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  • Tim Raue (l.) und Tim Mälzer sind nicht nur bei „Ready zu Beef“ zusammen zu sehen, sondern auch in der neuen Staffel „Kitchen Impossible“.
  • Foto: TVNOW / Pervin Inan Sertas

Tim Raue und Tim Mälzer über ihren Job: „Es gibt jeden Tag auf die Fresse“

Köln –

Neue Koch-Duelle, neue Herausforderungen in fremden Ländern – und ganz bestimmt wieder legendäre Ausraster: Die nächste Staffel „Kitchen Impossible“ kommt ab dem 9. Februar auf VOX. Gastgeber Tim Mälzer (48) freut sich schon ganz besonders, denn er wird erneut gegen seinen liebsten Feind Tim Raue (45) antreten.

Im Interview mit unserer Redaktion sprechen die beiden Tims Klartext – was sie aneinander hassen, über die Discounter-Mentalität der Deutschen und ihr Karriereende.

Ihr versteht euch ausgezeichnet, die Chemie kommt im Fernsehen rüber. Könnt ihr euch noch an den Tag erinnern, als ihr euch das erste Mal getroffen habt?

Tim Mälzer: Da gehen unsere Geschichten etwas auseinander.

Tim Raue: Ja?

Tim Mälzer: Ich habe ihn das erste Mal persönlich auf der IFA (internationale Funkausstellung in Berlin, d. Red.) getroffen. Da hast du eine Koch-Vorführung gemacht, ich habe kurz Hallo gesagt und mich bedankt, dass du in einem Zeitungsinterview so nett zu mir warst.

Tim Raue: Ihm wurde vorgeworfen, er sei „ja nur der Fernsehkoch“. Wir müssen uns aber klar machen: Ohne Essen verrecken wir. Essen ist essentiell. Und es gibt mehrere Möglichkeiten, das zu transportieren. Zum Beispiel zu Hause, wo die Mami, die Omi oder der Opi für dich kocht. Wir alle haben Lieblingsspeisen, die wir sofort mit Wohlfühlen und Liebe verbinden. Essen ist auch eine Zeit, die du zusammen am Tisch verbringst, in der du etwas teilst. Das ist eines der stärksten menschlichen Bedürfnisse: zusammen zu sein und zu teilen. Für mich war schnell klar, dass Tim eine unglaubliche Präsenz im Fernsehen hat, aber seine „Bullerei“ in Hamburg eben auch fantastische Gastronomie ist. Damals, vor etwa acht Jahren, gab es in der Top-Gastronomie noch den Duktus: Gut essen gehen bedeutet, sich gut anzuziehen, dann steht da ein Oberkellner, der dir sagt, was du zu essen und zu trinken hast. Tim hat die Türen weit aufgemacht für ein großes Publikum. Ihn anzupissen und zu sagen: „Er hat aber keinen Stern“, das ist mir schwer auf den Sack gegangen.

Dir ist das zu elitär?

Tim Raue: Das wäre so, als würdest du sagen: Fußball kann nur in der ersten Bundesliga gespielt werden. Fußball ist wie Essen – das spielst du runter bis in die Kreisliga. Jeder kann es machen, jeder hat Spaß dran.

Tim Mälzer: Fußball ist ein gutes Beispiel. Die Sehnsucht nach Emotion sucht man sich mittlerweile im Amateurfußball. Amateur heißt ja nicht: nichts können, sondern eben nicht komplett professionalisiert. Die Distanz, die der Zuschauer zu den Menschen auf dem Platz hat, ist ähnlich wie die der Menschen zur Sterne-Gastronomie.

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Wie stehen wir Deutschen zum Thema Essen?

Tim Raue: Ich finde es elementar, dass wir gerade im deutschen Fernsehen zeigen, was Essen vor allem kulturell bedeutet. In dem Land, in dem unfassbar viel für Autos und Häuser ausgegeben wird, aber leider auch für schrottige Discounter, die glücklicherweise besser werden. Als mich Tim das erste Mal zu „Tim Mälzer kocht“ eingeladen hat, war ich super skeptisch, was Fernsehen angeht. Mein Eindruck war, dass die Sendungen halb gescripted waren, den Kandidaten Worte in den Mund gelegt und manche durchgeschoben wurden, weil sie interessant fürs Fernsehen sind. Dann haben wir aber zusammen gekocht und spätestens dann war das Ganze gegessen.

Tim Mälzer: Tim war schon immer einer der wenigen Köche, die polarisiert haben. Ich habe über niemanden mehr gelesen als über Tim Raue. Er war immer schon jemand, der für mehr stand als nur für Tellerkonstruktionen. Als wir uns getroffen haben, war einfach die Grundchemie da. Und das ist noch heute so.

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Redakteur Martin Henning (M) mit Tim Raue (l.) und Tim Mälzer (r.) 

Foto:

Martin Henning

Tim, du warst vor deiner Zeit als Koch in einer Berliner Straßengang – den 36 Boys. Was war schwerer: Die Kämpfe auf den Kreuzberger Straßen auszutragen oder in der Küche?

Tim Raue: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Aber das, was ich als Jugendlicher erlebt habe, hat mir das Rüstzeug für später gegeben. Als ich meine Ausbildung zum Koch begonnen habe, war es in der Küche tatsächlich noch so, dass du dir eine Ohrfeige einfangen konntest und Pfannen geschmissen wurden. Die Härte, die Ausnahmesituationen, die ich auf der Straße erlebt habe, habe ich in der Küche ähnlich erlebt und konnte sie viel besser handhaben. Die Erfahrungen auf der Straße haben aber auch absolute Nachteile gehabt. Ich war die ersten zehn Jahre als Chef ein Albtraum, weil ich mit dem Stress anders umgegangen bin als meine Mitarbeiter. Ich musste mühsam lernen, ein guter Chef zu werden.

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Es gibt wahnsinnig viele Kochsendungen im deutschen Fernsehen. Zu viele?

Tim Raue: Alles, was sich ums Essen und Kochen dreht, ist gerade in diesem Land, in dem Essen als Kulturgut gilt, enorm wichtig.

Tim Mälzer: Es ist wie in der Restaurant-Szene: Es gibt Italiener, Türken, Franzosen, Imbissbuden und Fine-Dine-Restaurants. Warum sollte ich ein einzelnes davon nicht haben wollen? Jeder hat seine Vorlieben. Das Schöne an unseren Kochsendungen ist, dass wir durch Kreativität glänzen und nicht durch das Vorführen anderer Leute.

Tim Raue: Bei „Kitchen Impossible“ geht es um das Scheitern im Leben. Du kochst die Gerichte nicht so gut wie der Originalkoch. Aber du begreifst: Das Leben besteht nicht nur aus Siegen. Und du wächst aus Niederlagen. Bei „Ready to Beef“ ist es so, dass wir die Besten unserer Branche feiern und zeigen, wie viel Liebe und Individualität im Kochen steckt.

Der Job als Koch muss wahnsinnig intensiv und kräftezehrend sein. Schon mal an dem Punkt gewesen, wo man gesagt hat: Es wird mir zu viel?

Tim Mälzer: Ich denke überhaupt nicht über das Aufgeben nach. Ich arbeite mit meinem Körper und der wird irgendwann seinen Tribut einfordern. Ich gehe jetzt auf die 50 zu und freue mich, dass ich nicht mehr jeden Tag körperlich hart arbeiten muss. Aber ich werde nie aufhören, denn das Kochen ist meine Leidenschaft.

Tim Raue: Frag mal einen Spitzensportler. Natürlich tut es weh. Erfolg bedeutet, dass du leiden kannst. Dass du in den Situationen, in denen andere flennen und die Schürze ausziehen, dir gegenüber der härteste bist, aber auch mit Liebe und Leidenschaft dafür einstehst. Aufgeben war noch nie eine Option für mich.

Der Sport ist ein gutes Beispiel. Es gibt genug Profisportler, die sich zu einem Zeitpunkt ihrer Karriere fragen: Wofür mache ich das Ganze hier überhaupt? Vor allem, wenn der Erfolg ausbleibt.

Tim Raue: Das sehe ich nicht so. Die Realität bei uns ist: Es gibt einen Fachkräftemangel. Vor zehn Jahren gab es 20.000 Koch-Azubis, dieses Jahr werden es vielleicht noch 4500 sein. Das bedeutet, dass wir jeden Tag um unsere Mitarbeiter kämpfen müssen. Und um unsere Gäste genauso. Es ist nicht so, dass wir 100 Gäste da haben und alle schreiben: „Fünf Sterne, ihr seid die geilsten!“ Jeden Tag gibt es auf die Fresse. Du musst lernen, zu ignorieren, dir und deinen Mitarbeitern zu vertrauen. Eine neue Sendung, das nächste Restaurant, Auszeichnungen – das sind Sekundenbruchteile. Die Realität sind jeden Tag hunderte Gäste, von denen der ein oder andere auch unglücklich ist und Mitarbeiter, die man begeistern muss. Das hört nie auf.

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Was imponiert euch am jeweils anderen und was könnt ihr nicht leiden?

Tim Raue: Er ist sehr impulsiv…

Tim Mälzer: Ist das jetzt das Gute oder das Schlechte?

Tim Raue: … und er lässt mich nicht ausreden (lacht). Was ich an ihm schätze, ist, dass er die Dinge aus dem Bauch heraus macht. Das kann sich aber auch negativ auswirken.

Tim Mälzer: Lustig. Die selbe positive und negative Eigenschaft habe ich auch bei dir.

Tim Raue: Das einzige, was mir auf den Sack geht, ist, wenn er sich solche Wichs-Aufgaben für mich aussucht. Obwohl er mir hoch und heilig geschworen hat, dass ich nie wieder in einer Show backen muss.

Tim Mälzer: Ich bewundere seinen Ehrgeiz extrem. Nicht den Ehrgeiz „Ich will gut in Geschichte sein“, sondern sich dem Leben zu stellen, sich aus der Komfortzone zu bewegen. Und mir geht sein Ehrgeiz und sein Hang zum Perfektionismus auf den Sack.

Tim Raue: Manchmal stört es ihn auch, wenn er sieht, was für ein Ergebnis ich mit dem Ehrgeiz erziele. (lacht hämisch)

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