„Reines Politiker-Bashing reizt niemanden mehr“: Das Theaterschiff wird 50!
Hier an Bord ist immer was los: 50 Jahre Theaterschiff – da wird unter dem Motto „Stürmisch gut“ im Nikolaifleet Geburtstag gefeiert. Mit einem Mix aus Shows und Comedy, Kabarett und Gastspielen. Die MOPO sprach mit Geschäftsführer Heiko Schlesselmann und dem künstlerischen Leiter und Kabarettisten Michael Frowin über bewegte Zeiten und Zukunftspläne.
MOPO: Herr Schlesselmann, Sie sind durch Ihre Familie quasi mit dem Theaterschiff groß geworden. Wie haben Sie dessen Geschichte erlebt?
Heiko Schlesselmann: Meine Eltern waren lange mit den Schiffstheater-Gründern Christa und Eberhard Möbius befreundet, so war auch ich oft an Bord. 1975 verwirklichten die beiden ihren Traum von einem schwimmenden Theater. Fast 5000 Mal stand „Käpt’n Möbi“ mit eigenen Kabarettprogrammen auf der Bühne. Das Theaterschiff zog auch bald prominente Gäste an wie Senta Berger und Evelyn Künneke, Gert Fröbe, Peter Ustinov und Heinz Reincke. Ich fand die Atmosphäre an Bord immer besonders und habe mich gefreut, dass Möbi seinen „Traum von Holz und Eisen“ im Oktober 2000 an meine Eltern weitergab.
War für Sie immer klar, einmal selbst als Nachfolger Ihrer inzwischen verstorbenen Eltern das Ruder in die Hand zu nehmen?
Schlesselmann: Überhaupt nicht! Doch als ich beruflich neu starten wollte, war ich auch für meinen Vater Gerd, der weitere Theater in Hamburg und Dresden führte, auf dem Theaterschiff im Einsatz. Und fand es toll. Doch ohne Michael Frowin, den mein Vater 2007 als künstlerischen Leiter engagierte, hätte ich die Verantwortung nicht übernommen.
Michael Frowin: Mit Heiko kam frischer Wind an Bord. Mir war klar, gemeinsam hätten wir eine echte Chance, den Laden neu zu erfinden. Wobei mir ganz sicher eine gewisse Respektlosigkeit vor der Tradition der Bühne zugutekam, denn die kannte ich ja gar nicht.
Wie ist die Situation heute?
Frowin: Wir sind auf einem sehr guten Weg, machen weiterhin satirisches Theater, sind aber zeitgenössischer und haben uns mehr in Richtung Comedy bewegt.
Schlesselmann: Wir mussten einen Knoten durchbrechen. Und wir haben es geschafft. In den letzten Spielzeiten konnten wir immer mehr als 20.000 Gäste begrüßen, bei 250 Vorstellungen und 114 Plätzen im Schiffsbauch eine erfreuliche Entwicklung, die auch durch eine geänderte Programmauswahl angeschoben wurde wie unsere sehr musikalische Matrosen-Show.
Was hat sich im Kabarett geändert, was möchte das Publikum sehen?
Frowin: Comedy hat das ganze Genre verändert, es ist schneller und bunter geworden. Kabarett war auch ein bisschen gemütlich. Man hatte oben auf der Bühne eine Meinung und konnte sich sicher sein, die da unten denken genauso. Diese Zeiten sind vorbei. Reines Politiker-Bashing reizt niemanden mehr.
Schlesselmann: Ich glaube, die Menschen wünschen sich mehr Unterhaltung. Man möchte auch mal abschalten von den ganzen Horrormeldungen. Was bei den Zuschauern gut ankommt, ist ein Mix aus klarer Kritik an der Situation und leichteren Themen. Alle haben Lust zu lachen, auch mal über sich selbst.
Für die Jubiläumsspielzeit haben Sie sich einiges vorgenommen …
Frowin: Genau, zum 50. gönnen wir uns zwei große Produktionen. Den Anfang macht „Desperate Boatwives“, eine Drei-Frauen-Show mit Comedy, tollen Choreografien und viel Musik. Und bei der nächsten großen Performance versuchen wir, in Kooperation mit dem Kabarett „Die Oderhähne“ Beatboxing, Kabarett und Comedy zusammenzubringen. Dafür konnten wir Daniel Mandolini gewinnen, einen Beatbox-Weltmeister aus Berlin. Man darf also sehr gespannt sein.
„Desperate Boatwives“: ab 11.10., diverse Zeiten, Theaterschiff, Nikolaifleet, ab 29,90 Euro, Tel. 69 65 05 60
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