Danger Dan: Mittelfinger und Rote-Flora-Vibes in der Elphi
Wie ist er hier gelandet? Rote Bomberjacke, rote Doc Martens, Pianist im Punker-Look. Danger Dan nennt sich „Gangsterrapper“, jetzt füllt er den großen Saal der Elbphilharmonie: „ein Versehen“. Sein Konzert beginnt er mit einer klaren Ansage ans Publikum, fordert „Rote-Flora-Vibes“, nach wenigen Songs reckt er beide Mittelfinger in die Luft. Es ist eine einzigartige Konstellation, die Danger Dan virtuos zu nutzen weiß – besonders, als er für das wichtigste Lied des Abends die Bühne verlässt.
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Wie ist er hier gelandet? Rote Bomberjacke, rote Doc Martens, Pianist im Punker-Look. Danger Dan nennt sich „Gangsterrapper“, jetzt füllt er den großen Saal der Hamburger Elbphilharmonie: „ein Versehen“. Sein Konzert beginnt er mit einer klaren Ansage ans Publikum, fordert „Rote-Flora-Vibes“, nach wenigen Songs reckt er beide Mittelfinger in die Luft. Es ist eine einzigartige Konstellation, die Danger Dan virtuos zu nutzen weiß – besonders, als er für das wichtigste Lied des Abends die Bühne verlässt.
Es ist ein Auswärtsspiel für die meisten im Saal. „Ich weiß nicht, wie oft ihr in die Elbphilharmonie geht“, sagt Danger Dan, die Zuschauer lachen – erwischt. „Ich war noch nie hier. Hatte immer Angst, dass es am Ende das 11,24-fache vom eigentlichen Preis kostet.“ Die erste Spitze gegen Hamburgs teures Wahrzeichen, das erste Bekenntnis zum Publikum: Die Bühne hat sich geändert, ihr und ich, wir sind noch dieselben. „Ich fänd‘ es schön, wenn wir hier ein paar Rote-Flora-Vibes hineinbringen“, sagt Danger Dan, „Sing mit, feiert, es ist immer noch ein Konzert!“
Es folgt eine klare Ansage: „Hier ist kein Platz für Sexisten, Rassisten, Antisemiten, homophobe Arschlöcher und AfD-Sympathisanten!“ Wie ist er hier gelandet? Ein Grund ist seine Haltung, er setzt immer wieder Statements, ob musikalisch oder in Anekdoten.
Danger Dan: Ein Abend wie eine Heldenreise
Überhaupt ist der ganze Abend genau durchgeplant, zwischen Liedzeilen werden Gags platziert, zwischen den Songs passende Storys erzählt. Er weiß, dass er die Zuschauer anders abholen muss, wenn sie im Saal verteilt sitzen und nicht vor ihm rumspringen wie bei einem normalen Konzert. Also konstruiert er ein Drama, seine eigene Heldenreise. Erstes Lied: „Lauf davon“, die Flucht vor dem geordneten Arbeitsalltag, der Ruf des Abenteuers.
Viertes Lied: „Ingloria Victoria“, der Song übers Victoria-Gymnasium in Aachen, von dem er geflogen ist, das Überschreiten der ersten Schwelle. „Diese Schweine“, brüllt Danger Dan nach dem Song, „ich wünschte, die könnten sehen, was ich jetzt mache!“ Er reckt beide Mittelfinger in die Luft, ein Statement, überlegt platziert, die Fotografen mussten nach den ersten drei Songs gehen. Mit Stinkefinger in der Elphi, das Bild war ihm wohl doch zu viel.
„Mein Vater wird gesucht“: Streichquartett spielt Lied aus der Nazi-Zeit
Für das siebte Lied kommen die Gefährten der Heldenreise auf die Bühne – und Danger Dan geht. Ein Streichquartett – Jonathan Heck, Shir-Ran Yinon, Coen Strouken, Nariman Akbarov – spielt „Mein Vater wird gesucht“ von Hans Drach, der vor den Nazis floh und dieses Lied komponierte über einen Jungen, dessen Vater von der SA verfolgt wird. Danger Dans wichtigstes Statement des Abends, dass er dem Lied Raum gibt, das wie viele andere aus der Nazi-Zeit vergessen werden sollte.
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Von da an sind sie ein Team auf der Bühne, Danger Dan rappt „Private Altersvorsorge“ auf dem Beat von Streichinstrumenten. Er betritt gerade seine tiefste Höhle, den Song hat er 2008 an sein zukünftiges Ich geschrieben, mit der Ungewissheit, ob der eigene Weg der richtige sein oder doch in die Armut führen würde. 2018 antwortete er seinem früheren Selbst mit „Private Altersvorsorge 2“, da hatte er es geschafft. Direkt nacheinander performt wirkt es, als würde er sich selbst aus der Höhle ziehen.
Danach ist alles ein Selbstgänger: Hits des Albums, „Trotzdem“ und „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“, „Die gute Nachricht“ – es sind die Lieder, die beweisen, dass sein individueller Weg erfolgreich war. Klavier, Streicher, Elphi, alles passt. Zum Abschluss „Tesa Film“, wie das Elixier der Reise, das Leben einfach ausprobieren, es zur Not mit Klebeband versuchen zusammenzuflicken.
„Ich hatte diesen Traum nicht“, ruft Danger Dan abschließend ins Publikum, „das war unrealistisch, dass ich mal hier in der Elbphilharmonie stehe und wir das Ding ausverkauft haben.“ Und doch führte seine Reise ihn her, genau zum richtigen Ort.