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  • US-Wahl: Trump hat überraschend viele US-Bundesstaaten geholt. Und das hat Gründe.
  • Foto: Evan Vucci/AP/dpa

Warum Trump viel stärker ist als erwartet: Die 6 Lehren aus dem Wahl-Krimi

Analyse –

Der US-Wahl-Krimi geht in die zweite Nacht. Joe Biden liegt vorn – ein Ergebnis steht aber immer noch nicht fest (alle Ergebnisse live im Wahl-Ticker). Klar ist aber: Trump schneidet viel besser ab als erwartet. Sechs Lehren, die wir daraus ziehen können – und die auch für Deutschland und Europa relevant sind.

1. Trau nicht den Umfragen!

Geschichte wiederholt sich: 2016 lag Hillary Clinton in Umfragen weit vorn. Und verlor. Die Demoskopen hat das in eine tiefe Krise gestürzt. Modelle wurden umgebaut, Besserung gelobt – leider mit begrenztem Erfolg. Auch Joe Biden lag im Vorfeld der US-Wahl 2020 weit vorn – und verlor einige sicher geglaubte Staaten. Am Ende schnitt Trump viel besser ab als prognostiziert. Erneut zeigt sich: Umfragen sind heutzutage nicht mehr viel wert.

2. Unterschätz nicht den Populismus!

Ein deutsches Forscherteam hat jüngst den weltweiten Siegeszug des Populismus untersucht. Ergebnis: Populisten regieren schlechter, ihre Wirtschaftsbilanz etwa ist signifikant schwächer als in vergleichbaren Ländern mit nüchternen Regierungen. Aber: Populisten werden doppelt so häufig wiedergewählt – und sie regieren doppelt so lange wie traditionelle Konkurrenten. Die Berufung auf das einfache Volk, die „Wir gegen die“-Rhetorik, die Anti-Establishment-Tiraden, die Verklärung der Nation – all das sind ungeheuer erfolgreiche Muster. Sie können erklären, warum Donald Trump trotz all seiner Fehler in so vielen Staaten erfolgreich war. Berlusconi, Erdogan und Orbán lassen grüßen. Selbst wenn Trump weg ist: Der Trumpismus wird bleiben. Denn auch das fanden die Forscher heraus: Hatten Populisten ein Land einmal im Griff, kamen sie meist wieder.

3. Nimm die Angst ernst!

Viele Amerikaner haben Angst: Vor Einwanderung, vor dem wirtschaftlichen Wandel, vor Linken, vor Latinos, vor Schwarzen, vor der Energiewende, wovor auch immer. Trump hat nicht versucht, ihnen diese Angst zu nehmen, er hat sie verstärkt, wurde zum Lautsprecher der Angst. Und konnte damit, trotz seiner katastrophalen Regierungsbilanz, in vielen Milieus reüssieren. Nur zu sagen: Es gibt keinen Grund, Angst zu haben, reicht nicht.

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4. Viele Minderheiten machen noch keine Mehrheit!

Seit Jahren konzentrieren sich die Demokraten darauf, Politik für möglichst viele (benachteiligte) Minderheiten zu machen – und scheitern damit in vielen Bundesstaaten. Denn das Tückische an der Minderheiten-Politik: Es ist schwierig, eine einfache Botschaft für alle zu verbreiten. Es ist leicht, diese Politik zu diskreditieren und der Mehrheit Angst zu machen. Und dann verhalten sich viele Minderheiten nicht so, wie die Politstrategen sich das erhoffen: Die Wahlbeteiligung ist häufig niedriger, etwa bei schwarzen Amerikanern. Oder andere Themen sind ihnen wichtiger, etwa bei den Latinos in Florida, die Trump dort den Sieg sicherten. Eine Erfahrung übrigens, die auch die SPD in Deutschland machen musste.

5. Sei dir keiner Gruppe sicher!

Weiße Frauen in Vorstädten kehren Trump den Rücken, las man zuletzt viel. Schwarze wählen Trump auf keinen Fall wegen seiner Reaktion auf die „Black Lives Matter“-Proteste. Und Latinos auch nicht, u. a. weil er Einwanderern die Kinder hat wegnehmen und in Käfige sperren lassen und weil sie besonders unter Corona leiden. Ach ja? Die Befragung von Wählern nach der Stimmabgabe zeigt: anteilig mehr weiße Frauen, mehr Schwarze, mehr Latinos haben Trump gewählt als bei der letzten Wahl. Diejenigen, bei denen er wirklich verloren hat, sind ausgerechnet weiße Männer: Also jene, die er vor allem umgarnt hat.

6. Auf die Medien kommt es an!

Trump begann seinen Kriegszug gegen die Demokratie auf Twitter: „Sie klauen die Wahl!“, schrieb er am Mittwochmorgen unserer Zeit. Twitter reagierte sofort, versah seinen Tweet mit einer Warnung, schränkte die Verbreitung ein. Und wiederholte dies später mehrfach, als Trump die Stimmenauszählung stoppen wollte. Wichtiger vielleicht war noch die Reaktion von Fox News, dem Haussender der Republikaner, auf Trumps unsägliche Rede im Weißen Haus, seinen Versuch eines Staatsstreichs. Selbst auf Fox News, sich sonst für keine Trump-Lüge zu schade, wurde erklärt, dass natürlich weiter Stimmen gezählt werden müssen. Twitter und Fox wurden dafür von Trumps Anhängern angefeindet – denn sie haben mitgeholfen, Trumps Kampagne gegen die Wähler im Keim zu ersticken.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist in Teilen am Mittwochmorgen erschienen und im Laufe des Tages ergänzt worden.

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