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Die Darstellerin im üppigen goldenen Kostum
  • Maria Kataeva als Carmen in der Staatsoper Hamburg
  • Foto: Brinkhoff/Moegenburg

Knallig, deftig, bunt: Bravos und Buhs für „Carmen“ an der Staatsoper

Rot! Violett! Flaschengrün! Türkisblau! Die Blockfarben schreien geradezu, wenn Soldaten und Arbeiterinnen die Bühne der Staatsoper in Hamburg bevölkern. So sieht es aus, wenn Herbert Fritsch und sein Kostümbildner José Luna Bizets „Carmen“ interpretieren. Eben nicht folkloristisch-gefällig-bunt, sondern überdreht-quietschbunt. Mit dieser Inszenierung hat die Staatsoper die Spielzeit eröffnet, und das Publikum reagierte lebhaft – mit Bravorufen und Buhs.

Statt die Oper auf ihre Rollenbilder zu befragen oder in die Gegenwart zu zerren, entwirft Fritsch eine in sich geschlossene Welt, in der er mit den Klischees fröhlich spielt. Als Bühnenbild reichen ihm ein paar goldene Vorhänge und bemalte Prospekte und Carsten Sanders originelle Lichtregie, erst im dritten Akt ist das Plakat eines Toreros zu sehen. Doch gleich zu Beginn verraten es die stilisierten Tellerröcke und eine haushohe Marienstatue, wie die Bevölkerung sie in der Karwoche bei Prozessionen durch die Stadt zu tragen pflegt: Diese „Carmen“ darf am Originalort Sevilla spielen.

„Carmen“ eröffnet Saison der Staatsoper Hamburg

Die Regie mag deftig und knallig sein, das Bemerkenswerte geschieht zwischen den Zeilen. Eine Spezialität Fritschs ist die Personenführung. Noch in die trubeligsten Volksszenen flicht er kleine Begegnungen ein. Er nutzt kurze Orchesterpassagen oder Übergänge für Gesten oder Blicke, die seinen Protagonisten Profil verleihen. Don José etwa, der später zum Mörder werden wird, hat anfangs eine kindliche Freude daran, die Kinder zu necken.

Fritsch verlangt den Darstellern eine abstrakt-reduzierte Gestensprache ab, und gerade diese Genauigkeit gibt Einblick in das Seelenleben der Figuren. Requisiten braucht es dazu nicht, weder Briefe noch blutüberströmte Messer. Umso mehr Gewicht haben die paar Schritte und Gesten oder auch die Rose, die Carmen José hinwirft. Auch auf dem Saum der Maria sind Rosen aufgenäht: eine symbolische Verbindung zwischen den beiden so gegensätzlichen Frauenfiguren. Für Komik hat Fritsch ohnehin ein Händchen. Das Quintett von Carmen, ihren Freundinnen und den beiden Schmugglern wird reinster Slapstick.


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Im Solistenensemble glänzen vor allem die Frauen. Elbenita Kajtazi leiht der Micaëla ihren blühenden Sopran. Der alles überstrahlende Mittelpunkt des Ganzen aber ist Maria Kataeva als Vollblut-Carmen von betörender Präsenz. Schon mit feinsten Bewegungen der Fingerglieder setzt die Sängerin beim Flamencotanz alle Beteiligten unter Spannung. Ihr farbenreicher Mezzosopran hat die richtige Mischung von Balsam und Gift. Tomislav Mužek als Don José singt sich zunehmend frei und überzeugt insbesondere in den lyrischen Passagen seiner Partie.

Maria Kataeva als Carmen mit betörender Präsenz

Das Philharmonische Staatsorchester entfaltet Bizets Partitur unter der Leitung von Yoel Gamzou zu einem naturalistisch-dreidimensionalen Bilderbogen, so bunt wie das Bühnengeschehen. Dabei scheut Gamzou vor extremen Tempi und jähen Tempowechseln nicht zurück. Das sorgt für einige Wackler zwischen Bühne und Graben und bringt dem Dirigenten schon während der Aufführung einige Buhs ein. Aber an der hohen Dichte der Aufführung haben sie alle ihren Anteil, der Staatsopernchor genauso wie die Alsterspatzen oder die Komparsen, die die hysterische Verehrung der Massen für den Torero Escamillo genüsslich überzeichnen. Und damit in Fritschs Bildsprache eine tiefe, allgemeine Wahrheit ausdrücken. (JTA)

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