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  • Der Schneemann mit Revolutionsflagge als Zeichen des Widerstandes gegen Diktator Lukaschenko.
  • Foto: Franak Viacorka/Twitter

Totale Paranoia : Europas „letzter Diktator“ lässt Schneemänner überfahren

Minsk –

Schneemänner werden von Traktoren reihenweise plattgewalzt – und das im Auftrag des Präsidenten! Regime-Beamte sorgen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk derzeit für irre Szenen: Sie leiten die Fahrzeuge auf Spiel- und Parkplätze und mähen dort die von den Anwohnern frisch gebauten Schneemänner um. Wahnsinn? Langeweile? Nein, der Grund ist politisch.

Die Teams von Stadtreinigung und Polizei kommen, zerstören und fahren wieder – ein Beamter muss die Szenen als Arbeitsnachweis filmen. Was ein Außenstehender nicht ahnt: Die Schneemänner sind nicht das Resultat verspielter Kinder, es sind Zeichen des erwachsenen Widerstandes.

Minsk: Regime-Beamte gehen mit Traktoren gegen Schneemänner vor

Bei „Bild“ erklärt die Weißrussin und Belarus-Expertin Hanna Liubakova: „Angesichts des Ausmaßes der Unterdrückung müssen die Belarusen immer neue – vergleichsweise sichere – Formate finden, ihre Unzufriedenheit und ihren Widerstand gegen das Regime zu zeigen.“ Liubakova arbeitet als Journalistin und Forscherin bei der Denkfabrik „Atlantic Council“.

Mittlerweile würden Menschen „auf dem Weg zum nächsten Lebensmittelladen“ festgenommen. Dasselbe passiere, wenn sie in ihren Autos sitzen und hupten, weiß-rote Kleidung trugen oder weiße und rote Verzierungen an ihre Fenster stellten, so die Journalistin.

Schneemänner sind Zeichen des zivilen Ungehorsams

Die Schneefiguren seien eine neue Form des zivilen Ungehorsams der Menschen in Belarus. „Zuletzt haben sie begonnen, diese Schneemänner zu bauen und ihnen weiße und rote Farben gegeben“, erzählt die mittlerweile im Exil lebende Liubakova der „Bild“. Die Farben stehen für die Flagge der belarusischen Revolution.

Die Bedeutung der Schneemänner erklärt zumindest in Teilen die brutale Vorgehensweise des „letzten Diktators Europas“. Die Journalistin Liubakova ergänzt: „Die Behörden wollen jedes Anzeichen von Unzufriedenheit verbieten und jede Struktur des Widerstands zerstören, weil sie wissen, dass die Krise noch nicht vorbei ist.“ Sie deutet Lukaschenkos Offensive als Zeichen der Schwäche. Der illegale Machthaber zeige sich „extrem nervös“. 

Kreative Form des Protests gegen Lukaschenko

Der leitende Berater der vertriebenen, vermutlich rechtmäßigen weißrussischen Präsidentin Swetlana Tichanowskaja, Franak Viacorka, bezeichnet die Schneemänner ebenfalls als „kreative Form des Protests“. Auf Twitter teilte er etliche Videos über die Traktor-Angriffe.

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Der „Bild“ erklärte der frühere Blogger, dass es für viele Belarusen der einzige Weg sei, Widerstand zu leisten – da man für die Teilnahme an Protesten „festgenommen und oft gefoltert“ werde. Die „Schneemänner in den Nationalfarben“ seien ein Symbol des Widerstands, so der Politiker. Hier könnten die Farben repräsentiert werden, während man selbst für das Tragen einer richtigen weiß-rot-weißen Flagge „jahrelang eingesperrt werden“ könne.

Lukaschenkos Angriff auf die Schneemänner ist demnach ein Angriff auf den Widerstand gegen ihn. Viacorka: „Lukaschenko bekämpft dieses Symbol, weil es Teil der nationalen Identität ist.“ Die verbindenden Symbole des Protests sind dem Diktator ein Dorn im Auge. (vd)

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