Große Party und ein Abschied – Depeche Mode: Hamburg ist so viel besser als Berlin!
Ein Greatest-Hits-Set, bester Sound, viel Arschwackeln, ein Abschied und ohrenbetäubender Jubel. Depeche Mode begeistern am Samstag in der proppevollen Barclays Arena. Eine Aussage sorgt für ein breites Grinsen auf der Bühne – und bringt die Fans zum Ausrasten.
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Ein Greatest-Hits-Set, bester Sound, viel Arschwackeln, ein Abschied und ohrenbetäubender Jubel. Depeche Mode begeistern am Samstag in der proppevollen Barclays Arena.
Hat er das jetzt wirklich gesagt? Dave Gahan von Depeche Mode war gerade auf dem Steg im Innenraum zu „Everything Counts“ auf Tuchfühlung gegangen, rief „Sing it“ und aus Tausenden Kehlen schallte ihm textsicher die Zeile „The grabbing hands grab all they can“ aus dem Stück „Everything Counts“ samt Armwedeln entgegen, während auf der XL-Leinwand der Bühne Hände den Song pantomimisch visualisierten, da kommentierte der Frontmann die Szenerie doch glatt mit den Worten: „So much better than Berlin!“ („So viel besser als in Berlin!“).
„So much better than Berlin!“ Depeche Mode sind begeistert von Hamburg
Ein breites Grinsen konnte er sich dabei nicht verkneifen, wohlwissend, dass man diese Aussage in der Elbmetropole gerne hört. Denn die große Liebe von Depeche Mode zur Hauptstadt ist bestens dokumentiert. So oft wie dort spielen sie nirgends. An den Hamburgern liegt das jedenfalls nicht. Die Synthiepophelden hätten die Barclays Arena auch drei Mal füllen können. Ihr Konzert dort am Samstag war sofort und seit Monaten ausverkauft. Schwarzmarktpreise im begehrten Golden-Circle vor der Bühne sollen für 1000 Euro den Besitzer gewechselt haben. Der Innenraum ist an diesem Abend brechend voll.
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Zuletzt war die Band aus dem englischen Basildon im Januar 2017 hier. Seitdem ist die Welt eine andere, besonders auch die Welt von Depeche Mode. 2020 wurden sie in die Rock And Hall of Fame aufgenommen, bekamen in den USA endlich die Würdigung, die ihnen zusteht, auch wenn es pandemiebedingt statt einer Zeremonie nur einen fröhlichen Zoom-Call zwischen Dave Gahan, Martin Gore und Andrew Fletcher gab.
Depeche Mode gedenken verstorbenem Bandkollegen
2022 dann das absolute Entsetzen in der Depeche-Community: Fletcher war überraschend an einem Aortariss verstorben. Mit dem im März 2023 erschienenen Album „Memento Mori“, was übersetzt etwa heißt „Bedenke, dass du sterben wirst“, setzen Depeche Mode ihm ein Denkmal. Zu „Behind The Wheel“ flimmert ihr Videoclip von 1987 über die Leinwand. Am Ende des Liedes gibt es das Antlitz des Verstorbenen als Standbild. „Wir wollen den Song unserem Bandkollegen und Freund Mr. Andrew Fletcher widmen“, sagt Dave, so als wäre er noch unter ihnen. Statt mit Trauer wird ihm mit jeder Menge wiedergewonnener Lebensfreude gedacht. Denn die verbliebenen Mitglieder Dave Gahan und Martin Gore sind an diesem Samstagabend in absoluter Partystimmung – und nach dem Tode von Fletcher sichtlich zusammengerückt. Das ist vielleicht sogar das Schönste an ihrem Konzert!
„Strangelove“ und „Heaven“ mit Piano-Begleitung: Gänsehaut pur, Jubel total
Fletcher war oft der Kitt, der die Band zusammenhielt, wenn sich Gahan und Gore mal wieder in den Haaren lagen. Nun ist er nicht mehr da, und die beiden haben eine Bromance am Laufen – zumindest für die 135 Minuten des Konzerts. Gahan sucht immer wieder seine Nähe und wird nicht müde, um den Gitarre spielenden Gore herumzutänzeln, so als wäre es ein Begattungsritual. Gore singt mit seiner glockenhellen Stimme die Songs „Strangelove“ und „Heaven“ nur mit Piano-Begleitung durch Tourmusiker Peter Gordeno. Gänsehaut pur! Jubel total! Als Gahan nach Gores Solo auf die Bühne zurückkommt, schwärmt er: „Wundervoll, eine engelsgleiche Stimme!“ Das sonnige Lächeln, dass die Zwei danach austauschen, berührt tief, macht die Welt für einen Moment wieder heile.
Dave Gahan liefert Mega-Performance auf der Bühne ab
Depeche Mode sind nun ein Duo – aus zwei tollen Sängern. In Sachen Performance ist Gahan allerdings unschlagbar. Ob es die drolligen Kniebeugen mit weit geöffneten Armen zum bedrohlich düster klingenden neuen Song „My Cosmos Is Mine“ gleich zu Beginn des Konzerts sind, sein kultiges Hinternwackeln, die Art, wie er Tour-Drummer Christian Eigner anfeuert, die Elvis-ähnlichen Tanz-Posen oder seine Endlos-Pirouetten – man kann die Augen einfach nicht von ihm abwenden. Mit zurückgegeltem grauem Haar, dunklem Augen-Make-up und seinem herrlich dunklen Bariton kommt er dieser Tage wie ein Fürst der Finsternis daher. Gahans Gebärden mit dem Mikrofonständer sind eine Sache für sich: Mal tanzt er damit leichtfüßig über die Bühne, bei „Policy Of Truth“ reibt er sein Gemächt an dem Teil – selbst mit 61 Lenzen kommt das bei ihm nicht mal lächerlich rüber. Er hat sich einfach bestens gehalten.
Depeche Mode: Das jüngste Juwel ist die Single „Ghosts Again“
Visuals und Stage-Design von Anton Corbijn inklusive großem mächtigen M über der Bühne sind maßgeschneidert auf das Image der Band. Zu „It’s No Good“ spaziert eine ganze Eselsherde über die Leinwand. Depeche Mode präsentieren Hit auf Hit, von denen sie in 44 Jahren jede Menge angesammelt haben. Der Sound ist absolute Weltklasse! Das jüngste Juwel ist die Single „Ghosts Again“ vom neuen Album; das Beste, was sie seit langem abgeliefert haben. Sie können es eben immer noch. Depeche Mode sind längst unsterblich.
Vor der Zugabe begeistern sie mit einer toll arrangierten Elektrostampf-Version von „Enjoy The Silence“. Mit einem Happy-Birthday-Ständchen auf dem Steg, dem quietschigen Frühwerk „Just Can’t Get Enough“, „Never Let Me Down Again“ samt kollektivem Armwedeln und dem rockigen „Personal Jesus“ verabschieden sich Depeche Mode von den Hamburgern. Am Dienstag spielen sie einmal mehr in Berlin. Wenn das mal keinen Ärger gibt …