Elphi: Sigur Rós lassen auf sich warten – dann Düsterkeit und Wow-Momente
Langsam schreiten die knapp 40 MusikerInnen des London Contemporary Orchestra am Sonntag zu ihren Instrumenten auf der dicht bestellten Bühne im großen Saal der Elbphilharmonie. Und dann passiert erst mal nichts. Warten in der Stille.
Langsam schreiten die knapp 40 MusikerInnen des London Contemporary Orchestra am Sonntag zu ihren Instrumenten auf der dicht bestellten Bühne im großen Saal der Elbphilharmonie. Und dann passiert erst mal nichts. Warten in der Stille.
Ein Vorschussapplaus vom Publikum. Bis zu dem erlösenden Moment, als die Backstage-Tür sich öffnet und die drei Herren von Sigur Rós sich auf ihre Positionen inmitten des Orchesters unter der Leitung von Robert Ames begeben.
Die isländischen Artrock-Avantgardisten haben vergangenen Freitag nach zehn Jahren unverhofft ein neues Studioalbum veröffentlicht – ebenfalls in dieser Konstellation. „ÁTTA“ heißt es, isländisch für acht, weil es das achte Album der Band ist. Einiges sprach dafür, dass es das nicht mehr geben würde: 2013 war ihr Keyboarder Kjartan Sveinsson ausgestiegen, 2018 ihr Drummer nach Vorwürfen sexueller Belästigung.
Doch nun ist Sveinsson wieder an Bord und komplettiert Sänger Jónsi Birgisson und Bassist Georg Hólm. Mit der neuen Single „Blóðberg“ starten sie ihr Set so, wie man sie gerne erinnert: sanft, atmosphärisch, elegisch. Dass auf dem Cover ihres neuen Albums ein in Flammen aufgehender Regenbogen prangt, passt gut zu dem Wechselspiel aus Düsterkeit und Hoffnung in ihrer Musik.
Elbphilharmonie: Sigur Rós optisch eins mit dem Orchester
Jónsis Falsettgesang ist so besonders und unkopierbar wie eh und je und wirkt über dem Klangteppich, den das Orchester ihm auslegt, wie ein weiteres Instrument – egal, ob er nun in der Fantasiesprache Hopeländisch oder der heimatlichen Mundart Isländisch singt. Für den zweiten Song packt er seinen markanten Cellobogen aus, um seine Gitarre damit zu bearbeiten; immer mal wieder wechselt er zum Klavier.
Die Band wird nicht nur klanglich, sondern auch optisch eins mit dem Orchester. Denn im Dunkeln der Bühne fällt es schwer, die drei Künstler überhaupt auszumachen. Mitunter wünscht man sich die roten Zipfelmützen zurück, mit denen Sigur Rós 1999 für ihr Durchbruch bringendes Debüt „Ágætis byrjun“ vor der kargen Landschaft von Island posierten. Der Höhepunkt in der ersten Konzerthälfte stammt dann auch von jenem Album: „Starálfur“ ist ein Sieben-Minuten-Epos, in dem die Violinen so eine wunderschöne Kraft und Dynamik entwickeln, dass es einem die Schuhe auszieht oder zumindest das Wasser in die Augen treibt.
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Nach der Pause sind es auch die kleinen Details, die für Wow-Momente sorgen: Streicher, die wie ein Echo klingen, haben wir so überhaupt noch nicht gehört. Kompliment an das junge und divers besetzte London Contemporary Orchestra. Beim Schlussapplaus spürt man förmlich die Anspannung, die von Sigur Rós abfällt, als sie sich verneigen. Als Zuschauer fühlt man sich nach den zwei Stunden isländischer Entschleunigung herrlich entspannt.