Kameraverbot und Mini-Bühne: Deichkind-Geheim-Konzert an der Süderstraße
Die Location: ein lauschiger Innenhof mitten in einem unwirtlichen Gewerbegebiet in Hamburg. Der Anlass: eine Verpflichtung der Hamburger Elektro-Titanen aus dem Lockdown: Deichkind spielten am Sonntagabend ein Geheimkonzert vor 500 Leuten. Das war ein bisschen wie eine Zeitreise, ein bisschen chaotisch – und: wie immer sehr liebenswert.
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Die Location: ein lauschiger Innenhof mitten im unwirtlichen Gewerbegebiet am Heidenkampsweg. Der Anlass: eine Verpflichtung der Hamburger Elektro-Titanen aus dem Lockdown. Deichkind spielten am Sonntagabend ein Geheimkonzert vor 500 Leuten. Das war ein bisschen wie eine Zeitreise, ein bisschen chaotisch – und: wie immer sehr liebenswert.
„Ey, heute is nix vorher überlegt. Das is so’n easy Sonntagabend-Ding”, sagt Porky. Deichkind, die irgendwann vor mehr als 20 Jahren als Hamburger HipHop-Band angefangen haben, sind heute vor allem: Mega-Spektakel. Kunst-Projekt. Schlaue Lyriker und Performance-Künstler, getarnt als Abriss-Experten. Ihr Geschäft sind riesige Bühnen, Choreographien und visuelle Wucht mit Licht und Installationen. Und hier heute Abend? Die Bühne im Format eines mittelgroßen LKW-Anhängers. Ein paar Lampen und ’ne Anlage mit ordentlich Wumms. Das war’s. Funktioniert das noch so?
Deichkind: Mini-Konzert im Südpol vor 500 Leuten
Was schon mal reibungslos funktioniert, ist die Orga. Im Südpol, wie der Klub heißt, in dem sonst Techno-Parties laufen, sind lauter auffallend freundliche Leute damit beschäftigt, die lange Schlange am Einlass abzuarbeiten. Jeder kriegt Klebeband, alle Handy-Kameras müssen abgeklebt werden: Das heute soll unter uns bleiben. Gekommen ist die angegraute Generation X, bespielt wird die erstmal mit ihrer Wohlfühlmusik vom Band: RATM, Beastie Boys, Missy Elliott, KRS-One.
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Deichkind lösen heute ein Versprechen aus dem Lockdown ein. Weil die vielen Crew-Mitglieder des Elektro-Reisezirkuses plötzlich keine Einnahmen mehr hatten, hatte die Band allerhand Kram zu ihren Gunsten versteigert. Darunter auch: ein exklusiver Open-Air-Gig „Wenn’s wieder geht”. 500 Tickets für je 40 Euro.
Deichkind: Gig zugunsten ihrer Crew-Mitglieder
Den haben sie jetzt mal flott zwischengeschoben, zwischen Festivals, Nachhol-Daten in großen Hallen, Single-Veröffentlichung und neuen Tour-Daten für 2023: Is stressig zurzeit. Und ’n büschn merkt man das Porky und Konsorten an: Man teilt sich die Kräfte ein. Ohne viel Gerät, aber mit fettem Sound geht’s los mit „Keine Party”. Sieben Mann und Bademäntel. Die Bäume im kopfsteingepflasterten Innenhof wackeln im brutal bollernden Bass-Druck.
„Andreas aus Freiburg” durfte die Setlist zusammenstellen, sagt Frontmann und Bandveteran Philipp Grütering (48). Die Reihenfolge stellt den Kollegen Porky vor Herausforderungen: „Was kommt denn jetzt als nächstes? Ah … Mal gucken, ob ich da den Text zusammenkrieg’ …” „Bück dich hoch”, „Arbeit nervt”, „Wer sagt denn das?“, „Bude voll People”. Bei den bildstarken Choreographien, die oft an zum Beat getaktete Flugzeug-Einweiser auf dem Airport-Vorfeld erinnern, müssen die Profis aufpassen, dass sie sich bei der Enge nicht aus Versehen Backpfeifen verpassen.
Vor vielen Jahren starteten Deichkind mit einem legendären Konzert und erstmalig im Mülltüten-Outfit im Waagenbau in ihre zweite Karriere. In Sachen Bühnen-Quadratmeter schließt sich heute der Kreis. Man sieht die Herren mal wieder von ganz nah und ohne viel Klimbim. Und das ist auch mal wieder schön.
Um 21.30 Uhr ist Schluss mit der Euphorie
Nach einer Stunde, mit wie immer stilsicherem Kurz-Ausflug in die HipHop-Vergangenheit („Komm schon/Bon Voyage”), der Abriss-Hymne „Limit” und natürlich „Remmidemmi”, ist schon Schluss. Ein Danke noch für die Unterstützung, und dann steht man da, um 21.30 Uhr, mit seiner Euphorie. Ein Hauch von Coitus interruptus. Aber hey, dann haben die Babysitter früher Feierabend. Und apropos „Arbeit nervt”: Es ist ja der Abend vor Montag …