Bruce Springsteen in Hamburg: Dieses Konzert wird wohl kein Besucher je vergessen
„One, two, three, four“ – bei keinem anderen Rockstar ist das Songeinzählen so ikonisch wie beim Boss, Mr. Bruce Springsteen (73). Und nachdem er am Samstag um kurz vor 19 Uhr noch ein laaanges „Hellooo Hambuuurg!“ vorangestellt hat, beginnt er genau so das Konzert zusammen mit seiner E Street Band vor ca. 50.000 Leuten im ausverkauften Volksparkstadion. Es soll ein knapp dreistündiger, unvergesslicher und euphorischer Abend werden – aber in ihm steckt auch ganz schön viel Nachdenklichkeit.
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„One, two, three, four“ – bei keinem anderen Rockstar ist das Songeinzählen so ikonisch wie beim Boss, Mr. Bruce Springsteen (73). Und nachdem er am Samstag um kurz vor 19 Uhr noch ein laaanges „Hellooo Hambuuurg!“ vorangestellt hat, beginnt er genau so das Konzert zusammen mit seiner E Street Band vor ca. 50.000 Leuten im ausverkauften Volksparkstadion. Es soll ein knapp dreistündiger, unvergesslicher und euphorischer Abend werden – aber in ihm steckt auch ganz schön viel Nachdenklichkeit.
In den ersten drei Songs – „No Surrender“, „Ghosts“ und „Prove It All Night“ – macht Bruce direkt klar, warum er einer der Größten aller Zeiten ist: Er sieht im schwarzen Hemd, Jeans und roten Dr. Martens noch immer extrem gut aus, ist braungebrannt, sein Body in Shape. Er reißt an den Gitarrensaiten, vollführt herrlichen Chorgesang mit seinem exzentrischen Gitarristen Steven Van Zandt (72) und ruht beim Jam zusammen mit der restlichen E Street Band (18 Mitglieder!) in sich, als wären sie gerade alleine im Proberaum. Die sind wirklich noch eine richtige Band! Und Bruce ist dem Publikum so nah! Durch die persönlichen Geschichten in seinen Songs, aber eben auch dadurch, dass er sich zur ersten Reihe begibt – die Gitarre hinterm Po hängend –, Hände schüttelt, Hallo sagt, Küsschen und Plektren verteilt – und einem jungen Mädchen sogar direkt seine Mundharmonika schenkt. Sie kann’s nicht fassen – Freudentränen! Hier sind die teuersten „Front Of Stage 1“-Tickets wirklich noch ihr Geld wert. Auf dem Rang steht man nur sprachlos da – das „I’m aliiive“ aus „Ghosts“ ist hier wirklich Programm.
Bei „Letter To You“ werden die Lyrics an den riesigen Leinwänden gezeigt – sogar auf Deutsch übersetzt! Daran muss man sich erst mal gewöhnen, aber irgendwie ist’s ja auch gut, dann kann man sich so richtig mit dem Text auseinandersetzen. Bei „Working On The Highway“ kommen Bruces kratzig-rotzig-verschmitzte Stimmanteile zur Akustikgitarre herrlich zur Geltung. Und mit „Kitty’s Back“ zeigt die E Street Band endgültig, dass sie alle die allercoolsten sind. Die Soli! Und Bruces Gitarrensolo! Das Publikum kann nur noch „Bruuuce!“ rufen.
Beim Commoderes-Cover „Nightshift“ von der neuesten Platte „Only The Strong Survive“ haut’s die Autorin dieses Textes endgültig um – Tränen schießen in die Augen. Warum ausgerechnet bei dem Cover? Weil da so viel Seele drinsteckt und weil das Können der Sänger:innen der E Street Band unvergleichlich ist.
Bruce Springsteen in Hamburg: Bei „Last Man Standing“
Nach „Mary’s Place“, bei dem Bruce ein köstliches Leise-sein-Spiel mit dem Publikum vollführt, und dem Hit „The River“ kommt der emotionalste Abschnitt des Konzerts: „1964, als ich 15 war, hatte ich das erste Vorspielen bei George Theiss. Daraufhin gründeten wir eine Rock’n’Roll-Band und das größte Abenteuer meines Lebens begann“, erzählt Bruce über seine Zeit mit The Castiles. „50 Jahre später musste ich an Georges Todesbett stehen und mir wurde bewusst, dass ich das letzte noch lebende Mitglied der Band bin. Nie wurde mir klarer, dass man seinen Tag nutzen, gut zu sich selbst und seinen Liebsten sein muss“, sagt er. Daraufhin kommt das dazu passende, nachdenkliche „Last Man Standing“ – bei dem keiner mitsingt und alle einfach nur zuhören. Bruce sagt auch, dass er noch ganz viele Erinnerungen wie eine Gitarre, Bücher und Fotos von George hat: „Und den Rest hab‘ ich hier im Herzen bis zum Ende.“ Wohl jeder und jede im Publikum muss in diesem Moment an einen geliebten verstorbenen Menschen denken, wenn ihm/ihr das schon widerfahren ist. Puh!
Danach kommt ein Knaller nach dem anderen: „Because The Night“, das Bruce und Patti Smith zusammen geschrieben haben, das weltumarmende „The Rising“, „Badlands“ und die „Thunder Road“.
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Bei „Born To Run“ wird auf einmal das ganze Stadion beleuchtet und vor „Glory Days“ spritzt Bruce sein Trinken (Ist es Wasser oder doch Bier?) wie eine Fontäne aus dem Mund. Dann wird klar, dass dieser Steven Van Zandt, der immer irgendwie gelangweilt-arrogant guckt und dessen Lippe immer etwas runterhängt, doch den Schalk im Nacken hat: „Is it time to go home, Steevie?“, fragt Bruce ihn immer wieder – und der tut absolut ahnungslos. Das Publikum fängt natürlich an, „Nooo!“ zu rufen. Und Bruce sagt daraufhin: „Nobody wants to go home, Steeevie!“ Und dann posen die beiden für die Kamera – Steven übernimmt sogar das Filmen, während Bruce mit seinem Popo wackelt. Herrlich!
Bruce Springsteen: Diesen Hamburger Abend wird man wohl nie vergessen
„Dancing In The Dark“ ist einfach nur krass – dazu passt auch, dass Bruce sein Hemd aufreißt. Dann stellt er noch jedes einzelne Bandmitglied vor, die verstorbenen Mitglieder Danny Federici und Clarence Clemons (sein Neffe Jake macht ihm als Nachfolger am Saxofon übrigens alle Ehre!) werden auf den Leinwänden gezeigt und die legendäre, „hearts-stopping, pants-dropping usw.“-Ansage kommt auch noch. Nach einem „Wir lieben euch!“ auf Deutsch, „God bless Hamburg!“ und dem allerletzten Lied „I’ll See You In My Dreams“ von Bruce ganz alleine akustisch an der Gitarre, ist dann wirklich Schluss.
Diesen Hamburger Abend wird man wohl nie vergessen. Spirituell, magisch, berauschend. Aber man fragt sich auch: Ist das gerade womöglich Bruce Springsteens allerletzte große Welttournee? Denn er ist ja nun mal schon 73. Bei ihm wünscht man sich wirklich aus tiefstem Herzen: Kann er nicht einfach 1000 Jahre alt werden und noch ewig so weitermachen?