• Eine Anzeigentafel im Handelssaal der Frankfurter Börse. 
  • Foto: Arne Dedert/dpa

Aktien-Trends mit Philipp Westermeyer: Darum ist der DAX in Rekordlaune

Mit Aktien kann man viel Geld verdienen – aber genauso kann man eine Menge Geld verlieren. Soll ich mich trotzdem trauen? Und ist es nicht längst zu spät zum Einsteigen? OMR-Gründer Philipp Westermeyer (42) erklärt jeden Samstag in der MOPO aktuelle Themen und Trends an der Börse. Diesmal geht’s unter anderem um den DAX in Rekordlaune, die deutsche Erfolgsgeschichte des Jahres und H & M. 

1. ​Aktienmarkt: Der DAX in Rekordlaune

Die Nachrichten sind nicht gut: Die dritte Coronawelle rollt und zwingt immer mehr Länder in neuerliche Lockdowns. Der Tunnel scheint länger geworden zu sein, bis das Licht zu sehen ist. Und trotzdem vermeldet der DAX mit über 15.000 Punkten Rekordstände. Wie kommt es dazu?

Ein Grund ist, dass große börsennotierte Unternehmen nur einen Teil der Wirtschaft darstellen. Kneipen, Messebau oder Kultur sind eben nicht im DAX vertreten. Industrie oder Baubranche hingegen trifft die Pandemie bisher deutlich weniger hart. Den DAX zieht aber vor allem der Autobau nach oben. Die Börse hat von Tesla gelernt, wie viel Wert darin stecken kann. Nun gelingt es VW, Daimler und BMW mit neuem Fokus auf Software und eMobilität nachzuziehen. Deren Aktien gewinnen zwischen 50 Prozent und 75 Prozent in den letzten Monaten.

Dazu wirkt gerade FOMO („Fear of missing out“). Einige Anleger haben Angst, die Welle steigender Kurse zu verpassen, und kaufen sich weiter ein. An der Börse zählt die Zukunft immer mehr als die Gegenwart.

2. Richtig gute Rendite

Viele Leute wollen nicht nur Geld verdienen, sondern in Unternehmen investieren, die die Welt besser machen. Dafür gibt es die „ESG“-Kriterien (Environmental, Social, Governance), die ein ökologisches, soziales und gesellschaftlich nachhaltiges Investieren sicherstellen sollen. ESG-konforme ETFs und Aktien sind gerade in Trading Apps sehr stark nachgefragt. Branchen wie Wasserstoff oder eMobilität haben zuletzt massive Kurszuwächse verzeichnet. Wenn man auf klassische Börsenkriterien wie Rendite oder das Kurs-Gewinn-Verhältnis schaut, sind sie inzwischen deutlich überbewertet.

Trotzdem kann die Entscheidung der Anleger völlig rational sein. Wenn man zur finanziellen Rendite auch den Beitrag eines Unternehmens etwa zum Erhalt unseres Planeten dazurechnet, dann ist die Gesamtrendite möglicherweise ziemlich gut.

Es zeigt sich also in der starken Nachfrage nach „guten“ Unternehmen nicht zwingend ein irrationales Verhalten der Anleger, sondern viel mehr ein verändertes Wertesystem.

3. Eine deutsche Erfolgsgeschichte

Das Unternehmen Biontech aus Mainz ist die große Erfolgsgeschichte des Jahres. In kürzester Zeit wurde auf Basis einer neuen Technologie ein Impfstoff entwickelt und eine Produktion für zwei Milliarden Impfdosen aus dem Boden gestampft. Sowohl Produkt als auch die Belieferung scheinen gut zu funktionieren.

Diese Woche wurden Geschäftszahlen bekannt. Die Umsätze sind wenig überraschend mit dem Beginn der globalen Impfkampagne gestiegen. Aber vor allem der Ausblick hat es in sich. Für das laufende Jahr ist ein Ergebnis von etwa 10 Milliarden Euro erwartbar. Zur Einordnung: Nur VW, Telekom, Allianz und SAP sind bisher in dieser Größenordnung unterwegs. Damit spielt Biontech direkt in der deutschen Champions League.

Das ist doppelt gut: Der finanzielle Erfolg stärkt den aktuellen Unternehmenswert, und die Forschung an Krebsmedikamenten und weiteren Impfstoffen kann locker aus eigener Tasche bezahlt werden. So entstehen zukünftige Werte. Trotz des Hypes: Die Biontech-Aktie scheint weiter recht günstig zu sein.

4. Keine Krise ohne Chance

Manchmal stößt man zufällig auf spannende Unternehmen. Letzte Woche war der Suezkanal noch dicht und man fragte sich: Wer kann ihn eigentlich frei bekommen? Zum Beispiel Royal Boskalis Westminster, eine Firma, die bei maritimen Katastrophen Hilfe leistet: bei der Bergung der „Costa Concordia“ oder dem Brand auf der Deepwater Horizon kam sie zum Einsatz.

Größer als Seerettung sind aber die Geschäftsfelder Offshore-Energieparks, Landgewinnung und Küstenschutz. Die Firma kommt aus den Niederlanden, wo Kinder am Strand mehr Deiche als Sandburgen bauen. Kurz: Man kennt sich aus. Ob beim Bau des neuen Flughafens von Manila oder der Erweiterung des Hafens von Singapur: Diese Kompetenzen sind gefragt.

Boskalis macht etwa zwei Milliarden Umsatz mit 20 Prozent Rohmarge. An der Börse beträgt ihr Wert derzeit 3,5 Milliarden Euro. Das erscheint eher günstig. Diese Aktie könnte also einen Blick wert sein. Denn der steigende Meeresspiegel sorgt vermutlich weiter für volle Auftragsbücher.

5. Der Drahtseilakt

Europas bekannteste Fast-Fashion-Marke ist H & M. Diese Woche kamen Quartalszahlen. Und klar: Geschlossene Läden drücken den Umsatz, die Firma ist in die roten Zahlen geraten. Chefin Helena Helmersson sieht aber positive Signale: Die Menschen wollen raus und kaufen neue Klamotten dafür – die Umsätze im März steigen wieder.

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Das große Problem ist aber China, genau wie bei Nike oder Adidas. Nur dort sind die Umsätze im vergangenen Quartal zweistellig gewachsen. Letzte Woche kam H & M unter Beschuss, nachdem sie sich ebenfalls von Zwangsarbeit in der Region Xinjiang distanziert haben. Große chinesische ECommerce-Plattformen verkaufen nun keine Ware mehr. Seit dem Shitstorm verlor die Aktie zehn Prozent an Wert. Diese Woche bekräftigte H & M nun das Bekenntnis zu China.

H & M versucht den Spagat zwischen sozialer Nachhaltigkeit und Geschäftswachstum. Was für ein Drahtseilakt das ist, zeigt ein Detail: Auf den H & M-Websites weltweit steht „Sustainability“ ganz oben. Auf der chinesischen Homepage aber fehlt nun dieser Punkt.

Die Börsen produzieren jeden Tag viele spannende Geschichten. Um die geht’s jeden Morgen von Montag bis Freitag im „Ohne Aktien wird schwer“-Podcast: ohneaktienwirdschwer.de und https://sptfy.com/i3YH 

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