übertragen – auf mopo.de wird es einen Live-Ticker geben.