• Die Hamburgerin Susanne Kaloff hat in einem Selbstversuch ein Jahr lang auf Alkohol verzichtet und ihren Weg in einem Buch festgehalten.
  • Foto: Hanna Schumi

Adios Wein, Sekt und Co.: Warum Alkoholverzicht die Schnellstraße zur Selbstliebe ist

Das Glas Wein nach der Arbeit, die geselligen Runden am Wochenende mit ordentlich Hochprozentigem oder die neue Wohnung, auf die jetzt erstmal angestoßen werden muss – Anlässe zum Trinken gibt es eigentlich immer. Doch wie sähe ein Leben ohne Alkohol aus? Die Hamburger Journalistin Susanne Kaloff (51) hat’s ausprobiert – und über ihre mehrjährige Alkoholabstinenz das Buch „Nüchtern betrachtet, war’s betrunken nicht so berauschend“ geschrieben. In der aktuellen Folge des MOPO-Frauenpodcasts „Frau FM – laut und weiblich“ haben wir mit ihr über die gesellschaftliche Rolle von Alkohol und die Auswirkungen des Verzichts gesprochen. 

„Hast du denn ein Alkoholproblem?“ Diese Frage haben wohl die meisten im Kopf, wenn sie von Kaloffs Alkoholabstinenz hören, sagt die Journalistin und Autorin. Doch sie entschied sich vor mehreren Jahren für ihren alkoholfreien Selbstversuch nicht, weil ihr ein Arzt dazu riet, oder sie jedes Wochenende durch die Bars wankte – sondern komplett aus freien Stücken. „Ich mag gerne Selbstversuche, das ist auch ein Trend aus den USA, dieses „Sober-Movement“ (dt. nüchterne Bewegung), wo man über einen längeren Zeitraum nüchtern bleibt. Ich wollte das ausprobieren – und dann kam das mit dem Buch zustande“, sagt sie.

„Hinzu kam, dass ich schon längere Zeit keine Lust mehr hatte, zu trinken. Nicht aus einem Kater heraus, sondern einfach so“, so Kaloff weiter. Sie sagt von sich selbst, dass sie zu Alkohol-Zeiten nicht diejenige war, die immer „auf dem Tisch getanzt hat“, aber gerne Alkohol getrunken – und auch genossen hat. 

Hamburger Journalistin über ihre Alkohol-Abstinenz

Genuss ist ein Grund, warum Alkohol für die meisten Menschen unverzichtbar ist – doch es ist vor allem auch die soziale Komponente, meint Kaloff. „In der Gesellschaft ist immer ein Anlass da, an dem getrunken wird. Man tut das ja, damit sich die Grenze zu den anderen auflöst. Es vermittelt ein Gefühl von ‚dazu gehören wollen‘, was ja auch ganz menschlich ist“, so die 51-Jährige.

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Doch wie fühlt es sich an, auf Partys vielleicht sogar die einzige zu sein, die zu Apfelschorle und Cola greift, statt zu Wein und Sekt? „Klar macht es ein bisschen einsam, es ist ein bisschen so wie ein Selbstgespräch. Man sieht ganz deutlich, wann bei den Menschen um einen herum der Alkohol wirkt – und wie sich Situationen dann schnell verändern.“

Bei Frauen ist Alkohol gekoppelt mit sexy und attraktiv sein

Vor allem bei Frauen sieht Kaloff das Problem, dass Alkohol trinken immer verbunden ist mit einem gewissen Bild. „Wir denken immer, dass wir, wenn wir keinen Alkohol mehr trinken, langweilig werden. Frauen haben das sehr gekoppelt mit sexy, attraktiv und wild sein – Alkohol ist schon fast wie ein Sexspielzeug.“ Hinzu komme, dass in nahezu allen Filmen und Serien Alkohol dazu gehört – und gerade Frauen mit dem Glas in der Hand als besonders „sinnlich“ wirken sollen.

Aber: „Eine Frau, die nicht trinkt, ist eine ganz andere Frau, als die, die einen ‚Schwips‘ hat. Und betrunken können auch echt blöde Sachen passieren, man ist schnell leichte Beute für Männer“, sagt Kaloff. Doch nicht nur, dass betrunkene Abstürze, die man am nächsten Tag bereut, aufhören, auch gesundheitliche Auswirkungen sind durch den Verzicht natürlich zu spüren. „Die Haut wurde schon frischer. Alkohol ist nun mal ein Gift und wenn man ihn weglässt, hat das natürlich viele Auswirkungen auf unsere Körperfunktionen, Zellen und anderes. Auch mein Schlaf wurde tatsächlich um einiges besser.“ 

Der Alkoholverzicht wurde zu einer Art Lebenseinstellung

Für Kaloff ist der Alkoholverzicht mittlerweile zu einer Art Lebenseinstellung geworden, sie sagt: „Alkohol nimmt mir die Freiheit, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen, weil er mich verblendet und auf eine andere Ebene bringt.“  Den Verzicht darauf beschreibt sie als eine „Schnellstraße zu radikaler Selbstliebe“, denn: Man lernt sich von einer anderen Seite kennen. Einer Seite, die echt ist, aber auch viele Ängste und Unsicherheiten hervorbringt.

Aber gerade das auszuhalten und sein Selbstbewusstsein aus anderen, inneren Quellen zu speisen, sei sehr wertvoll für die eigene persönliche Entwicklung. Heute hält Susanne Kaloff sich nicht an dem Absoluten fest: „Ich entscheide das spontan, und wenn ich Lust habe, trinke ich auch mal ein halbes Glas, aber meistens habe ich keine Lust. Das Nichttrinken ist mittlerweile so wertvoll geworden – wertvoller als alles, was mir Alkohol geben kann.“

Zu Gast bei FrauFM: Hamburgerin Susanne Kaloff

Die Hamburgerin Susanne Kaloff ist 51 Jahre alt und schreibt seit zwanzig Jahren als Journalistin für die „Welt am Sonntag“, „Emotion“, Brigitte“ und „Myself“. Ihr Buch „Nüchtern betrachtet war’s betrunken nicht so berauschend“ erschien 2018 im Fischer Verlag. Auf ihrem Instagramkanal @susekaloff nimmt sie ihre Follower mit durch ihr Leben und versorgt sie mit guten Ratschlägen, Denkanstößen für mehr Achtsamkeit für sich und andere.

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