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  • In einem Kiosk in Berlin läuft um 19.30 Uhr die TV-Ansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einem kleinen Fernseher. Die Bundeskanzlerin spricht über die Coronavirus-Pandemie. 
  • Foto: dpa

TV-Rede: Merkels alarmierende Signale – und warum man sie ernst nehmen muss

Berlin –

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in einer ihrer seltenen TV-Ansprachen an die Nation gewandt. Ihren Auftritt verfolgten allein in ZDF und ARD jeweils mehr als neun Millionen Menschen. Ein Kommentar zu ihrer Rede.

Die Kanzlerin will nichts mehr werden, sondern nur noch ihrem Land dienen. Die Deutschen nehmen ihr das ab – deshalb gibt es neben der Viruskrise nicht noch eine Vertrauenskrise. Darin liegt eine große Chance für alle, es ist ein Glück im Unglück.

Kanzlerin bleibt ihrem Stil treu

Angela Merkel bleibt auch in dieser neuen Krise ihrem alten Stil treu.

Nie würde sie dem Virus den „Krieg“ erklären, wie es Frankreichs Präsident Emmanuel Macron diese Woche tat. Auch würde sie nie, wie der amerikanische Präsident, breitbeinig Macht und Größe ihrer Regierung herausstreichen.

Man habe „die besten Experten“, hatte Donald Trump jüngst in einer grimmigen Fernsehansprache getrommelt.

Angela Merkel geht es nicht um Show

Merkel geht es nicht um Show. Es geht ihr um die tatsächliche Krisenabwehr, ums Flachhalten der Kurven bei Infektionen und Todesfällen.

Hier lesen Sie mehr: Die TV-Ansprache von Angela Merkel zum Coronavirus im Wortlaut

Die Weltsicht der gelernten Physikerin war immer schon wissenschaftlich geprägt. Es ist daher aus Merkels Sicht keine Ausflucht, sondern Ausdruck von Aufrichtigkeit, wenn sie jetzt als Regierende einen Teil der Verantwortung für den weiteren Verlauf der Krise an die Regierten zurück gibt.

Es sind in der Tat in erster Linie die Deutschen selbst, deren Vernunft oder Unvernunft über Leben und Tod sehr vieler Menschen entscheiden wird.

Angela Merkel mag keinen Pathos

Die Kanzlerin mag kein Pathos. Sie meidet normalerweise auch historische Dimensionierungen des eigenen Tuns. Umso schwerer wiegt es nun, wenn sie sagt, es habe seit dem Zweiten Weltkrieg keine Herausforderung für Deutschland gegeben, „bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt“.

Statt gegen Ende der Rede nur Optimismus zu verbreiten, machte sie eine Pause nach dem eigenwilligen Satz: „Diese Situation ist ernst und sie ist offen.“

Alarmierende Signale von Angela Merkel

Dies sind wahrhaft alarmierende Signale aus dem Mund einer Politikerin, die nicht zum Alarmismus neigt. Gerade deshalb muss man sie ernst nehmen.

Die Kanzlerin hat, wenn man ihre Ansprache frei übersetzt, den Deutschen ein Angebot gemacht: Wenn ihr euch jetzt alle an die Regeln haltet, kommen wir vielleicht um eine komplette Ausgangssperre herum.

Wie läuft die Kurve weiter?

Maßgeblich wird sein, wie die Infektionskurve weiter verläuft. Irgendwann, vielleicht Anfang April, wird die Zahl der Erkrankungen von Tag zu Tag zwar immer noch steigen – aber nicht mehr so steil. Deutschland bekommt dann vielleicht die Chance, im Laufe der Monate die Klinikkapazitäten ausreichend hochzufahren.

Brasiliens rechtspopulistischer Präsident Jair Bolsonaro übrigens schüttelt derzeit Hände und umarmt seine Anhänger. Das Virus, sagt er, sei eine Fantasie.

Ein Glück im Unglück

In dieser wirren Welt bildet Deutschland einen Gegenpol. Mehr als anderswo wird die Politik Berlins nach wissenschaftlichen Empfehlungen ausgerichtet.

Dabei hilft eine Kanzlerin, die nichts mehr werden will. Sie will jetzt nur noch ihrem Land dienen so gut es geht. Die Deutschen nehmen ihr das ab. Deshalb gibt es keine Vertrauenskrise parallel zur Viruskrise. Darin liegt eine große Chance für alle, es ist ein Glück im Unglück.

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