x
x
x
  • Print wirkt: Trump hält feixend die „Freispruch“-Schlagzeile der von ihm gehassten „Washington Post“ hoch.
  • Foto: AP

Senat spricht Trump in allen Punkten frei: MOPO-Standpunkt: Der Sieg der Feigheit

Am 9. August 1974 entstand das berühmteste Foto von Richard Nixon. Mit einem verzerrten Lächeln reißt er beide Arme hoch, die Finger zum Victoryzeichen gespreizt. „Tricky Dick“, wie ihn nicht nur seine Gegner nannten, war gerade als Präsident der USA zurückgetreten und bestieg zum letzten Mal seinen Dienst-Helikopter „Marine One“. Es war ein erzwungener Rücktritt, mit dem Nixon verhinderte, dass er wegen seiner Verstrickung in den Watergate-Skandal aus dem Amt gejagt wurde. Aber vor allem war es ein großer Tag für die Demokratie. Denn Nixons Niederlage bewies: Gesetze gelten für alle. Auch für den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Der mächtigste Mann der Welt musste den Preis für den Schmutz an seinen Händen und das besudelte Amt zahlen.

Bei aller Entrüstung über die kriminelle Energie des skrupellosen Präsidenten: Es war Trost und Genugtuung, dass Nixon den Makel nie wieder loswurde. Er blieb bis zu seinem Lebensende der „Watergate-Präsident“. 46 Jahre später gelten andere Maßstäbe. 

Der „korrupteste Präsident in der modernen Geschichte der USA“ („New York Times“), der Politiker, der im Schnitt zwölf Mal am Tag lügt, der Staatschef, der sein Amt für jedermann offensichtlich zu seinem persönlichen Vorteil missbraucht hat – Donald J. Trump muss keinerlei Konsequenzen befürchten. Seine republikanische Partei steht geschlossen hinter ihm. Oder besser gesagt: Sie kniet vor ihm.

Devote Republikaner stellen ihrem korrupten Präsidenten  einen Freibrief aus

Die Republikaner haben den 45. Präsidenten der USA mit ihrer Mehrheit im Senat von allen Vorwürfen in dem Amtsenthebungsverfahren freigesprochen. Und zwar keineswegs, weil sie von seiner Unschuld überzeugt sind. Sie kennen ihn schließlich. Sondern aus Feigheit oder Kalkül. Mit Ausnahme von Mitt Romney wagt es keiner der republikanischen Senatoren, es sich mit dem Wüterich im Weißen Haus zu verscherzen. Keiner will sich mit der eigenen Basis anlegen, die den Pöbel-Präsidenten mehrheitlich fanatisch unterstützt. Oder riskieren, dass Trump sie mit ätzenden Tweets demütigt und ihre Karriere in Gefahr bringt.

5812738

Am 8. August 1974 verließ Richard Nixon das Weiße Haus mit Schimpf und Schande.

Foto:

dpa

Gerade einmal zwei Republikaner stimmten dafür, weitere Zeugen zur Ukraine-Affäre zu vernehmen. Der Rest kuschte und zuckte mit den Schultern. Nach dem Motto: Trump hat zwar seine privaten Interessen über die Außenpolitik des mächtigsten Landes der Welt gestellt, aber was soll’s, wir sprechen ihn ja sowieso frei. Wen interessieren da noch Einzelheiten? Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass die „Grand Old Party“, die Partei von Abraham Lincoln, die einst für die Abschaffung der Sklaverei kämpfte, jetzt einen gewissenlosen Rassisten im Weißen Haus unterstützt.

Im Fall einer Wahlniederlage Trumps dürften die Republikaner nach dieser moralischen Bankrotterklärung vor einer Zerreißprobe stehen. Selbst eine Spaltung der Partei wird von Experten für möglich gehalten. Doch Trumps Chancen auf eine Wiederwahl wurden zuletzt immer besser. Die Umfragen verheißen nichts Gutes. Der Zustand der Demokraten ebenfalls nicht. Und die „Washington Post“ stellte frustriert fest: Drei Jahre unter Trump hätten das Land abstumpfen lassen: „Wir haben unsere Fähigkeit verloren, geschockt zu sein.“

Trump wird zweite Amtszeit nutzen, um die USA noch radikaler zu verändern

So viel dürfte schon jetzt feststehen: Dieser Präsident wird eine zweite Amtszeit nutzen, um die USA noch radikaler zu verändern als bislang schon. Als Richter auf Lebenszeit wurden unter ihm vor allem Kandidaten aus der ultrarechten Ecke installiert, völlig unabhängig von ihrer Qualifikation. In den Ministerien sitzen schamlose Lobbyisten. Das Wahlrecht wurde von den Republikanern weiter verändert, selbstredend zu ihren Gunsten. Das System mit Wahlmännern, die den Bundesstaaten zugeordnet sind, aber nicht deren Bevölkerungszahl entsprechen, verzerrt schon lange das Wahlergebnis. Eine Stimme in Wyoming, das stets rechts wählt, hat 3,6 Mal mehr Gewicht als eine Stimme im liberalen Kalifornien. So reichte Trump bereits 2016 eine Minderheit der Wählerstimmen zum Sieg.

Trump wird versuchen, das Wahlrecht weiter einzuschränken, zugunsten von Weißen. Er wird das Justizsystem weiter aushöhlen, um sich und seinem Familienclan Vorteile zu verschaffen. Wie sehr das in seiner Natur liegt, hat er oft genug durch seine Kumpanei mit Autokraten gezeigt, die dieses System perfektioniert haben. Schon jetzt mischen sich Mitglieder des Trump-Clans, insbesondere seine Söhne, öffentlich in die Politik ein und verstören mit einem Auftreten, das vorher vorwiegend aus Ländern wie Aserbaidschan bekannt war.

Der Senat hat im Impeachment-Verfahren versagt, kläglich vor dem Möchtegern-Cäsar Trump kapituliert. Doch der Prozess gegen ihn fand öffentlich statt. Und so bleibt die Hoffnung, dass die Wähler sich ein eigenes Urteil gebildet haben über richtig und falsch. Sie haben immer noch das letzte Wort. Im November entscheiden sie darüber, ob der amerikanische Albtraum weitergeht.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp