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  • Niksen, ein Trend, der so einfach klingt. Aber wie Redakteurin Andrea Kahlmeier fällt es heute vielen Menschen erst mal schwer, wirklich gar nichts zu tun. 
  • Foto: Kahlmeier

Verrückter Trend „Niksen”: Wie ist es wirklich NICHTS zu machen – ein Selbsttest

Köln –

Stress lass nach! Psychische Krankheiten sind die häufigste Ursache für Berufsunfähigkeit in Deutschland. Und betroffen sind – logo – vor allem Multi-Tasking-Frauen.

In einer Forsa-Umfrage gaben 62 Prozent der Befragten an, dass sie als Vorsatz für 2020 vor allem Stress abbauen wollen. Die Niederländer schaffen das mit „Niksen“. Unsere Redakteurin hat den Trend getestet.

Niksen: Ein Trend aus den Niederlanden

Sollen die Dänen ruhig weiter total „hygge“ Plätzchen backen und Teezeremonien feiern, der Niederländer macht gleich mal gar keinen Finger krumm und sagt: „Niksen Sie doch mal! Tun Sie einfach – nichts!“

Er schimpft nicht mit Tagedieben, er feiert den Nichtsnutz in Zeiten, wo sinnlose Selbstoptimierung oft nur das Gegenteil bewirkt. Einfach mal rumhängen, in den Himmel starren, die Gedanken kreisen lassen ohne Zweck und Verstand, das soll zu mehr Klarheit im Kopf führen als jede Meditationsstunde. Klingt verlockend.

Niksen: Einfach mal NICHTS tun

Weg mit Buch und Brille, mit Smartphone, Laptop und Fernbedienung. Beim Niksen geht es gar nicht darum, sich per Meditationsanleitung auf die Atmung zu konzentrieren oder ein Gruppen-Mantra herunterzubeten.

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Niksen geht weiter als Meditation. Da muss man sich nicht mal auf die Atmung konzentrieren. 

Foto:

Kahlmeier

Im Gegenteil! „Anstatt dass wir uns auf etwas fokussieren, erlaubt uns das Niksen, die Gedanken wandern zu lassen“, erklärte Rutt Veenhofen, eine Soziologin und Glücksforscherin aus Rotterdam in einem „Vogue“-Interview. Und das geht sogar zum Nulltarif.

Niksen im Selbsttest: Abschalten ist gar nicht so leicht

Also liege ich nun auf meinem Sofa, starre an die Wand, frage mich, ob die Tapete mit den Streifen von der Couch harmoniert, schaue zur Decke, ignoriere das Brummen des Handys und werde – einfach nur nervös.

Nichtstun ist Trend Wie Sie Ihr Kind bespaßen und dabei einfach liegen bleiben können – hier lesen

Vier Stunden habe ich mir fürs „Niksen“ freigeschaufelt. Was hätte ich in der Zeit alles lesen können! Und all der Kram, der zu Weihnachten liegen geblieben ist!

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Spaziergang mit Hund: Doppelter Gewinn. Studien bestätigen, dass 20
Minuten im Grün den Stresslevel senken und Hunde obendrein das Immunsystem stärken.  

Foto:

Kahlmeier

„Was, wenn die Tochter keinen Sitzplatz im Zug bekommt? Wie mag’s dem kranken Vater gehen?“ Hilfe, ist das eigentlich normal, dass man plötzlich so viel Negatives zu Tage fördert, wenn man Zeit zum Denken hat?

Niksen: „Nicht an einem Gedanken festbeißen“

Der amerikanische Psychologe Timothy Wilson hat in einer Studie herausgefunden, dass es für die meisten Menschen angenehmer ist irgendetwas – sogar etwas unangenehmes – zu tun, als gar nichts. Ich scheine eindeutig zu dieser Gruppe zu gehören.

„Nicht an einem Gedanken festbeißen“, lautet die Niksen-Devise. Also schaue ich dösig in die Wolken – will mein müdes Hirn wie auf einem Schäfchenfell betten.

Niksen kann man lernen

Zugegeben, das klappt auf Anhieb nicht ganz wie gewollt, aber ich bin dran geblieben. Niksen kann man lernen.

Statt nach der Arbeit das Handy zu checken, den Fernseher einzuschalten, gönne ich Nichtsnutz mir jetzt regelmäßig ein Viertelstündchen und schaue einfach mal den Wölkchen nach.

Entspannung: Alles schon mal ausprobiert

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Ein Hirnforscher erfand den Floating-Tank. Er wies nach, dass bestimmte Gehirnfunktionen durch Reizentzug angeregt werden.

Foto:

EXPRESS KOELN

Keine Frage: Das Geschäft mit der Entschleunigung blüht. Über 100 Milliarden Euro zahlen die Deutschen im Jahr für Wellness und Wohlbefinden. Achtsamkeit und Resilienz gibt’s aber meist nicht zum Nulltarif. Die Redaktion hat Andrea Kahlmeier deshalb schon auf abenteuerliche Seelen-Tripps geschickt.

Floaten: Schweben in der Salzkapsel, die aussieht wie ein riesiges Dino-Ei, und das alles in vollkommener Dunkelheit. Dieser Trend schwappte um die Jahrtausendwende nach Deutschland und hält sich noch immer. 90 Minuten völlig schwerelos schweben bei sphärischen Klängen – Major Tom, ich bin bei dir!

Eine digitale Detox-Woche: Kein Smartphone, kein Computer – das ist der große Vorsatz bei vielen für 2020. Ich hab’s auf Rügen ausprobiert, anfangs wie ein Junkie verzweifelt eine Telefonzelle gesucht, um mit meinen Liebsten sprechen zu können. Trotzdem, tolle Erfahrung: Briefe schreiben kann zutiefst entspannend sein.

Ein Wochenende im Schweigekloster: Sich eine Auszeit nehmen und die Klappe halten ist beliebt, aber Höchststrafe für Plappermäuler. Der Tagesrhythmus war vorgegeben: 25 Minuten Kontemplation im Knien, zehn Minuten gehend meditieren, dann wieder auf dem Schemel knien, gehen… Und nicht mal ein freundliches „Guten Morgen“ zur Begrüßung. „Schweigen ist viel schwieriger als Stille“, warnte die Seminarleiterin. Wohl wahr! Dennoch ein Lerneffekt: Feste Rituale wirken beruhigend.

Waldspaziergang mit Hund: Den gibt’s sogar umsonst. Macht offensichtlich nicht nur mich persönlich am glücklichsten, denn die Wissenschaft hat herausgefunden: Schon 20 Minuten im Grünen können Stress deutlich reduzieren und den Cortisolspiegel im Körper senken.

Und der letzte Ratschlag: Nehmen Sie keinen dieser Tipps bierernst. Jeder muss sein eigenes Ding finden, um Stress abzubauen.

Entspannungstrends: Irre Beruhigungsvideos im Netz

Eine Alternative, der mittlerweile Millionen digital affine Menschen folgen: ASMR (Autonomous Sensory Meridian Response). Dabei handelt es sich um YouTube-Videos oder Tondokumente im Netz, physische und visuelle Reize, die bei vielen einen Zustand der Entspannung einsetzen lassen, der durch ein Kribbeln auf der Kopfhaut ausgelöst wird.

Das können einfache Dinge sein wie das Reiben von Händen, Klopfen auf einer Dose, Haarekämmen oder beruhigende Handbewegungen. Selbst deutsche ASMR-Vlogger haben mittlerweile Hunderttausende von Abonnenten.

Mein persönlicher Favorit: Rattata, rattata – Eisenbahngeräusche. Da legst du dich im wahrsten Sinne des Wortes nieder! 

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