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Eine Frau mit Rückenschmerzen
  • Symbolfoto Rückenschmerzen. Eine Frau fasst sich mit den Händen an den schmerzenden Rücken
  • Foto: imago (Symbolbild)

Der Schrittmacher gegen Schmerzen

Heute geht es um ein kleines Gerät, das in den Körper eingesetzt wird und elektronische Reize aussendet. Gemeint ist ein Schmerzschrittmacher. Viele von Ihnen denken jetzt, der Autor hätte sich verschrieben und meint natürlich einen Herzschrittmacher. Nein, hat er nicht. Wo genau dieses Gerät zum Einsatz kommt und was es bewirkt, erklärt Matthias Wolff. Er ist Orthopäde und Unfallchirurg, Oberarzt der Abteilung für Wirbelsäulen- und Neurochirurgie am Tabea-Krankenhaus in Blankenese. Und er behandelt Schmerzpatienten mit diesem Schmerzschrittmacher.

MOPO: Viele haben noch nie etwas von einem Schmerzschrittmacher gehört. Ist das eine ganz neue medizinische Errungenschaft?

Matthias Wolff: Nein, ganz im Gegenteil. Die Technik gibt es schon seit 50 Jahren und wird  seitdem immer weiterentwickelt. Es stimmt aber: Viele kennen diese Technik nicht. Übrigens: Der Name Schmerzschrittmacher ist nicht korrekt – den habe ich mir ausgedacht, weil er gut fassbar ist. Die Technik kommt aus dem Amerikanischen und nennt sich korrekt Spinal Cord Stimulation oder abgekürzt SCS.

Bei welchen Patienten kommt diese Therapie zum Einsatz?

SCS wird vor allem bei chronischen Schmerzpatienten angewendet. Die Therapie arbeitet mit einem therapeutischen, pulsierenden Strom im Bereich der Nerven, in der Peripherie, aber vor allen Dingen auch im Bereich des Rückenmarks. Aber nicht nur dort, sie  kann vielseitig fast überall am Körper z.B. auch an den Beinen angewendet werden. Also überall dort, wo Schmerzen entstehen, wo möglicherweise Nerven verletzt sind. Zu uns kommen Patienten, die schon lange krank sind und chronische Schmerzen haben. Das sind Schmerzen, die schon mindestens drei bis sechs Monate anhalten. Die Patienten wurden schon behandelt und sind auch schon teilweise mehrfach operiert worden, waren bei einem Schmerztherapeuten in Behandlung – es wurde also schon sehr viel versucht, um die Schmerzen zu lindern. Aber irgendwann kommt man nicht weiter. Und hier kann der Schmerzschrittmacher ein guter weiterer Ansatz sein.

Wie funktioniert denn der Schmerzschrittmacher?

Die Technologie hat sich aus der Herzschrittmacher-Technik entwickelt. Einige Implantate haben ihren Ursprung in der Cochlea-Medizin. Im Grunde ist es ein kleiner hochtechnisierter Computer, der mit einer Elektrode verbunden ist. Diese Elektrode liegt dann beispielsweise auf dem Rückenmark. Das Rückenmark ist umgeben von der Rückenmarkshaut – der Dura – und schwimmt im Liquor, dem Nervenwasser. Das Kabel liegt auf dieser Haut und nicht direkt auf dem Rückenmark. Es ist übrigens auch sehr weich, sodass Verletzungen der Nerven extrem unwahrscheinlich sind. Der Generator  wird komplett implantiert, sodass man von außen letztendlich nichts sieht.

Matthias Wolff ist Orthopäde und Unfallchirurg, Oberarzt der Abteilung für Wirbelsäulen- und Neurochirurgie am Tabea-Krankenhaus in Blankenese. hfr
Oberarzt Matthias Wolff im Arztkittel
Matthias Wolff ist Orthopäde und Unfallchirurg, Oberarzt der Abteilung für Wirbelsäulen- und Neurochirurgie am Tabea-Krankenhaus in Blankenese.

Wie lange dauert die Operation?

Die Operation ist ja eingeteilt in unterschiedliche Phasen. Zuerst wird die Elektrode gelegt. Dabei ist der Patient wach und nur örtlich betäubt. Ich muss mit dem Patienten sprechen können und so genau abtasten, ob die Elektrode perfekt liegt – den Schmerz also am besten abdeckt. Jetzt kann der Patient in Alltagssituationen testen, ob die Stimulation den  Schmerz wirklich überdeckt. Wenn der Patient deutlich profitiert, wird in einer zweiten Operation der Generator eingesetzt. Jede OP dauert so ca. eine Stunde.

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Wie steuert man das Gerät?

Mithilfe eines Steuergeräts kann der Schmerzschrittmacher vom Patienten selber bedient werden. Die Intensität kann erhöht oder verringert werden und das Gerät lässt sich auch ganz abschalten. Das ist ein großer Vorteil.  Denn es gibt ganz unterschiedliche Situationen.  Einige Patienten haben einen permanenten Schmerz, bei anderen Patienten ist eher die Nacht eine kritische Zeit. Oder der Schmerz kommt nur bei bestimmten Aktivitäten. Je nach Bedarf kann ein entsprechendes Programm ausgewählt werden.

Der Schrittmacher sendet doch einen elektrischen Impuls. Tut der nicht auch weh?

Nein. Die Impulse fühlen sich eher so an wie ein leichtes Kribbeln, so als ob man über die Haut streichelt. Gerade Patienten, die permanent Schmerzen ertragen mussten, empfinden das Gefühl als sehr angenehm. Heute gibt es Geräte, bei denen Sie den Impuls gar nicht mehr merken.

Der Schmerz wird aber nicht ausgeschaltet, sondern nur übertüncht?

Schmerz ist eigentlich eine elektrische Information, die über den Nerv ins Gehirn weitergeleitet wird. Im Gehirn wird diese Information dann als Schmerz wahrgenommen. Wenn wir also die Schmerzursache nicht verhindern können, dann müssen wir es eben schaffen, dass die Information Schmerz nicht im Gehirn ankommt. Das schaffen wir mit diesem Schmerzschrittmacher. Das heißt, wir haben einen milden Stromfluss, der sich so auf die  Nerven legt, dass die Schmerz-Information herausgefiltert wird. Das ist die Idee dahinter.


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Aber ist denn der Schmerz nicht eigentlich ein Alarmsignal des Körpers?

Ganz genau. Der Schmerz ist an sich natürlich eine ganz sinnvolle physiologische Eigenschaft. Er warnt uns vor Verletzungen, vor Bedrohung. Er ist also ganz, ganz wichtig. Wenn wir uns in den Finger schneiden, zeigt uns der Schmerz sofort an, dass wir reagieren müssen, um den Schaden am Körper gering zu halten. Da ist der Schmerz äußerst sinnvoll. Aber  wenn die Erkrankung über eine längere Zeit anhält, der Schmerzzustand also lange andauert, dann kann sich der Schmerz von der eigentlichen Ursache lösen. Er verliert dann seine Sinnhaftigkeit und wird pathologisch, d.h. er wird zu einem dauerhaften Zustand. Das ist bei chronischen Schmerzpatienten der Fall. Und hier können wir mit dem Schmerzschrittmacher oftmals helfen.

Dieses Interview ist ein Auszug aus der aktuellen Folge des Gesundheitspodcasts „Butter bei die Nierchen“. Dort erzählt Matthias Wolff, welche Patienten für diese Therapie infrage kommen und ob man zum Akku-Wechsel wieder in den OP muss. Den Podcast bekommen Sie überall, wo es gute Podcasts gibt, wie z.B. Spotify oder Apple Music. Oder Sie klicken gleich hier auf den Player.

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