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  • Nach dem Brand in Moria im September wurden viele Geflüchtete im Camp „Kara Tepe“ untergebracht.
  • Foto: picture alliance/dpa/AP

Überschwemmung, Krätze, beißende Ratten: Schreckliche Zustände in Geflüchtetencamp

Lesbos –

Für ein paar Tage  gab es große Aufmerksamkeit: Das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos brannte lichterloh. Doch mit den Flammen verschwand auch schnell das Interesse der Öffentlichkeit und der Politik an den Menschen vor Ort. Innerhalb weniger Tage wurde ein neues Camp am Stadtrand von Mytilini errichtet, doch für die Flüchtlinge bedeutet das keine Besserung. Im Gegenteil: Die Bedingungen im Ersatzlager „Kara Tepe“ sind schlimmer denn je.

Die Zelte der Menschen vor Ort sind überflutet, ihre wenigen Habseligkeiten treiben im schlammigen Wasser, die Schlafsäcke sind schmutzig und durchweicht. Verzweifelt versuchen die Bewohner, dass Wasser aus ihrem Zelt zu bekommen – trotz der Kälte tragen viele dabei nur Schlappen an den Füßen. Sandsäcke bahnen Wege durch das Unterwasser stehende Lager, auf denen man balancieren muss, um halbwegs trocken zu bleiben.

Lesbos: Katastrophale Zustände im Flüchtlingslager Kara Tepe 

Heftige Regenschauer sind der Grund für die heftigen Überschwemmungen in Kara Tepe, dem neuen Moria. Das Flüchtlingslager wurde von griechischen Behörden und der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR auf einem ehemaligen Schießplatz des Militärs errichtet, direkt an der Küste. Doch das Wasser und der Schlamm sind hier nicht das einzige Problem: Trotz des einbrechenden Winters leben die Menschen in Sommerzelten, überall liegt Müll, es gibt keinen Strom und zu wenig Nahrung.

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Und damit nicht genug: In dem neuen Flüchtlingslager gibt es kaum sanitäre Anlagen mit fließendem Wasser, geschweige denn die Möglichkeit warm zu duschen. „Wir haben keine Betten. Es gibt keine Duschen, wir waschen uns mit Wasser aus dem Meer. Wenn wir auf Toilette müssen, gehen wir ins Gebüsch. Es ist traurig“, erzählt Francisco aus der Demokratischen Republik Kongo den Journalisten der „Tagesschau“. Und geht noch weiter: „Moria war die Hölle für uns, aber das hier, das ist schlimmer als die Hölle.“ 

„Ärzte ohne Grenzen“: Kinder werden nachts von Ratten gebissen

Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ prangert die katastrophalen hygienischen Bedingungen ebenfalls an und verweist bereits auf mehrere Fälle von Krätze. Doch es kommt noch schlimmer: Kinder werden nachts, während sie schlafen, von Ratten gebissen. Wie mehrere Hilfsorganisationen melden, ist das die häufigste Verletzung bei Kindern in dem Camp.

Immer wieder machen Menschenrechtsorganisationen, Ärzte und einzelne Politiker auf das Leid der Menschen auf Lesbos aufmerksam – doch ändern tut sich bislang nichts. Die Menschen in Kara Tepe und anderen Flüchtlingslagern kamen nach Europa, um vor Gewalt, Ausgrenzung und bitterer Armut zu fliehen – bisher ist jedoch eher der Name des neuen Lagers „Kara Tepe“, übersetzt „schwarzer Berg“, Programm: Das Leben dort ist dunkel und mühselig, ein Schattenleben inmitten des Kontinents der Hoffnung.

„Flüchtlingslager wie Moria bieten keine sichere Zuflucht, sondern sind im Gegenteil Quelle neuer Gewalterfahrungen. Die Normalisierung dieses Zustands ist unerträglich und die Gewöhnung an dieses tägliche Unrecht erschreckend“, bringt es Ramona Lenz, Referentin für Flucht und Migration der Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation auf den Punkt. „Es bedarf dringend eines Paradigmenwechsels in der Flüchtlingspolitik von EU und Bundesregierung.“

Migranten leiden auch unter psychischen Problemen

Auf Lesbos und Lagern auf anderen griechischen Inseln leiden viele Migranten zudem unter psychischen Problemen. So heißt es in einem Bericht, den die Hilfsorganisation IRC  gestern veröffentlichte, dass sich die Situation vor allem wegen der Corona-Pandemie und dem darauffolgenden Lockdown verschlimmert hat. Trotz verheerender Zustände zwang man die Menschen, in dem Lager zu bleiben.

Seitdem verzeichnete das IRC nach eigenen Angaben 71 Prozent mehr Migranten, die über psychotische Probleme klagten; die Zahl der Selbstverletzungen sei um 66 Prozent gestiegen. Das IRC beruft sich auf Daten, die Psychologen zwischen März 2018 und Oktober 2020 auf Lesbos, Samos und Chios erhoben haben.

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