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  • Ein strahlendes Lächeln... Doch das Knirschen oder Pressen mit den Zähnen kann zu Zahnverlust führen. Was hilft?
  • Foto: imago images/Panthermedia

Podcast: Bruxismus: Nachts, wenn alles schläft, knirschen die Zähne

Viele Leser- und Podcast-Hörer-Anfragen haben uns erreicht, weil wir beim letzten Interview zur Zahngesundheit (den Podcast zum Nachhören gibt es hier) auf ein Thema gar nicht explizit eingegangen sind: Es geht um das, was Zahnmediziner Bruxismus nennen – das Zähneknirschen und das Pressen der Zähne aufeinander. Immerhin ist jeder Zweite davon mindestens ein Mal im Leben betroffen, Frauen häufiger als Männer. Wir haben also noch einmal bei Frau Dr. Katy Düsterhöft, Gesellschafterin und leitende Zahnärztin aus dem Dentologicum in Othmarschen, nachgefragt.

MOPO: Was versteht man unter Zähneknirschen?

Dr. Katy Düsterhöft: Bruxismus ist ein umfangreiches Thema. Knirschen ist grundsätzlich eine Form von Stress-Verarbeitung, die meistens nachts, aber auch tagsüber auftreten kann. Den Stress arbeiten wir nachts in unseren Träumen ab oder eben durch das Knirschen und Pressen mit den Zähnen. Manchmal reicht als Trigger auch schon eine neue Zahnkrone aus, wenn diese in der Höhe nicht richtig passt. Im Unterbewusstsein versucht der Körper, den alten Zustand wieder herzustellen. Alkohol und übermäßiger Kaffeegenuss führen auch oft zu Zähneknirschen.

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Dr. Katy Düsterhöft klärt über Mythen rund um die Zahngesundheit auf. Foto: Dentologicum / hfr

Und natürlich auch Zahnfehlstellungen und eine Kieferfehlbildung. Und wer unter einer unerkannten Schlafapnoe – also nächtlichen Atemaussetzern – leidet, knirscht auch oftmals mit den Zähnen. Es ist eine sehr hilfreiche Reaktion des Körpers in diesem Fall, aber alarmierend.  Medizinisch wird das Zähneknirschen auch als Schlafstörung eingeordnet. Man bewegt im Schlaf den Unterkiefer, reibt so unbewusst die Zähne aneinander oder presst die Zähne stark aufeinander. Im Gegensatz zum Pressen kann das  Zähneknirschen selbst sehr laut sein.

Warum eine Schlafstörung?

Knirscher werden nachts aus der Tiefschlafphase herausgeholt, werden wach und finden so keinen erholsamen Schlaf. Aber nicht nur das: Knirschen oder Pressen kann sehr viele Schäden am so genannten craniomandibulären System, dem gesamten Kauapparat, verursachen. Das nennt man im Allgemeinen dann eine CMD – also eine craniomandibuläre Dysfunktion.

Bruxismus hört sich auch schon brutal an …

Das ist es ja auch. Beim Zähneknirschen wirken ca. zehn Mal so starke Kräfte auf die Zähne und die Kieferknochen wie  beim Kauen. Es gibt Patienten, die haben 45-minütige Knirsch-Episoden, also 45 Minuten wirken diese extrem hohen Kräfte auf die Kiefer. Das bleibt nicht ohne Folgen für den ganzen Körper. Knirschen ist also auch immer ein Alarmsignal.

Welche Auswirkungen kann das Knirschen haben?

Man wacht morgens wie gerädert auf, die Kiefermuskulatur schmerzt, manche klagen über Kopf-, Nacken- oder Rückenschmerzen. Auch das Kiefergelenk kann knacken. Es werden natürlich auch die Zähne in Mitleidenschaft gezogen. Viele Patienten bemerken eine Veränderung an ihren Zähnen. Sie sehen komisch aus  oder fühlen sich rau und ausgefranst an, wenn man mit der Zunge rüberfährt. Manchmal springt ein Stück vom Zahn ab. Häufig berichten Patienten von sehr sensiblen Zähnen, bei denen – obwohl die Zähne sehr gepflegt sind – die Zahnhälse frei liegen, wenn sich das Zahnfleisch entzündungsfrei zurückgezogen hat. Das kann natürlich auch vom falschen Putzen kommen – darüber haben wir schon im ersten Podcast geredet. Jedoch oftmals ist es eben auch ein versteckter Bruxismus. Ich habe schon Patienten behandelt, die nach einer langen Knirscher-Vergangenheit ihre Zähne komplett abradiert haben und nur noch Stümpfe im Mund hatten.

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Eigentlich völlig gesunde Zähne werden zerstört?

Ja, denn ein Zahn hat auch Begleitgefäße, Nerven und Rezeptoren. Wenn auf diese über einen längeren Zeitraum dieser enorme Druck ausgeübt wird, wird auch der Zahnhalte-Apparat geschädigt und der Zahn kann absterben. Es gibt übrigens Untersuchungen, die auch einen Tinnitus als eine Folge eines Bruxismus sehen. Da stehen die Studien aber noch am Anfang. Wer mit den Zähnen knirscht, sollte sich unbedingt behandeln lassen. Schlimmstenfalls droht Zahnverlust. Und damit auch zum Höhenverlust zwischen Unter- und Oberkiefer, weil die Zähne einen natürlichen Stopp bilden.  Das kann erhebliche Auswirkungen auf das Kiefergelenk haben. Ein Kiefergelenk kann man leider nicht so gut durch ein künstliches ersetzen. Und nicht zu vergessen ist, dass die Verdauung bereits im Mund beginnt. Wer nicht mehr richtig kauen kann, hat unter Umständen auch große Probleme mit der Nahrungsaufnahme.

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Schienen gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen – gegen das Knirschen oder auch für Schnarcher. Sie werden maßgenau an den Patienten angepasst. Foto: Dentologicum/hfr

Aber jeder hat doch mal schlecht geschlafen oder es schmerzt der Nacken morgens beim Aufwachen …

Das ist richtig und natürlich auch unbedenklich. Jedoch wenn der Zustand länger andauert, dann sollte man auf jeden Fall bei seinem Zahnarzt vorstellig werden und eine CMD bzw. einen Bruxismus abklären lassen. Übrigens sind auch Kopfschmerzpatienten unter Umständen gut beraten, wenn sie einmal ihren Zahnarzt darauf hinweisen.

Und man kann anders aussehen?

Wenn einem erst an der sich verändernden Symmetrie des Gesichts auffällt, dass etwas nicht stimmt, dann hat man aber schon lange gearbeitet. Es ist ein bisschen wie Kraftsport – aber ungewollter.  Wir haben schon über die enormen Kräfte gesprochen, die beim Knirschen wirken. Dadurch baut sich auch die Muskulatur auf.

Wie wird das Zähneknirschen behandelt?

Es gibt jetzt nicht die eine Behandlung – dafür sind die Menschen und auch die Ursachen alle zu unterschiedlich. Aber die erste Hilfe, die ich empfehle – so wie wahrscheinlich der Rest meiner Kolleginnen und Kollegen auch – ist die Schiene. Die erste Schiene muss noch nicht einmal im Biss genau zueinander angepasst werden. Es geht zunächst darum, dass der Patient nicht mehr knirschen und pressen kann, man holt ihn sofort aus der gewohnten Position. Dann beginnt eine genauere Untersuchung. Wie ist der Biss, gibt es Fehlstellungen, wie ist die Bewegung der Kiefer usw.?  Für eine sehr genau auf den Patienten abgestimmte Schiene werden dann der Schädel und die Unterkiefer-Bewegungen genau vermessen. Das ist sehr aufwendig. Ich verschreibe auch eine Physiotherapie, um die angespannte Muskulatur wieder zu entspannen. Bei regelmäßigen Kontrollen überprüfen wir dann den Erfolg. Zähne, die abradiert wurden – selbst ganz kleine Defekte –, können die Zahnärzte dann wieder rekonstruieren.  Die Patienten sind wieder glücklich, wenn das Gebiss wieder schön aussieht.

Ist eine Schiene nicht auch ein Fremdkörper im Mund?

Es kann sein, dass sich ganz am Anfang der Zustand etwas verschlechtert. Aber die Schiene nimmt der Körper sehr schnell nicht mehr als Fremdkörper wahr. Das verlernen wir  sozusagen. Sie können aber nicht gezielt damit fest zubeißen, sondern Sie rutschen gewollt immer hin und her.

Sie sagten, dass Stress ein Auslöser sein kann. Muss denn nicht auch dieser behandelt werden?

Gerade jetzt während der Corona-Pandemie stellen wir eine Zunahme von Patienten fest, die mit den Zähnen knirschen. Über den Stress, auch körperlich, im Home-Office, wenn die Kinder gleichzeitig Home-Schooling haben, ist oft berichtet worden. Ja, da können natürlich entspannende Therapien helfen.  Oder vielleicht auch eine Psychotherapie.

Dieses Interview mit Dr. Katy Düsterhöft ist ein Auszug aus unserem Gesundheitspodcast „Butter bei die Nierchen“. Den Podcast finden Sie unter www.mopo.de/podcast und natürlich auch überall dort, wo es Podcasts gibt wie z.B. Spotify oder Apple Podcast.

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