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  • Prof. Dr. Volker Fendrich zeigt MOPO-Chef vom Dienst Stefan Fuhr „seine“ Schilddrüse per Ultraschall-Untersuchung. Der kleine Knoten war schon bekannt.
  • Foto: Stefan Fuhr

Wehe, wenn es nicht rund läuft: Die Schilddrüse – Das Kraftwerk im Körper

Sie ist eines der kleineren Organe im Körper. Aber wehe die Schilddrüse gerät aus dem Gleichgewicht. Das hat erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Körper und unser Wohlbefinden. Denn in der Schilddrüse werden die Hormone gebildet, die den Stoffwechsel steuern. Was passiert, wenn zu wenig oder zu viele der Hormone gebildet werden, erklärt Prof. Dr. Volker Fendrich. Er ist Chefarzt der Endokrinen Chirurgie an der Schön-Klinik in Hamburg-Eilbek.

MOPO: Sie sind Chefarzt der Endokrinen Chirurgie. Womit beschäftigen Sie sich?

Prof. Dr. Volker Fendrich: Die Endokrinologie beschäftigt sich mit den Hormon-bildenden Organen. Dazu gehören die Schilddrüse, die sogenannte Neben-Schilddrüse und die Neben-Nieren. Dazu die Hypophyse im Kopf und auch die Geschlechtsorgane, die ebenfalls Hormone produzieren. Hier an der Schön-Klinik führen wir insbesondere Eingriffe durch, die die Schilddrüse, die Neben-Schilddrüse und die Neben-Nieren betreffen.  Das deckt aber auch 95 bis 98 Prozent aller chirurgischen Eingriffe bei endokrinen Organen ab.

Wir wollen über die Schilddrüse sprechen. Wo sitzt die im Körper?

Die Schilddrüse sitzt am Hals und ist an der Luftröhre fixiert. Es gibt einen rechten und einen linken Lappen – daher auch oft die Bezeichnung Schmetterlings-Organ. Wenn die Schilddrüse normal groß ist – also pro Seite etwa drei mal vier Zentimeter –, kann man diese nur schwer selbst ertasten. Wenn sie sich allerdings stark vergrößert – was wir als Kropf kennen –, dann sieht man sie auch. Wie alle Hormon-produzierenden Organe ist die Schilddrüse sehr gut durchblutet, weil sie ja im Notfall schnell Hormone an den Körper abgeben muss.

Und welche Aufgabe hat die Schilddrüse?

Wenn Sie googeln, dann gibt es wahrscheinlich kein Symptom, das nicht in Verbindung mit der Schilddrüse gebracht werden kann. Aber die Schilddrüse ist natürlich nicht an allem schuld. Sie ist der Koordinator für die Stoffwechsel-Funktionen.  Eine Hormon-Überproduktion heizt im wahrsten Sinne des Wortes den Körper und den Stoffwechsel an. Also das Herz schlägt schneller als normal, der Blutdruck ist erhöht und man schwitzt sehr leicht. Sind im Körper zu wenig Hormone, hat man die gegenteiligen Symptome. Die Schilddrüse reguliert den Stoffwechsel, also auch den Grundverbrauch. Wie z.B. der Motor im Leerlauf an einer roten Ampel. Durch Fehlfunktion kann der Motor plötzlich in die Höhe schnellen, obwohl es gar nicht nötig ist. Oder der Motor stottert und geht immer wieder aus.

Krebs in der Schilddrüse?

Bedeutet ein Knoten in der Schilddrüse eine Krebserkrankung?

Ja, es gibt Schilddrüsenkrebs. Aber: Etwa 20 bis 30 Millionen Menschen in Deutschland haben  heute einen Knoten in der Schilddrüse. Davon sind aber Gott sei Dank fast alle harmlos. Harmlos im Sinne, dass sie nicht bösartig sind. Es können trotzdem Symptome auftreten wie z. B., dass diese auf die Luftröhre drücken oder Schluckbeschwerden machen. Aber wirklich bösartig sind von diesen sogenannten Knoten relativ wenige. Meiner Meinung nach werden diese eigentlich gutartigen Knoten zu häufig operiert oder entfernt, weil man Angst hat, einen bösartigen Knoten zu übersehen, obwohl man das heute mit der richtigen Diagnostik auch ohne eine Operation gut herausfindet. Wenn wirklich ein bösartiger Tumor festgestellt wird, dann ist dieser aber in jedem Stadium sehr gut behandelbar. Bei 95 Prozent aller Krebsfälle handelt es sich um den papillären Schilddrüsenkrebs. Operativ werden die Schilddrüse und eventuell angrenzende Lymphknoten entfernt. Danach folgt meistens noch eine Radiojodtherapie.  So behandelte Patienten haben fast immer eine normale Lebenserwartung. Sehr selten nimmt ein Krebs in der Schilddrüse einen dramatischen Verlauf.

Woran merkt man selbst, dass es in der Schilddrüse nicht rundläuft?

Beginnen wir mit der Überfunktion. Hier berichten vorwiegend Patientinnen, dass sie Herzrasen haben, innere Unruhe, Gewichtsabnahme, einen Leistungsknick. Beim Sport kommen sie schnell aus der Puste. Das kann auch schon ein Zeichen der Herzinsuffienz sein, weil das Herz  ständig sehr viel arbeitet. Dazu kommt noch vermehrtes Schwitzen. Wer im Winter schwitzt und im Sommer friert, sollte sich Gedanken machen. Und die gegenteiligen Symptome gibt es bei einer Schilddrüsen-Unterfunktion: Gewichtszunahme, Müdigkeit, Abgeschlagenheit … Wenn über Monate oder Jahre keine Behandlung erfolgt, kann sich sogar eine Depression entwickeln.  Diese Vielzahl an unspezifischen Symptomen macht es nicht leicht, die Schilddrüse als Ursache zu erkennen.

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Prof. Dr. Volker Fendrich ist der Chefarzt der Endokrinen Chirurgie an der Schön-Klinik in Hamburg-Eilbek. Foto: Schön Klinik / hfr

Mit den geschilderten Symptomen würde ich zunächst zum Hausarzt gehen …

Das ist auch richtig so. Die meisten Hausärzte werden Ihnen Blut abnehmen und die Schilddrüsen-Werte im Labor bestimmen lassen.  Der Standardwert ist das TSH. Wenn das im Normbereich liegt, sind erst einmal dramatische Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse ausgeschlossen.  Dann muss nach anderen Ursachen für die Beschwerden gesucht werden.

Und wenn der TSH-Wert nicht der Norm entspricht?

Dann werden als Nächstes die sogenannten freien Hormone – die T3 und T4 – im Blut gemessen. Die Schilddrüse kann auch sehr gut im Ultraschall dargestellt werden und vom Arzt beurteilt werden. Im Ultraschall werden auch eventuelle Knoten sichtbar. Will man die Knoten noch genauer untersuchen, wird eine Szintigraphie durchgeführt. Das ist eine Untersuchung aus der Nuklearmedizin, bei der dem Patienten radioaktives Jod gegeben wird, und dann schaut man, ob der Knoten das radioaktive Jod speichert. Das wäre dann ein warmer oder normaler Knoten. Ein heißer Knoten würde viel zu viel Jod aufnehmen. Das könnte wieder ursächlich sein für eine Überfunktion. Oder er nimmt gar kein radioaktives Material auf. Dann ist es ein kalter Knoten. Diese gehören dann wieder weiter abgeklärt, weil ein ganz kleiner Prozentsatz bösartig sein könnte. Das erfolgt durch eine Punktion.

Ist eine OP unausweichlich?

Muss dann immer operiert werden  oder gibt es Alternativen?

Gegen Knoten gibt es keine Tabletten. Wenn vorher eine solide Abklärung gemacht wurde – wie oben angesprochen –, dann muss überhaupt nicht gleich operiert werden. Tabletten helfen zum Einstellen aller Schilddrüsen-Unterfunktionen. Muss doch operiert werden, dann betrachten wir beide Schilddrüsenhälften immer getrennt voneinander, d.h. wir versuchen immer eine Hälfte zu erhalten.  Für die Hormonproduktion muss man dann lebenslang eine Tablette mit Schilddrüsen-Hormonen einnehmen. Die richtige Dosierung sollte ein Spezialist übernehmen. Das kann auch der Hausarzt sein. Noch mal: Schilddrüsen-Erkrankungen, auch die bösartigen, sind in der Regel sehr gut behandelbar.

Macht es Sinn, Jod einzunehmen? Ist Deutschland noch ein Jodmangel-Land?

Ja, einen Jodmangel gibt es noch in vielen Ländern Europas. Wir haben immer noch kein jodiertes Trinkwasser im Gegensatz  zu anderen Ländern. Man sollte auf genügend Jod achten. Allerdings gibt es widersprüchliche Meinungen, ob eine Einnahme von Jod zu einer Reduktion von Knoten führen kann, wenn man schon eine z. B. vergrößerte Schilddrüse mit Knoten hat. In den wenigen wissenschaftlichen Studien gab es keine einheitliche Schlussfolgerung am Ende. Also, es schadet überhaupt nicht, das Frühstücksei mit Jodsalz  zu essen.

Dieses Interview mit Prof. Dr. Volker Fendrich ist ein Auszug aus unserem Gesundheitspodcast „Butter bei die Nierchen“. 

Hier können Sie die Podcast-Folge mit Prof. Dr. Volker Fendrich hören:

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MOPO-Podcast: Butter bei die Nierchen

Im Podcast „Butter bei die Nierchen!“ sprechen wir regelmäßig mit Ärztinnen und Ärzten aus unterschiedlichen Fachbereichen darüber, wie Sie gesund bleiben oder gesund werden.

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