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  • Wird ein Tumor in der Brust rechtzeitig erkannt, ist die Heilungschance sehr gut. Auch humangenetische Untersuchungen können helfen.
  • Foto: imago images/Shotshop

Brustkrebs-Experte im Interview: Dem Tumor geht es an die Gene

Brustkrebs gehört mit etwa 75 000 neuen Fällen pro Jahr in Deutschland zu einer der häufigsten Krebsarten bei Frauen. Über neue schonende Therapie-Ansätze spricht MOPO-Redakteur Stefan Fuhr mit Prof. Dr. Christian Schem vom Mammazentrum Hamburg am Krankenhaus Jerusalem. Übrigens: Auch Männer können an Brustkrebs erkranken.

MOPO: Nimmt die Zahl der Brustkrebsfälle zu oder ab?

Prof. Dr. Christian Schem: In den letzten Jahren beobachten wir, dass die Fälle stetig zugenommen haben. Wir sind von 70 000 Erkrankungen schon auf 75 000 pro Jahr angestiegen und die Tendenz ist leider weiter steigend.

Woran liegt das?

Der größte Faktor scheint wohl unser westlicher Lifestyle zu sein. Und vielleicht auch das späte Gebären. Heute bekommen Frauen viel später Kinder als noch vor einigen Jahren z. B. in unserer Elterngeneration.

Ist die Diagnose Brustkrebs ein Todesurteil?

Nein, auf gar keinen Fall. Wir können heute über 80 Prozent der Patientinnen dauerhaft heilen. Und das auch mit weniger Operationen als noch vor zehn Jahren, mit weniger Chemotherapie,  also insgesamt mit mehr gezielten Therapien. Da hat sich in der Medizin in den letzten Jahren doch sehr viel getan.

In welchem Alter tritt der Brustkrebs besonders häufig auf?

Bei den ganz jungen Mädchen tritt der Krebs Gott sei Dank nicht auf. Der Gipfel liegt so um das 60. Lebensjahr. Aber die Zahl der jüngeren Patientinnen nimmt in den letzten Jahren zu.  Es  ist leider keine Seltenheit mehr, dass wir unter 30-Jährige bei uns in der Klinik haben, die eine Chemotherapie durchmachen.

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Man liest von einigen Prominenten wie z.B. Angelina Jolie, dass diese sich vorsorglich die Brüste haben abnehmen lassen, weil in der Familie häufig Fälle von Brustkrebs aufgetreten sind. Ist dieser Krebs genetisch bedingt?

Es ist nicht so, dass jeder Brustkrebs eine familienerbliche Komponente hat. Etwa zwei bis vier Prozent sind in der engsten Definition erblich. Wir sind bei uns in der Klinik auch darauf spezialisiert,  solche humangenetischen Untersuchungen vorzunehmen. Wenn eine Patientin von vermehrt auftretenden Fällen – übrigens auch von Darmkrebs oder Eierstockkrebs – erzählt, dann gehen alle Warnlampen bei uns an. Es geht dabei im Wesentlichen um zwei Gene, die uns in einem so genannten Risikopanel zeigen, dass Krebserkrankungen wie der Brustkrebs gehäuft in der Familie auftreten.

Wie wichtig ist die Brustkrebsvorsorge?

Beim Brustkrebs gilt wie bei vielen anderen Erkrankungen auch: Je früher er erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Deshalb ist eine Vorsorgeuntersuchung sehr wichtig. Und auch das regelmäßige Abtasten der Brust z.B. unter der Dusche ist sinnvoll. Wenn kleinste Veränderungen oder ein Knoten ertastet werden, dann sollten Frauen sofort und völlig angstfrei zum Arzt gehen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Was früh entdeckt wird, hat auch die besten Chancen, nach der Behandlung dauerhaft beseitigt zu sein. Nur  wenn die Untersuchung vor sich hergeschoben wird  und der Tumor vor sich hinwächst,  kann es zu einem lebensbedrohlichen Problem werden. Aber: Zum Screening werden Frauen zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr eingeladen. Das suggeriert auch, dass man nur in diesem Alter einen Brustkrebs bekommen kann. Wir Fachärzte empfehlen spätestens ab dem 40. Lebensjahr eine Kombination aus einer Basis-Mammografie und Ultraschall durchführen zu lassen. Bei familiärer oder genetischer Vorbelastung kann die Vorsorge schon ab dem 25. Lebensjahr beginnen und ergänzt werden mit regelmäßigen MRT-Untersuchungen. Auch wenn eine frühe Vorsorgeuntersuchung in Deutschland nicht von den Krankenkassen bezahlt wird, ist es gut investiertes Geld. Übrigens: Leider geht  nur maximal die Hälfte aller Frauen zur Mammografie.

Aber es ist bestimmt nicht immer ein bösartiger Tumor, wenn etwas gefunden wird …

Genau. Es gibt sehr viele Veränderungen, die zwar bei der Mammografie auffallen, aber eher harmlos sind wie z.B. Kalkablagerungen. In der Regel wird dann zunächst einmal eine Biopsie entnommen, anhand deren wir erkennen können, ob sich bösartige Zellen in dem Gewebe befinden. Und Gott sei Dank sind die guten Verläufe durchaus häufig.

Muss ein Tumor immer operiert werden? Wie sieht die Behandlung aus?

Das ist immer individuell. Es gibt unterschiedliche Brustkrebsarten, die unterschiedlich behandelt werden. Einige müssen eine Chemotherapie bekommen, andere brauchen das gar nicht. Es gibt Fälle, die sofort operiert werden müssen, bei anderen versuchen wir durch eine Chemotherapie den Tumor zum Einschmelzen oder Verschwinden zu bringen. Dann schaut man anschließend in einer Operation nach, ob der Tumor auch wirklich komplett weg ist. Welche Therapie die richtige ist, hängt von vielen Faktoren ab. Die Beschaffenheit des Tumors ist wichtig und natürlich auch ob die Patientin früh erkrankt ist  und der Krebs nur auf die Brust begrenzt ist oder schon in andere Organe gestreut hat.

Heute wird also nicht immer sofort operiert?

Früher hat man operiert und danach eine Chemotherapie gemacht. Aber: Man wusste gar nicht, ob die Medikamente überhaupt helfen. Man wusste zwar, dass eine Chemotherapie das so genannte krankheitsfreie Überleben verlängert, aber man wusste nicht, welche Patientin wirklich davon profitiert. Deshalb hat man das Konzept umgestellt: Man belässt den Tumor zunächst, überwacht die Patientin sehr engmaschig mittels Ultraschall-Untersuchungen und beginnt mit einer Chemotherapie. Bei den allermeisten Frauen wird der Tumor kleiner.

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Mit all den Nebenwirkungen einer Chemotherapie?

Auch da ist die Medizin sehr viel besser geworden. Übelkeit war immer ein großes Thema, das wir heute aber sehr gut begleitend behandeln können. Ein anderes großes Stigma war der Haarausfall, der auftreten kann. Hier gibt es moderne Lösungen wie die Kühlkappentherapie …

Die was?

Wenn man während der Chemotherapie die Kopfhaut auf vier Grad kühlt, werden die Haarfolikel in eine Art Winterschlaf versetzt, also der gesamte Stoffwechsel heruntergefahren und so können die Chemotherapeutika an den Haarwurzeln nicht wirken. Über 70 Prozent unserer Patientinnen erhalten so ihre Haare. Diese Geräte werden uns von der Stiftung Mammazentrum zur Verfügung gestellt, denn die Krankenkassen bezahlen das nicht.

Ist die Angst berechtigt, nach einer Operation oder einer Chemotherapie unfruchtbar zu werden  oder kein Baby mehr stillen zu können?

Es gibt viele Aspekte, die wir beachten müssen. Wenn wir an der Brustdrüse operieren, dann schneiden wir immer auch die Brustdrüsen-Ausführungsgänge durch. Da kann es vorkommen, dass die Brust dann die Milch nach einer Schwangerschaft nicht mehr richtig abführen kann. Und auch die Unfruchtbarkeit ist in der Tat ein Thema. Denn oftmals schließt sich nach einer Chemo- noch eine langjährige Hormontherapie an. Während dieser Hormontherapie sollte die Patientin nicht schwanger werden. Diese Zeit muss man einplanen. Aber Patientinnen mit einem Kinderwunsch im Alter von 20 bis 30 Jahren, die noch etwa zehn Jahre im gebärfähigen Alter sind, können vor der Therapie z.B.  befruchtete Eizellen einfrieren lassen. Das machen wir mit einem Kooperationspartner zusammen. Und wenn man nach fünf Jahren die Therapie beendet, dann kann man sich die Eizellen einsetzen lassen und das Baby bekommen.

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Professor Dr. Christian Schem vom Mammazentrum am Krankenhaus Jerusalem in Hamburg.
Foto: Zitzlaff/hfr

Für eine noch genauere Therapie untersuchen Sie den Tumor auch genetisch?

Wie schon gesagt  hat man früher bei jedem Krebs eine Chemotherapie angeschlossen. Auch aus Angst davor, eine Untertherapie zu machen. Heute können wir den Tumor mit einem so genannten Oncotype-Test genau untersuchen und feststellen, ob überhaupt eine Chemotherapie nötig ist. Wir können nämlich anhand dieses Tests feststellen, ob ein Tumor ein Hochrisiko-Tumor ist. Wir wissen heute, dass solche Tumore schon sehr früh Zellen aussenden, die sich irgendwo im Körper ablegen. Irgendwann können sich diese Zellen in Organe absetzen, wachsen und eine Metastase entwickeln.  Dort wo man früher gesagt hätte, der Krebs wurde so früh erkannt und operativ beseitigt, kann man heute noch einmal genauer hinschauen. Aber dieser Test kommt nicht für alle Patientinnen infrage.

Viele Frauen haben Angst, dass bei einer Operation eine Brust ganz abgenommen werden muss …

Die Angst ist sicherlich da, aber heutzutage operieren wir brusterhaltend. Bei uns in der Klinik müssen wir in über 80 Prozent der Fälle nicht die gesamte Brustdrüse entfernen. Selbst wenn dieses notwendig wäre, gibt es Möglichkeiten,  die Brust kosmetisch wieder so herzustellen, dass kein Mensch am Strand oder im Schwimmbad erkennen würde, dass die Brust eine künstliche ist. Da können wir vielen Patientinnen die Ängste nehmen.

Können eigentlich auch Männer an Brustkrebs erkranken?

Ja, wir haben auch Männer, die regelmäßig zu uns kommen. Beim Mann fallen Knoten in der Brust beim Abtasten besser auf, weil wir weniger Brustdrüse haben. Die Abklärungs-Diagnostik wie Ultraschall, Mammografie oder Biopsie unterscheiden sich dann nicht von der einer Frau. Auch die Behandlung ist dann völlig gleich.

Im Fitnessstudio denken immer alle Männer, sie haben nur tolle Brustmuskeln …

Na ja, wie viel Brustdrüsenanteil ein Mann hat, ist genetisch angelegt. Fitnessstudio ist aber ein gutes Stichwort. Es gibt ja dort einige, die Zusatzstoffe einnehmen, um den Muskelaufbau zu beschleunigen. Nebenbei wächst aber auch die Brustdrüse durch diese Hormone. Das sind dann nicht selten Patienten, die auch etwas in ihrer Brust ertasten.

Dieses Interview mit Prof. Dr. Christian Schem ist ein Auszug aus der neuen Folge unseres Gesundheitspodcasts  „Butter bei die Nierchen“. Den gesamten Podcast hören Sie mit einem Klick auf den Player unten.

Wer der Stiftung Mammazentrum etwas Gutes tun will, kann sich hier informieren: www.stiftung-mammazentrum.de

Das ganze Gespräch mit dem Hamburger Brustkrebs-Experten Prof. Dr. Christian Schem hören Sie im MOPO-Podcast „Butter bei die Nierchen!“:

Im Podcast „Butter bei die Nierchen!“ sprechen wir regelmäßig mit Ärztinnen und Ärzten aus unterschiedlichen Fachbereichen darüber, wie Sie gesund bleiben oder gesund werden.

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