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  • Die Schulter ist eines der komplexesten Gelenke unseres Körpers. Da zwackt es schon mal hin und wieder.
  • Foto: imago images/Shotshop

Experte im Interview: Was tun, wenn es in der Schulter zwickt?

Es heißt, 25 Prozent der Deutschen haben in ihrem Leben irgendwann einmal Schmerzen in den Schultern. Verschleiß, ein Unfall oder auch andere Verletzungen machen eine Behandlung durch den Orthopäden nötig. Heute lernen wir unter anderem eine „Frozen Schulter“ oder die Kalk-Schulter etwas näher kennen. Unser Gesprächspartner ist Privat-Dozent Dr. Andreas Werner aus der Hamburger Argon-Orthopädie. Er ist ein ausgemachter Spezialist, wenn es um Probleme mit den Schultergelenken geht. Als Chefarzt der Sportorthopädie der Endo-Klinik sind seine Spezialgebiete die Schulter- und Ellenbogenchirurgie mit einem Schwerpunkt auf Endoskopie, Sehnen- und Gelenk-Rekonstruktion sowie die Schulter-Endo-Prothetik.

MOPO: Was fasziniert Sie an den Schultern und Ellbogen-Gelenken?

Dr. Andreas Werner: Dazu muss man sich nur die Komplexität dieser Gelenke anschauen. Der Aufbau einerseits aus einer knöchernen Komponente. Andererseits das Zusammenspiel zwischen Muskeln, Sehnen und Bändern ist an keinem unserer anderen Gelenke so interessant und so aufwendig wie in den Schultergelenken. Das ist sehr interessant, macht aber auch eine Behandlung zur Herausforderung.

Dr. Anrdreas wernerPD Dr. Andreas Werner liebt das Schultergelenk, weil es so komplex ist. Foto: hfr

Ab wann sprechen Sie von Schulterschmerzen? Wer morgens mit Schmerzen aufwacht, weil er sich nachts verlegen hat, muss ja nicht zu Ihnen in die Praxis kommen, oder?

Nein, selbstverständlich nicht. Ein gelegentliches Zwicken ist definitiv kein Grund, Angst zu haben oder direkt ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Der typische Schulterschmerz ist eigentlich der Schmerz, der vor allen Dingen bei Seithebe- oder Drehbewegungen auftritt. Den können Sie auch reproduzieren durch bestimmte Bewegungen. Es schmerzt auch typischerweise nachts beim Draufliegen und wird von den Patienten seitlich im Schulter-Areal lokalisiert. Aber auch andere Strukturen können zu Schmerzen im Bereich der Schulter führen. Man muss wissen, dass viele andere Strukturen wie zum Beispiel die Hals- oder Brustwirbelsäule zu Beschwerden im Bereich der Schulter führen können. Sogar Nerven-Einengungen im Bereich des Handgelenks – das sogenannte Karpaltunnelsyndrom – kann Schulterschmerzen auslösen. Also die Ursachen sind vielfältig. Der typische Schulterschmerz im engeren Sinne ist der, der seitlich, bei Belastung, bestimmten Bewegungen und nachts auftritt.

Warum haben so viele Menschen – etwa 25 Prozent der Deutschen – Probleme in ihren Schultern?

Das hängt vor allem mit dem breiten Ursachenspektrum zusammen. Bei jungen Menschen kommen Schmerzen in den Schultergelenken häufig durch bestimmte Sportarten. Der ein oder andere übertreibt es mit der Trainingsintensität. Aber auch das immer Wiederkehrende einer bestimmten Bewegung wie beim Tennis oder Wurf-Sportarten wie Handball führen, wenn man sie oft genug ausübt und wiederholt, zu Mikroschäden im Gewebe, das unter Umständen dann dauerhaft geschädigt werden kann und sich nicht mehr erholt. Dann gibt es noch die typischen Sportverletzungen. Sei es der Sturz beispielsweise beim Mountainbike-Fahren, bei dem sich jemand die Schulter ausrenkt. Im mittleren Lebensalter können die Ursachen zum Beispiel eine Kalk-Schulter sein. Das beginnt schon mit Anfang 30 bis in die frühen 60er hinein. Auch die sogenannte „Frozen Shoulder“: Die Schulter-Steife passt ganz gut in dieses mittlere Lebensalter. Bei älteren Menschen sind es dann typischerweise Verschleiß-Schäden – insbesondere an den Sehnen der sogenannten Rotatorenmanschette. Noch später kommt dann auch die Arthrose an der Schulter hinzu. Im Grunde genommen kann also jeder, vom Jugendlichen bis zu Menschen im Greisenalter, Probleme mit den Schultergelenken bekommen.

In jüngeren Jahren mehr Unfälle und später dann der Verschleiß?

Grundsätzlich kann man das so sagen. Natürlich haben wir auch den ein oder anderen etwas Unvernünftigen, der zum Beispiel auf Teufel komm raus trainiert. Ich spreche jetzt hier mal die Kraftsportler an, die es tatsächlich übertreiben und sich ohne einen Unfall schon relativ früh Überlastungs-Schäden zuziehen können.

Wie ist eine Schulter überhaupt aufgebaut? 

Das Interessante an der Schulter ist, dass es eigentlich sogar drei Gelenke sind: Zum einen das Schulterhaupt-Gelenk. Das liegt zwischen Oberarmkopf und dem Schulterblatt. Dann gibt es noch ein kleines Gelenk zwischen Schlüsselbein und Schulterblatt, das sogenannte Schultereck-Gelenk. Auch das kann einen durchaus ganz schön piesacken. Und schlussendlich bewegt sich das Schulterblatt ja auch auf dem Brustkorb bei Seithebung. Zum Verständnis: Zwei Drittel der Seithebungen kommen aus dem eigentlichen Schultergelenk, aber ein Drittel bewegt sich das Schulterblatt auf dem Brustkorb, sodass man auch mit einem eigentlich steifen Schultergelenk immer noch eine gewisse Restbeweglichkeit hat. Die vielen bekannte Rotatorenmanschette ist eine Art Sehnenhülle, die den Oberarmkopf umgreift. Sie besteht aus vier Muskeln, die vom Schulterblatt kommend einerseits für Bewegung, Drehung und Seithebungen sorgen. Andererseits sorgt sie auch dafür, dass der Oberarmkopf praktisch in die Gelenkpfanne hineingezogen wird. Ein Schaden an einer solchen Sehne führt also nicht nur zu Problemen bei Bewegung und Kraft, sondern auch dafür, dass Oberarmkopf nicht mehr richtig im Gelenk liegt. Und natürlich ist auch die Muskulatur, die das Schulterblatt an den Brustkorb fixiert – bis hin zur Hals- und Brustwirbelsäule ein Teil des Ganzen.

Gibt es ein Ranking der häufigsten Diagnosen?

Der weitaus größte Teil betrifft Erkrankungen, die in dem Raum unter dem Schulterdach stattfinden. Zunächst einmal das sogenannte Impingement-Syndrom. Im engeren Sinne handelt es sich dabei um eine durch eine knöcherne Verengung unter dem Schulterdach, durch die Schleimbeutel und Sehnen bei Bewegung dort immer wieder eingeklemmt werden. Aber auch die Kalk-Schulter – also eine Sehnen-Verkalkung – führt zu einer Schwellung an der Sehne und auch dadurch wird es eng. Selbst eine „Frozen Shoulder“, also eine eigentlich durch eine zu enge Kapsel verursachte Problematik, führt durch die nicht mehr korrekt ablaufende Bewegung zu ähnlichen Symptomen. Die Schäden der Rotatorenmanschette nimmt eher im Alter zu. Den größten Teil machen doch Erkrankungen von Sehnen oder Schleimbeuteln aus.

Eine Operation der Schulter ist immer die letzte Möglichkeit der Behandlung, oder?

In der Orthopädie ist alles relativ. Wir haben Patienten, die mit einem Sehnen-Defekt zu uns kommen, etwa einem Riss in der Rotatorenmanschette. Wir können die Patienten rein konservativ, also ohne OP, behandeln, sodass eine gefühlte Verbesserung eintritt. Aber den Defekt heilen können wir so nicht – die Sehne wächst nicht wieder von alleine fest. Mit der Zeit werden immer mehr Sehnen in Mitleidenschaft gezogen und es kommt auch zur Veränderung und Schädigung der Muskulatur. Hier ist eine Operation angeraten. Ebenso bei Arthrose-Patienten, bei denen die Knochen-Oberflächen schon verschlissen sind. Man muss auch verstehen, dass anders als etwa an den Hüftknochen das Schultergelenk im Bereich der Schulterblätter nur sehr wenig Knochensubstanz hat. Es gibt hier also durchaus einen kritischen Punkt, den man nicht überschreiten sollte. Ebenso sollten jüngere Patienten mit wiederholten Ausrenkungen operativ versorgt werden. Denn mit jeder weiteren Ausrenkung verstärken sich die zum Beispiel die Knorpelschäden oder Überdehnung der Kapsel. Schon mit der ersten Schulterausrenkung erhöhen sie das Risiko auf eine spätere Arthrose um den Faktor 40. Alles andere ist zunächst mal diskussionsfähig bzw. in den meisten Fällen auch zunächst sicher konservativ zu behandeln.

Dieses Interview ist ein kleiner Auszug aus der neuesten Folge unseres Gesundheits-Podcasts „Butter bei die Nierchen“. Wenn Sie wissen möchten, wie die Diagnostik und Operation von Schulterbeschwerden aussieht oder was Sie vorbeugend tun können und welche Rolle die Physiotherapie spielt, dann hören Sie unbedingt in den Podcast rein.

Hier können Sie die Podcast-Folge mit Dr. Andreas Werner hören:

Jeden Sonnabend lesen Sie in der dicken MOPO am Wochenende Themen rund um Ihre Gesundheit. Dazu gibt es auch den Podcast „Butter bei die Nierchen“, den Sie bei Ihrem Podcast-Anbieter wie Apple Podcast oder Spotify abonnieren können. Oder Sie klicken einfach unten auf die Player. Hier haben wir Ihnen eine kleine Auswahl zusammengestellt. 

MOPO-Gesundheits-Podcast: Butter bei die Nierchen

Im Podcast „Butter bei die Nierchen!“ sprechen wir regelmäßig mit Ärztinnen und Ärzten aus unterschiedlichen Fachbereichen darüber, wie Sie gesund bleiben oder gesund werden.

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