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Aljosha Muttardi
  • Aljosha Muttardi (33) musste sich lange verstecken, bis er sein Coming-out hatte.
  • Foto: Florian Quandt

10 Tipps: So wird man ein guter Verbündeter

Aljosha Muttardi (33) Arzt, YouTuber und Sohn einer Deutschen und eines libyschen Arztes, schenkt der MOPO Einblicke in seinen langen Weg zum Coming Out und erzählt, warum es auch danach noch schwer sein kann, man selbst zu sein.

Dass sich mich zu Männern hingezogen fühle, habe ich mit zehn Jahren gemerkt. Das war 1997. Anvertraut habe ich mich niemandem. Ich bin in einem sehr hetero-normativen Umfeld aufgewachsen, ohne queere Vorbilder und mit keinerlei medialer Repräsentation. Niemand konnte mir zeigen: „Hey, es ist okay so wie du bist, und du bist nicht allein.“ Ich fühlte mich wie eine Anomalie der Gesellschaft, die einem vermittelt: „So wie du bist, bist du falsch!“ Das zerstört einen und hat bis heute Narben hinterlassen.
Jahrelang habe ich versucht mich anzupassen – all das nicht zu tun, was mit Homosexualität in Verbindung steht, um keine Diskriminierung oder Gewalt zu erfahren.

Hamburg: Alsjosha Muttardi spricht über sein Coming Out

Mit 20 verliebte ich mich dann das erste Mal in einen Kommilitonen, den ich – betrunken in einer Bar und vor Menschen – küsste! Als ich morgens aufwachte, fühlte ich mich ertappt, hatte Angst und Panik. Mein Geheimnis war gelüftet. Ich glaubte, meine Wohnung nicht mehr verlassen zu können, da nun alle Bescheid wussten. Es gab kein Zurück mehr. Entgegen meinen Erwartungen haben viele meiner Freundinnen und Freunde positiv reagiert. Es hat lange gedauert, bis ich an dem Punkt war, wo ich aktiv sagen konnte: Ich bin schwul.

Die einzig nicht so tolle Erfahrung war mit meinen Eltern. Die sagten zwar, dass sie mich trotzdem lieben, aber es ist sehr verletzend, wenn man das Gefühl hat, man ist die Ursache für die Enttäuschung und Tränen der Eltern, nur weil ich sage, wer ich bin. Mittlerweile sind sie aber die tollsten Allies der Community geworden und stolz auf mich.

Queer-Feindlichkeit ist ein gesellschaftliches Problem

Momentan arbeite ich mit anderen queeren Menschen an einem Projekt, und zum ersten Mal merke ich, wie gut es tut, in einem „Safe Space“ zu sein. Einer sicheren Umgebung, in der ich mich, befreit von Scham, ausprobieren kann. Ich habe meine ganzen erlernten Muster hinterfragt und gemerkt, dass ich manchmal echt gerne Nagellack trage oder mich feminin bewege. Trotzdem merke ich, wie schwer es auch für mich selbst ist, diese tief verankerten gesellschaftlichen Strukturen zu verlassen. Das ist mit so viel Schmerz verbunden, dass ich sogar teilweise angefangen habe zu weinen.

Zehn Punkte für bessere LGBTQA+-Verbündete

  1. Hört Betroffenen zu

„Wenn Betroffene sagen, dass etwas queerfeindlich ist, möchten wir uns nicht rechtfertigen müssen,“ so Muttardi und ergänzt: „Wenn wir unsere Geschichte erzählen, dann möchten wir, dass ihr uns glaubt.“

  1. Informiert euch, und zwar selbstständig

„Es ist ermüdend für Betroffene, immer wieder ihre Gefühle und Diskriminierungserfahrungen erklären zu müssen, das retraumatisiert. Es gibt so viele Möglichkeiten sich zu informieren: Internet, Bücher und Social Media.“ 

  1. Unterstützt die Arbeit von queeren Menschen

„Folgt queeren Accounts, wie @queerlexikon und @aljosha_ auf Instagram. Kauft unsere Bücher, guckt unsere Filme, liked unsere Beiträge. Geschäfte können sich z.B. die Progressive Pride Flag in ihre Fenster kleben. Das signalisiert queeren Menschen, dass sie dort willkommen und sicher sind. 

  1. Packt eure Pronomen in die Insta-Bio

„Wie möchte man angesprochen werden: (er/sie, (sie/ihr), (xier/xies/xiesem). Denn nicht jeder identifiziert sich mit dem Geschlecht, das einem bei der Geburt zugewiesen wurde. Das zeigt Solidarität, normalisiert und macht das Thema sichtbar.

  1. Inklusive und nicht diskriminierende Sprache nutzen

„Gendert! Stellt euch mal vor, wie es sich für Menschen angefühlt hat, die nie in die Sprache inkludiert wurden. Und hört auf damit, Begriffe wie ,schwul‘ oder ,Pussy’ als Schimpfwort zu benutzen. Wenn ich das höre, zucke ich zusammen – es ist wie ein Stich in den Bauch,“ schildert der 33-Jährige.

  1. Brecht Gender-Normen

„Probiert euch aus. Schminken, Nägel lackieren. Natürlich nur, wenn ihr wollt. Zeigt Solidarität, wie die Lehrer in Spanien, die z.B. in Röcken in die Schule kamen. Das zeigt uns eure und auch, dass ihr Sachen macht, die unangenehm sind und lernt zu verstehen, wie wir uns fühlen.“

  1. Macht den Mund auf

Muttardi fordert: „Sprecht Leute auf Ungerechtigkeiten, diskriminierende Sprache und Verhalten an!“

  1. Seid lernbereit

„Wenn ihr diskriminierende Sprache nutzt, oder falsche Pronomen, macht kein Riesending draus, sondern lernt daraus und macht es besser. Je mehr ihr ein großes Ding daraus macht, desto mehr rückt ihr den Fokus auf die Person, die betroffen ist.“

  1. Geht auf Demos

„Informiert euch vorher über die Geschichte der Demos und wie ihr euch als Verbündete am besten verhalten sollt. Wir haben eine lange und traurige Geschichte, und die solltet ihr kennen. Die Auslöserin für den Christopher Street Day ist die schwarze Transfrau Marsha P. Johnson. Ohne Schwarze würde es den Christopher Street Day nicht geben.“

  1. Konsumiert queere Inhalte

„Schaut euch queere Filme und Dokus an. Auf Netflix gibt es die Kategorie Queer Cinema / LGBTQ-Filme. Es ist so wichtig, dass queere Menschen klischeebefreit in den Medien auftauchen. Repräsentation ist sowohl hinter, als auch vor der Kamera unfassbar wichtig.“

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