Sie steht seitlich hinter ihm und umarmt ihn, im Hintergrund ist groß die Jahreszahl 1938 eingeblendet

Hannah Arendt (Corinna Harfouch) und ihr Lebensgefährte Heinrich Blücher (André Szymanski) Foto: Katrin Ribbe

„Arendt“: Filmstar Corinna Harfouch spielt grandios am Thalia-Theater

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Ein Leben in 90 Minuten nachzuerzählen, ist eine Herausforderung. Das Leben und Wirken von Hannah Arendt auf der Bühne umfänglich darzustellen, scheint unmöglich. Zu groß sind die Brüche in ihrer Biografie, zu komplex ihre philosophischen und politischen Werke und zu überragend ist ihre Stellung im intellektuellen Diskurs der Nachkriegsjahrzehnte bis zu ihrem Tod im Jahr 1975. Corinna Harfouch verkörpert im Thalia-Theater grandios die politische Philosophin – und reflektiert deren Rolle im Eichmann-Prozess.

Wenige Monate vor ihrem Tod reiste Arendt aus New York nach Kopenhagen, wo ihr ein Preis verliehen wurde. „Arendt. Denken in finsteren Zeiten“ spielt in einem Hotelzimmer in der Nacht vor der Zeremonie. Hannah Arendt ist allein und schreibt an ihrer Rede. Da erscheinen die Geister der Vergangenheit: zum einen ihr Lebensgefährte Heinrich Blücher (André Szymanski), zum anderen Adolf Eichmann (Oliver Mallison).

Kino-Star Corinna Harfouch spielt am Thalia-Theater

Der NS-Bürokrat hatte die Deportation von Millionen Jüdinnen und Juden organisiert, die in Vernichtungslagern wie Auschwitz ermordet wurden. Arendt nahm am Prozess in Jerusalem im Jahr 1961 teil, wo sie den berühmten Begriff von der „Banalität des Bösen“ prägte. Die darauffolgenden Debatten, ob sie Eichmanns Rolle damit herunterspiele oder ihn gar von Schuld entlaste, waren teils heftig und schmerzvoll.

Corinna Harfouch verkörpert Hannah Arendt, ihren intellektuellen Rigorismus genauso wie ihre ständigen Zweifel, einfühlsam und wuchtig. Die Bühne passt sich durch Projektionen und Videoeinspielungen den Szenen wirkungsvoll an.

„Arendt“ am Thalia trifft nicht immer den richtigen Ton

Die Inszenierung von Regisseur Tom Kühnel möchte zwar tief in die Psyche Hannah Arendts vordringen, spult andererseits vor allem wichtige Stationen ihres Lebens ab: Verhöre durch Nazis, Flucht über die Tschechoslowakei nach Paris, Internierung, später der Weg in die USA und die Freiheit. Die zentralen Szenen des Eichmann-Prozesses und seines Nachhalls sind düster und effektiv. Dass Arendt hier selbst zu einer Angeklagten mutiert, wirkt allerdings deplatziert. Dieser Effekt verstärkt sich, als „Eichmann“ in den Abschlusssong mit einstimmen darf. Das „Bühnen-Biopic“ ist als Arendt-Essenz bekömmlich und gut gespielt. Es trifft aber nicht immer den richtigen Ton.  

Thalia-Theater: 17./21./24./30.10., 20 Uhr, 9-59 Euro, Tel. 32 81 44 44

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