Im Vordergrund auf dem Boden zwei Darstellende, hinten eine weitere Person
  • Begeisterndes Ensemble (v. l.): Alina Hidic, Ivo Masannek und Henrik Demcker
  • Foto: Oliver Fantitsch

Für Teenies, die nicht wissen, was Sex ist: Theater-Klassiker in Hamburg

Das Leben in der Pubertät ist geprägt von Veränderungen. Dass es in dieser Entwicklungsphase einer Großbaustelle gleicht, spiegelt sich am Ernst-Deutsch-Theater schon im Bühnenbild: Eine eher unfertig anmutende Gartenlauben-Landschaft. „Wie willst du lernen?“, „Woran glaubst du?“ und „Bist du ein Vorbild?“ steht auf Spalierwände gekritzelt. Fragen, auf die Wendla, die in dieser Szenerie ihren 14. Geburtstag feiert, und ihre Clique heute ebenso nach Antworten suchen wie die Heranwachsenden in Wedekinds Klassiker „Frühlings Erwachen“.

„Bauherr“ der stimmungsvollen Inszenierung ist Schauspieler Anton Pleva, der erstmals auf der großen Bühne des Theaters Regie führte. Er verpasste dem Stück über die Nöte pubertierender Jugendlicher mit Fremdtexten, Projektionen und Live-Musik eine zweite Ebene. Es sind junge Leute von heute, die sich bei ihm – skeptisch zunächst – dem vermeintlich verstaubten Trauerspiel („Eine Kindertragödie für Jugendliche, die nicht wissen, was Sex ist“) zuwenden. Dann aber mit ihren Vorgängern aus einer unaufgeklärten Gesellschaft mal verschmelzen oder sich von ihnen distanzieren. Das Reclam-Heft immer parat, entdecken sie Parallelen zum eigenen Leben. Ihre Themen sind erwachende (Homo-)Sexualität, sexueller Missbrauch und familiäre Gewalt, Generationenkonflikte, die Sehnsucht nach Liebe und Freiheit.

„Frühlings Erwachen“ am Ernst-Deutsch-Theater

Groß ist am Premierenabend die Begeisterung für das spiel- und wandlungsfreudige Ensemble. Sechs junge Schauspielerinnen und Schauspieler übernehmen zu ihren Rollen als Heranwachsende auch die Parts der Eltern und – in einer grotesk überspitzten Szene – die des verknöcherten Lehrkörpers.

Allen voran hervorragend: Felix Oitzinger, der sich als verzweifelter Moritz Stiefel aus Versagensangst das Leben nimmt, Linda Stockfleth, deren ahnungslose Wendla die Tragödie einer ungewollten Teenager-Schwangerschaft nicht überlebt, sowie Maximilian Kurth. Er bekommt in der männlichen Hauptrolle des Zweiflers Melchior eine Chance, die Welt zu entdecken – an der Seite jenes mysteriösen Herrn, der aus dem Parkett herbeieilt und gespielt wird von Anton Pleva, der als Regisseur eine Erzählstrategie wählte, die streckenweise in die Verwirrung führt.

Entstanden ist ein beachtlicher, aber leider diffus bleibender Wedekind-Kommentar – wohl auch, weil man mit diesem Stück zu viel zeigen wollte.

Ernst-Deutsch-Theater: bis 10.7., diverse Uhrzeiten, 28-42 Euro, Tel. 22 70 14 20

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