• Die Virologen der Uni Marburg sind an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen den Lungen-Erreger beteiligt.
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Die Welt sucht den Corona-Impfstoff: Oxford-Forscher nennen jetzt überraschendes Datum

Köln –

Die Entwicklung eines Impfstoffs dauert normalerweise viele Jahre. Beim neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 soll es deutlich schneller gehen.

Kurz nachdem die ersten offiziellen Krankheitsfälle vermeldet wurden, gab es auch schon Berichte über erste Kandidaten für einen Impfstoff. Universitäten, Forschungsinstitute, Pharmakonzerne, Biotech-Start-ups preschten nach vorn. Weltweit ist ein Wettbewerb um einen wirksamen Impfstoff entbrannt.

Zuletzt zeigte sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen optimistisch: Schon Ende 2020 könnte ein Impfstoff entwickelt sein. Der britische Experte und Regierungsberater Jeremy Farrar erwartet sogar schon bis Herbst einen Impfstoff, der dann allerdings frühestens binnen eines Jahres auch wirklich massenhaft zur Verfügung stehen könnte.

Forscher aus Oxford halten es gar für möglich, schon im September einen Impfstoff zu haben.

Andere Experten sind da ganz anderer Meinung: Dass es noch in diesem Jahr einen gut wirksamen, sorgsam abgesicherten und in immensen Mengen verfügbaren Impfstoff geben kann, glauben die wenigsten. Die WHO spricht von einem frühestmöglichen Einsatz in 18 Monaten. Bill Gates sagte der ARD, dass allein die Entwicklung fünf Jahre dauere. Warum sind die Unterschiede so groß?

Oxford Universität: Bereits im September könnte Impfstoff da sein

Die Oxford Universität meldete, dass möglicherweise bereits im September dieses Jahres ein Impfstoff ihrer Virologen auf den Markt kommen könnte. Ihr Vorteil: Die britischen Wissenschaftler haben bereits vor ein paar Jahren einen Impfstoff gegen die Lungenkrankheit MERS, welche auch ein Coronavirus ist, entwickelt. Damit besitzen die Forscher bereits eine Grundlage für die Forschung für einen Impfstoff gegen Covid-19.

Das Tübinger Pharmaunternehmen CureVac kann nach Einschätzung seines Miteigentümers Dietmar Hopp möglicherweise bereits im Herbst einen Impfstoff liefern.

Das Tübinger Pharmaunternehmen CureVac kann nach Einschätzung seines Miteigentümers Dietmar Hopp möglicherweise bereits im Herbst einen Impfstoff liefern.

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Sarah Gilbert, Professorin für Impfstoffkunde an der Universität Oxford, schätzt die Wahrscheinlichkeit auf 80 Prozent, dass es innerhalb von fünf Monaten einen funktionierenden Impfstoff gegen das Coronavirus geben wird, schreibt die Niederländische Zeitung „Niewsblad“.

„Virologen in Oxford haben eine Vorreiterrolle”

Doch wie realistisch ist das? Professor Corinne Vandermeulen, Leiterin des Impfzentrums an der Universität Leuven sagt, es werde zwar auf der ganzen Welt nach einem Impfstoff gesucht, jedoch hätte Oxford eine Art Vorreiterrolle. „Weil sie bereits Erfahrung mit der Entwicklung eines Impfstoffs gegen ein anderes Coronavirus, das MERS-Virus, haben.“

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Das MERS-Virus gehört, wie SARS-CoV-2, zu der Familie der Coronaviren und wurde seit 2012 bei 2494 Fällen vor allem in Ländern des mittleren Ostens (Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emiraten, Iran, Jordanien, Kuweit, Libanon, Oman, Katar und Jemen) festgestellt.

Corona: Forscher in Oxford wollen in zwei Wochen mit Tests an Menschen beginnen

„Die Virologen der Oxford Universität haben bereits eine Plattform, eine Art Basis, die für die verschiedenen Impfstoffe die gleiche ist. Und sie können dann verschiedene Proteine darauf anbringen, die in unserem Körper eine Immunreaktion auslösen, die dann ein eintreffendes Virus unschädlich machen kann“, so Vandermeulen gegenüber der Niederländischen Zeitung.

Die Forscher wollen innerhalb der nächsten zwei Wochen damit beginnen, den Impfstoff an Menschen zu testen. „Dies ist eine so genannte Phase-1-Studie zum Nachweis der Sicherheit des Produkts. Und natürlich auch, ob es funktioniert“, sagt Vandermeulen. „Ein solcher Test wird normalerweise an zwanzig bis sechzig Personen durchgeführt, aber Oxford will mehr als fünfhundert Personen testen. Das ist enorm, und so können schnell Schlussfolgerungen gezogen werden.“

Britische Regierung soll Oxford-Forschung unterstützen

Die Universität ist dank einer eigenen Produktionsstätte bei der Produktion nicht von Pharmaunternehmen abhängig. Trotzdem verfügt sie nicht über genügend finanzielle Mittel, um die Produktion des Impfstoffs selbst zu stemmen. Daher laufen bereits Gespräche mit der britischen Regierung, die sie dabei unter die Arme greifen soll. „Es ist zu erwarten, dass die britische Regierung den Anspruch auf diese ersten Impfstoffe erheben wird“, so Vandermeulen.

Coronavirus: Siebzig Impfstoffe weltweit im Test

Laut der WHO sind weltweit siebzig Impfstoffe gegen das Coronavirus im Test. Davon seien drei Impfstoffe bereits in klinischen Tests. Die Universität Oxford ist dabei nicht unter den drei Forschungsgruppen aufgelistet. Dafür das Institut für Biotechnologie in Peking im Zusammenarbeit mit dem Unternehmen CanSino Bio, die amerikanische Firmen Inovio und Moderna.

Impfstoff gegen Coronavirus: China mit zwei weiteren klinischen Tests

Einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zufolge hat China neben dem Impfstoff des Instituts für Biotechnologie in Peking zwei weitere Präparate für klinische Tests an Menschen freigegeben.

China habe am 14. April verkündet, dass der Impfstoff eines Instituts in Wuhan in Zusammenarbeit mit dem staatlichen Unternehmen Sinopharm entwickelt und nun klinisch getestet wird. Es soll nun 1396 Testpersonen bereitgestellt werden, welche sich alle mit dem Coronavirus angesteckt haben. Die ersten zwei von drei nötigen Testphasen sollen jedoch erst im November 2021 beendet sein.

Impfstoff gegen Corona: Dietmar Hopp macht Hoffnungen auf Herbst 2020

Auch deutsche Pharmaunternehmen beteiligen sich am Renen um den Impfstoff: in Deutschland etwa Curavec und BioNTech. Dietmar Hopp, Mäzen von TSG 1899 Hoffenheim und Mitbesitzer von Curevac AG, gab sich optimistisch. In einem Gespräch mit dem TV-Sender Sport1 sprach er bereits vor einem Monat davon, dass seine Firma noch im Herbst dieses Jahres einen auf den Markt bringen könnte.

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Bill Gates hat die G20-Staaten aufgerufen, mehr Geld für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das neue Coronavirus bereitzustellen.

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Das aber hänge nun am für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut. „Es müssen erstmal Tests gemacht werden an Tieren und dann an Menschen. Ich denke aber zum Herbst müsste es verfügbar sein“, so Hopp. Curevac forsche bereits seit Januar intensiv an einem Impfstoff gegen das Coronavirus SARS-CoV-2.

Ausbau für Curevac-Produktion könnte Jahre dauern

In einem Video-Statement auf eine Anfrage des „ZDF Sportstudios“ vor einigen Wochen ruderte Hopp dann zurück: „Natürlich sind technische Probleme bei diesem komplexen Verfahren nicht auszuschließen. Auch die langen Zulassungsprüfungen könnten problematisch werden.“

Doch er hoffe weiterhin darauf, dass im Herbst dieses Jahres die ersten Impfstoffe zur Verfügung stehen. Der Unternehmer relativiert jedoch gleichzeitig: „Für die ganz große Produktion im Milliardenbereich, wie sie die Welt benötigen würde, muss die Curevac-Produktion noch weiter ausgebaut werden.“ Zwar habe EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen seinem Unternehmen 80 Millionen Euro dafür in Aussicht gestellt, trotzdem könnte der Ausbau bis zu zwei Jahre dauern.

Corona-Impfstoff: „Wenn wir Riesenglück haben, ein bis anderthalb Jahre“

Kann ein Impfstoff in so kurzer Zeit entwickelt werden? Oder verspricht Dietmar Hopp zu viel? Der Chef des deutschen Pharmakonzerns Merck, Stefan Oschmann, sagte in einem Interview mit n-tv: „Viele gehen davon aus, dass wir in 12 bis 18 Monaten einen Impfstoff haben, wenn wir Riesenglück haben“. Früher hätte es vielleicht sieben Jahre gedauert.

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dpa

Einen ähnlichen Zeitraum sieht auch Bill Gates, Gründer von Microsoft als realistisch. Seine Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung gehört zu den Mitbegründern der Impfstoff-Allianz CEPI, die sich international um einen Impfstoff bemüht.

Bill Gates: In 18 Monaten soll Impfstoff anwendungsbereit sein

Gates schrieb in einem Beitrag für die „Welt am Sonntag“, die CEPI sei dabei, mindestens acht mögliche Impfstoffe zu entwickeln. In 18 Monaten sei mindestens einer von ihnen anwendungsbereit. Dafür benötige die Koalition aber mindestens zwei Milliarden Dollar, sagte Gates. Er rief vor allem die G20-Wirtschaftsmächte zu mehr finanziellen Beiträgen auf.

Gates befürchtet, dass Ansteckungsrate und Zahl der Todesopfer in ärmeren Ländern wegen schlechterer Gesundheitssysteme und geringerer Isolationsmöglichkeiten höher sein werden als in Industrieländern. „Noch ist die Anzahl der Infizierten in den Entwicklungsländern relativ niedrig, aber nach allem, was wir bisher erlebt haben, ist es wahrscheinlich, dass in den kommenden Monaten dort die Epizentren der Epidemie liegen werden“, sagte Gates in den ARD-„Tagesthemen“.

Paul-Ehrlich-Institut: 2021 größere klinische Prüfungen

Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, hatte im März erklärt, er rechne mit ersten klinischen Prüfungen in Deutschland im Sommer bis Herbst. Er hielt es auch für möglich, dass dann 2021 größere klinische Prüfungen mit Tausenden oder vielleicht Zehntausenden Probanden beginnen könnten. Man dürfe die Abläufe nicht zu sehr beschleunigen, es brauche verträgliche, sichere Impfstoffe.

Auch Anthony Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten in den USA, und Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts in Berlin, rechnen mit einem Impfstoff allerfrühestens nächsten Frühling.

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