Böhmermann in Hamburg: Mit H.P. Baxxter und Sticheleien gegen Grote
Böhmermann und Hamburg – das Verhältnis ist juristisch belastet. So gab’s in der rappelvollen Sporthalle neben der massiven musikalischen Wucht des Rundfunk-Tanzorchesters Ehrenfeld Stänkereien über den autofreien Jungfernstieg, Witze über Innensenator Grote und „Welt“-Herausgeber Stefan Aust, und über das Oberlandesgericht Hamburg. Und einen frenetisch gefeierten Gastauftritt von H.P. Baxxter. Ganz schön abenteuerliche Wundertüte …
- Deutsch (Deutschland)
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Böhmermann und Hamburg – das Verhältnis ist juristisch belastet. So gab’s in der rappelvollen Sporthalle neben der massiven musikalischen Wucht des Rundfunk-Tanzorchesters Ehrenfeld Stänkereien über den autofreien Jungfernstieg, Witze über Innensenator Grote und „Welt“-Herausgeber Stefan Aust, und über das Oberlandesgericht Hamburg. Und einen frenetisch gefeierten Gastauftritt von H.P. Baxxter. Ganz schön abenteuerliche Wundertüte …
Kann das gehen? Der ganze ironische Anspielungs-Bums des TV-Moderators Böhmermanns ohne Fernsehsessel und begleitend einordnender Augenbrauen-Choreografie in Großaufnahme? Ist denn nun unbeschwertes dancen angesagt zum Gabalierschen „Ischgl-Fieber (Husti Husti Heh!)“, der Abrechnung mit laxer Ösi-Attitüde zum Corona-Alarm der ersten Tage im Après-Ski-Gewand? Oder soll man das eher verstehend schauend durchrauschen lassen? Das Setting dieses „politischen Liederabends“ mit viel Halligalli-Wumms ist ungewöhnlich. Und das merkt man zu Beginn am Samstagabend in Alsterdorf, weil ein bisschen Irritation in der Luft liegt. Aber auch viel Entschlossenheit der Böhmermann-Jünger, da gemeinsam gut durchzukommen.
Motto des Abends: „Kopfüber in den Cringe“
Der Chef geht in die Offensive und benennt das Motto des Abends: „Kopfüber in den Cringe!“ Soll wohl heißen: Jepp. Es wird auch mal peinlich. Nehmen wie’s kommt und lockermachen. „Glaubt mir, das kriegen wir schon hin!“, verspricht der Gastgeber.
Gekommen sind 7000. Sowas von ausverkauft. Der Innenraum ist bis zur Rückwand dicht. Altersdurchschnitt irgendwas bei Mitte 30. Von 20 bis 60 alles dabei.
Sieht natürlich nicht nach subversiver Anarchisten-Szene aus. Das ist die staatstragende urbane Mittelschicht. Und die kriegt gleich zu Beginn die passende Hymne verpasst. „Zur Förderung der gebeutelten Hamburger Kulturlandschaft kommt „Gegen den Staat“ von Rocko Schamoni, damit bei der Hamburger Pudel-Größe ein bisschen GEMA-Gebühren hängen bleiben, wie Böhmermann sagt.
Gruß an Pudel-Größe Rocko Schamoni
Zur sonnigen Melodie von „Building A Bridge To Your Heart“ gibt’s da Widerstands-Tipps für Einsteiger: „Nimm die Kollegen und fahrt zusammen raus /Auf Kaffeefahrt lernt man sich auch mal kennen / Mach was Verrücktes und gib allen eine Runde aus / Nacktbaden gehen und um die Wette rennen“.
Dass hier am Ende sowieso nichts so richtig anbrennen kann, liegt allein schon am Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld. Wenn die monströs vielseitige Big Band die spacige Erkennungsmelodie der 80er-Zeichentrickserie „Captain Future“-Hymne schmettert, dann ist das: unwiderstehlich.
Das RTE knüpft tiefe, flauschige Klang-Teppiche für die im Internet millionenfach aufgerufenen Böhmermann-Songs, die immer irgendwie zwischen Parodie und Hommage hängen. „Versandsoldaten“, „Hallo, Herr Scherzanwalt“, „Herz und Faust und Zwinkerzwinker“, „Menschen, Leben, Tanzen, Welt“. Chanson, Schlager, Rap, Polka, Arbeiterlieder, Funk, deutscher Hochglanz-Emo-Radio-Pop“. Geht alles. Und zwar in Highend.
Und dann kommt Scooter-Boss H. P. Baxxter
Vor der Bühne hat man sich inzwischen emotional zurechtgeruckelt zwischen Cringe und Groove. Läuft. Und dann? Kommt H.P. Baxxter. „I don’t give a penny, fuck 2020!“ Das Publikum: begeistert. „Döp-döp-döp-döbödöp-döpdöp“ erschallt’s von den Tausenden. Böhmermann kontert: „Sind so viele aus Elmshorn hier, heute?“
Hamburg kann Böhmermann. Er grüßt die städtische Justiz, die ihm einst in Sachen Erdogan eins beigepult hat und zuletzt „Welt“-Herausgeber Stefan Aust beistand, als der gegen das RAF-Parodie-Plakat vorging, auf dem sein Name stand. Wenn auch unter einem Foto von Schauspieler Volker Bruch. Er wundert sich darüber, dass auf dem autofreien Jungfernstieg „ganz schön viele Autos fahren“ und singt „Warum hört der Fahrradweg einfach hier auf?“ Er stänkert über Hannover („Da waren wir gestern, furchtbares Publikum. Alles Arschlöcher. Nicht so wie hier“). „Hat hier etwa jemand den Innensenator im Internet als Pimmel bezeichnet?“, fragt er schließlich drohend und es folgt die breitbeinige Rechtsstaat-Hymne im Gangster-Rap-Gewand: „Ich hab Polizei!“
Dann sind gut zwei Stunden rum und die Leute auf und vor der Bühne sehen happy aus. Hat tatsächlich geklappt.