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Löw hält Kahnwald an den Beinen und schleudert ihn durch Wasser
  • Ein Kampf: der Ich-Erzähler (Nils Kahnwald, l.) und „der Freund“ (Hans Löw)
  • Foto: Krafft Angerer

MeToo-Story mit Vampir-Vibes: Stuckrad-Barres „Noch wach?“ am Thalia-Theater

Roman, Hörbuch, Theaterstück: Die mediale Verwertungskette des Frühjahrs-Bestsellers von Benjamin von Stuckrad-Barre geht am Thalia-Theater mit der Uraufführung in die nächste Runde. In „Noch wach?“ erzählt der sendungsbewusste Autor vom Zerbrechen einer großen Männerfreundschaft (gar einer „Liebe“), von Macht und ihrem Missbrauch im Medienbetrieb, und nebenbei schwingt er sich zu einer Art „Benny d’Arc“ der #MeToo-Bewegung auf. Ganz nach dem Motto: Wenn Männer aneinander leiden, dann eben Feminismus.

Der „Sender-Chef“ und der „Chefredakteur“ im Schlüsselroman sind wenig verschleierte Porträts der beiden Springer-Zampanos Döpfner und Reichelt. Deren öffentliches Gehakel – erst „Weiter so“, dann Rausschmiss mit juristischem Nachspiel – trug ebenfalls zum Erfolg des Romans bei.

Dracula-Schloss im Dauerregen: Hier spielt „Noch wach?“. Krafft Angerer
Düsteres Bühnenbild, Menschen in schwarzen Umhängen, Regen
Dracula-Schloss im Dauerregen: Hier spielt „Noch wach?“.

Am Thalia setzt Regisseur Christopher Rüping den Stoff zunächst mal sehr werkgetreu um. Indem er den Erzähler – also die Stuckrad-Barre-Figur – auf vier Darsteller:innen aufspaltet, verleiht er ihm mehr Bühnenlebendigkeit. In ihren Glitzeranzügen spulen sie jede Menge Text ab, da kommt der bisweilen schwafelige Roman zu seinem Recht.

Die Handlung spielt in Berlin und in Los Angeles. Die Dudes stecken in ihrer Krise. Zugleich häufen sich im Sender wie auch in der Welt (Stichwort: Weinstein & Co.) die öffentlichen Missbrauchsfälle. Der „Sender“ ist auf der Bühne das düstere Dracula-Schloss, der Hausherr gar selbst der Vampir, der aus dem Sarg lugt. Kapiert? Kapiert!

Verschleierte Porträts der beiden Springer-Zampanos Döpfner und Reichelt

Handwerklich ist das alles gut gemacht, es gibt Livemusik (Matze Pröllochs und Sängerin Inéz), ein starkes Ensemble (herausragend: Julia Riedler und Nils Kahnwald), viel Regen und ein paar feine Gags. Trotzdem ziehen sich die mehr als drei Stunden reichlich zäh in die Länge, bleibt echte Wut über gesellschaftliche Missstände aus. Doch das liegt vielleicht an der Vorlage: Wenn gleichzeitig Männergedöns und Frauenaktivismus verhandelt werden, bleiben Letztere leider irgendwie Beiwerk, zumindest bis zur Schlussszene. Q.e.d. – was zu beweisen war?

Thalia-Theater: wieder am 10./19./24.9. und 5.10., diverse Uhrzeiten, 9-45 Euro, Tel. 32 81 44 44

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