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  • US-Präsident Joe Biden hat das Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg als Völkermord bezeichnet – und die Türkei damit ordentlich provoziert. 
  • Foto: dpa/AP

Völkermord an den Armeniern: US-Präsident Biden provoziert Erdogan

Washington/Ankara –

Zwischen den USA und der Türkei brodelt es gerade heftig. Am Gedenktag an die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich im Ersten Weltkrieg hat der amerikanische Präsident Joe Biden diese nämlich als Völkermord anerkannt. Deutschland hatte dies bereits vor fünf Jahren getan und das Verhältnis zur Türkei damit zeitweise schwer belastet. Das Land forderte Biden nun auf, seine Aussage zurückzunehmen.

In einer vom Weißen Haus verbreiteten Mitteilung Bidens zum Gedenktag an die Massaker am Samstag heißt es: „Das amerikanische Volk ehrt all jene Armenier, die in dem Völkermord, der heute vor 106 Jahren begann, umgekommen sind.“ Damit nahm Joe Biden als erster US-Präsident nach 40 Jahren das Wort „Völkermord“ im Zusammenhang mit den Massakern in den Mund. Zuletzt hatte dies US-Medienberichten zufolge der damalige US-Präsident Ronald Reagan im Jahr 1981 getan.

Türkei zu Joe Biden: „Das war ein schwerwiegender Fehler“

Biden sorgte damit für große Empörung bei der türkischen Regierung: Das türkische Außenministerium wies Bidens Erklärung „in schärfster Form“ zurück und forderte den US-Präsidenten auf, den „schwerwiegenden Fehler“ zurückzunehmen. Die Aussage Bidens verzerre historische Fakten und reiße eine tiefe Wunde in die Beziehungen beider Länder, hieß es. Zudem wurde US-Botschafter David Satterfield nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Samstagabend ins türkische Außenministerium einbestellt: Man habe ihm mitgeteilt, dass Bidens Erklärung inakzeptabel sei.

Während des Ersten Weltkriegs waren Armenier systematisch verfolgt und unter anderem auf Todesmärsche in die syrische Wüste geschickt worden. Historiker sprechen von Hunderttausenden bis zu 1,5 Millionen Opfern. Die Türkei als Nachfolgerin des Osmanischen Reiches gesteht den Tod von 300.000 bis 500.000 Armeniern während des Ersten Weltkrieges ein und bedauert die Massaker. Eine Einstufung als Völkermord weist sie jedoch strikt zurück.

USA wollen Wiederholung ähnlicher Gräueltaten verhindern

Die USA fühlten sich verpflichtet, zu verhindern, dass sich ähnliche Gräueltaten jemals wieder ereigneten, erklärte Biden. Überlebende der Verfolgung hätten sich gezwungen gesehen, auf der ganzen Welt eine neue Heimat und ein neues Leben zu finden. Mit „Stärke und Widerstandskraft“ habe das armenische Volk überlebt, habe aber niemals die tragische Geschichte vergessen. „Wir ehren ihre Geschichte. Wir sehen diesen Schmerz. Wir bestätigen die Geschichte. Wir tun dies nicht, um Schuld zuzuweisen, sondern um sicherzustellen, dass sich das, was geschehen ist, niemals wiederholt.“

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Ankara hatte die US-Regierung bereits vor Bidens Erklärung vor einer Anerkennung der Massaker als Völkermord gewarnt. Der Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, warf den USA vor, dem Druck von Interessengruppen nachgegeben zu haben. Er empfehle den USA, auf ihre eigene Geschichte und Gegenwart zu schauen, schrieb Kalin auf Twitter.

Armeniens Regierungschef ist begeistert von Bidens Schritt

Erdogan selbst äußerte sich zunächst nicht. Vor Bidens Mitteilung hatte Erdogan am Samstag an den armenischen Patriarchen in der Türkei, Sahag Maschalian, geschrieben, er gedenke mit Respekt den Armeniern im Osmanischen Reich, die unter „schweren Bedingungen“ im Ersten Weltkrieg ihr Leben verloren hätten. Die Politisierung von Debatten durch Dritte bringe nichts.

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Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan sagte, das armenische Volk und alle Armenier der Welt hätten Bidens Botschaft mit „großer Begeisterung erhalten“. Paschinjan sprach von „einem mächtigen Schritt auf dem Weg der Wahrheit und der historischen Gerechtigkeit“ sowie von einer „unschätzbaren Unterstützung für die Nachkommen der Opfer des Völkermords“.

US-Präsident kündigte härteren Kurs gegen Erdogan an

Bereits als Präsidentschaftskandidat hatte Biden beim Gedenktag vor einem Jahr vom „Genozid“ an den Armeniern gesprochen. Biden betonte damals: „Schweigen ist Mittäterschaft.“ Ebenfalls als Kandidat hatte Biden außerdem einen härteren Kurs gegen Erdogan angekündigt, den er einen „Autokraten“ nannte, der einen Preis für sein Verhalten zahlen werde. In einem Interview der „New York Times“ sprach sich Biden im Januar vergangenen Jahres dafür aus, die türkische Opposition zu unterstützen. Der US-Präsident und Erdogan hatten am Freitag erstmals seit Beginn von Bidens Präsidentschaft miteinander telefoniert.

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Bereits 2019 hatte der US-Kongress die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord anerkannt. Die Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump betonte anschließend, die rechtlich nicht bindende Resolution ändere nichts an der Haltung der US-Regierung. Biden-Vorgänger Trump hatte „von einer der schlimmsten Massen-Gräueltaten des 20. Jahrhunderts“ gesprochen, das Wort Völkermord aber – wie andere US-Präsidenten auch – vermieden. (dpa/prei)

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