„Wir kennen das schon“: Hamburger Hotel-Chefin über Nackte an der Rezeption
Sie ist 32 Jahre alt, cool, tätowiert – und Chefin des angesagten „East-Hotels“ auf dem Kiez. Felizitas Denz kann die dollsten Geschichten erzählen: Über weinende Ehefrauen, verhinderte Rechnungspreller – und über Besucher, die nachts nackt an der Rezeption auftauchen.
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Sie ist 32 Jahre alt, cool, tätowiert – und Chefin des angesagten „East“-Hotels auf dem Kiez. Felizitas Denz kann die dollsten Geschichten erzählen: Über verzweifelte Ehefrauen, verhinderte Rechnungspreller – und über Besucher, die nachts nackt an der Rezeption auftauchen.
Felizitas Denz (32) wusste immer genau, was sie will. Schon mit 20 war ihr klar, dass sie Hoteldirektorin wird. Spätestens in zehn Jahren – so der Plan, den sie nur knapp verfehlte. Sechs Wochen nach ihrem 30. Geburtstag wurde die toughe Frau mit den blonden, langen Haaren und dem Körper voller Tätowierungen Direktorin des „East-Hotels“ an der Simon-von-Utrecht-Straße. Eine junge, coole Chefin, die in Leder gehüllt mit ihren gerade mal 1,58 Metern auf einer 200-Kilo-Maschine zur Arbeit gerauscht kommt – extra tiefergelegt „wegen der zu kurzen Beine“, sagt sie lachend.
Feli, wie sie von allen genannt wird, ist nicht der Typ für ein Studium. Das war ihr schon während der Schulzeit klar. Sie ist eine Macherin und entschied sich für eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. Vor zehn Jahren wechselte sie vom „Vier Jahreszeiten“ ins „East“. Allerdings hatte sie, bis sie 27 war, immer zwei Jobs. Neben dem „East“ arbeitete Feli in anderen Betrieben, unter anderem im Irish-Pub „Thomas Read“. „So habe ich gelernt anzupacken.“ Sie sei nicht der Typ, der sich irgendwas hinterherräumen oder sich morgens Kaffee bringen lässt. „Ich bin jetzt da, wo ich bin, weil ich schon immer anpacken konnte und weil ich mich für viele Dinge interessiere.“
Kiezmenschen: Feli will Karriere machen
Dass sie so jung Direktorin eines Vier-Sterne-Hotels wurde, macht Feli stolz. Sie fühlt sich ernstgenommen. Das war nicht immer so. Als sie mit 24 Jahren Rezeptionschefin wurde, musste sie erst lernen sich durchzusetzen, um von alteingesessenen Kollegen für voll genommen zu werden.
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Vorgesetzte zu sein – auch später noch manchmal ein komisches Gefühl für sie. Besonders als sie in ihrer neuen Funktion als Direktorin dem ehemaligen Technischen Leiter gegenübertrat. Der Mann kannte sie noch aus der Ausbildung als „Stöpsel“. „Da muss man erst mal einen gemeinsamen Weg finden.“ Den hat die selbstbewusste Frau, die von sich selber sagt, laut und extrovertiert zu sein, heute gefunden. Sich austauschen ist das Wichtigste für die Chefin. Und auch die Ideen und Wünsche der Mitarbeiter miteinzubeziehen.
Momentan ist Feli glücklich und genau da, wo sie sein möchte. Allerdings ist es ihr wichtig, Karriere zu machen. Sie möchte weiterkommen. „Ich bin noch nicht an meinen Grenzen. Ich kann noch mehr“, sagt die junge Singlefrau, die mit ihrer Mischlingshündin April in der Schanze lebt. Irgendwann würde sie gerne die Geschäftsleitung eines Hotels übernehmen oder für mehrere Häuser verantwortlich sein.
Die Branche wechseln kommt für die 32-Jährige nicht in Frage. Sie mag die unterschiedlichen Menschen, mit denen sie arbeitet. „Wer eine coole Socke ist, passt hier rein. Eine ausgeprägte Persönlichkeit ist für mich wichtigstes Einstellungskriterium. Alles andere kann man lernen.“
Felizitas Denz: Manche Männer rechnen nicht mit Paroli
Allerdings darf man optisch auch nicht zu cool sein. Piercings und Tätowierungen sind kein Problem. Bei blauen oder pinken Haaren hört es aber auf für die Direktorin. „Das ist einfach zu viel für ein Vier-Sterne-Hotel. Selbst auf St. Pauli.“ Ein bisschen spießig – das weiß Feli. Aber das werde in dem Preissegment bei Zimmern zwischen 150 und 250 Euro die Nacht auch erwartet.
Das hat sie selber schon zu spüren bekommen, wenn sie lässiger angezogen ist. Die Blicke der Gäste, wenn sie sich beschweren und mit dem Chef sprechen wollen. Ohnehin sind einige schwer verwundert, wenn auf einmal eine tätowierte junge Frau vor ihnen steht. „Gerade manche Männer haben offensichtlich nicht damit gerechnet, dass das Blondchen ihnen Paroli bieten kann.“
Dabei sind die Beschwerden der Gäste vielfältig. Ein falscher Tisch im Restaurant, ein vergessener Lappen im Bad, fehlende Schlappen auf dem Zimmer. „Wir entschuldigen uns dann und laden die Gäste auch zu einem Drink ein, aber das sind Dinge, die passieren können.“
Manchen Gästen steht Feli jedoch nur noch ratlos gegenüber. Wie einem Mann, der die Rechnung um 50 Euro drücken wollte, weil die Schlappen auf seinem Zimmer nicht seine Größe hatten. Oder einem Gast, der zwar gut geschlafen hatte und auch schon ausgiebig gefrühstückt, aber trotzdem sein Zimmer nicht zahlen wollte. Seine Begründung: „Das Design gefällt mir nicht.“ Feli schüttelt den Kopf. „Da fällt mir dann auch nicht mehr viel zu ein.“
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Klare Regel im „East“: Wenn Gäste ausflippen oder laut werden, sind die Vorgesetzten zur Stelle, um Praktikanten oder Azubis zu schützen. So auch nach einer Nacht, in der zweimal nacheinander der Feueralarm mutwillig ausgelöst wurde – von wem und weshalb blieb unklar. Extrem nervig für die Gäste, da sie zweimal ihre Zimmer verlassen mussten, aber nicht zu ändern. „Es geht um die eigene Sicherheit. Das machen wir nicht aus Spaß. Da sind einige ausgerastet und haben rumgeschrien. Das finde ich unfair.“ Mit dem angebotenen späteren Check-out und der Einladung zum Frühstück wollten sie sich nicht begnügen. Etliche Gäste weigerten sich, ihre Zimmer zu bezahlen.
Hotel „East”: Wer sich nicht an Hausregeln hält, muss raus
Diskussionen an der Rezeption und wütende Gäste gibt es ab und an mal. Viel häufiger hat die Direktorin jedoch lustige Situationen erlebt. Immer wieder kommt es vor, dass „Nacktschläfer“ an der Rezeption stehen. Schlaftrunken haben sie nachts die WC-Tür mit der optisch identischen Zimmertür verwechselt. Klack. Und sie stehen ausgesperrt auf dem Flur. Nackedei. Dann bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zur Rezeption zu flitzen.
„Das ist schon wirklich unangenehm für die Gäste, aber wir kennen das schon. Das passiert im Sommer sehr regelmäßig“, sagt Feli und überlegt laut, ob Kissen auf den Fluren eine Lösung wären, damit man sich wenigstens etwas bedecken kann.
Ungewöhnliche Situationen ist sie gewöhnt. Vor Kurzem traf Feli auf eine Frau auf der öffentlichen Toilette im Untergeschoss. Sie saß vor den Waschbecken auf den Fliesen inmitten von Papieren. „Ich mache hier nur eben meine Steuer“, sagte sie freundlich. Feli erzählt lachend, dass die Frau ihr völlig selbstverständlich berichtete, dass sie in der Nähe wohne und häufiger mal im „East“ sei. Das Hotel ist für Gäste. Klar, wenn Leute an der Bar was trinken wollen, sind sie gerne gesehen. Aber die Steuer auf dem Klo erledigen – das gehe nicht.
Und auch verzweifelte Ehefrauen auf der Suche nach ihren Männern muss die Direktorin bitten, zu gehen. „Das können sehr emotionale Momente sein, aber egal was für Probleme Eheleute haben, wir geben nicht preis, wer bei uns eingecheckt hat.“
Singles, Geschäftsleute, Familien, Partyvolk – die Gäste im „East“ sind sehr unterschiedlich. Da gehen die Interessen teilweise weit auseinander. Deshalb wird dafür gesorgt, dass beispielsweise Familien auf einem anderen Flur untergebracht werden als eine Männergruppe. Partys auf den Zimmern sind grundsätzlich verboten. Für Ruhe sorgt nachts ein Security-Mann. Sollten mehr als zwei Personen auf dem Zimmer sein, werden sie gebeten, an die Bar zu gehen.
In der Regel funktioniert das. Wenn nicht, steht der Sicherheitsmann mehrfach vor der Tür. Nach drei Ermahnungen ist allerdings Schluss. Dann heißt es Zimmer räumen. „Man unterschreibt einen Vertrag mit uns. Wer sich nicht an die Hausregel hält, muss das Hotel verlassen.“
Hotel-Direktorin: Bringt aus jedem Urlaub ein Tattoo mit
Auch bei Hoteleigentum, das kurzerhand im Gepäck der Gäste landet, ist das „East“ strikt. Zu häufig werden die hochwertigen Lautsprecherboxen aus den Zimmern geklaut – obwohl sie mit speziellem Kleber auf den Tischen befestigt sind. Und auch die Shampoos kommen regelmäßig abhanden. „Das belasten wir dann nach. Sonst müssten wir die Zimmerpreise erhöhen“, sagt Feli und faltet die Hände vor sich auf dem Tisch. Darauf etliche kleine Tattoos, die sie im Urlaub in Thailand hat machen lassen – mit der traditionellen Bamboo-Technik, bei der ein Stock benutzt wird.
Aus jedem Urlaub bringt sie sich eine Tätowierung mit. Bisher hat die Hotel-Direktorin keinen Reinfall erlebt. Die einzige Tätowierung, die sie heute bereut, hat sie sich mit 18 Jahren stechen lassen. Ein Bettelarmband auf ihrem linken Fuß. „So ein Griff ins Klo gehört aber auch dazu. Ich habe einfach viele Bilder drum herum bauen lassen, damit es nicht mehr auffällt“, sagt die Frau, auf deren Schienbein „I Love East“ prangt.
Tattoos sind ihre Leidenschaft. Und Motorradfahren. Das entspannt sie nach einem stressigen Arbeitstag. Seit zwei Jahren düst Feli mit ihrer schweren Maschine herum. Eine Kawasaki Ninja ZX10R, 178 PS, bis zu 300 Stundenkilometer schnell. „Da ist ordentlich was unterm Stuhl. Aber ich kenne meine Grenzen und bin noch nie aus der Kurve geflogen“, sagt die junge Frau und es klingt ein wenig, als würde sie über ihr Leben sprechen: Mit einer Menge Power sicher auf der Überholspur. Aber noch nicht am Ziel.