• Victory-Zeichen: Bill Cosby nach seiner Haftentlassung.
  • Foto: picture alliance/dpa/AP | Matt Slocum

„Widerlich“: Das Cosby-Urteil und die heftigen Reaktionen

Bill Cosby ist 83 Jahre alt, wacklig auf den Beinen und fast blind. Aber als er die Fotografen sieht, reckt er kämpferisch den Arm nach oben und macht das Victory-Zeichen. Ja, für ihn ist es ein Sieg, dass er, der erste Verurteilte der #MeToo-Ära, aus dem Gefängnis entlassen wurde. Für die Frauen, die er missbraucht hat, und für Millionen andere ist es empörend, erschütternd und kaum zu fassen.

Das höchste Gericht im US-Bundesstaat Pennsylvania hat Cosbys Verurteilung wegen sexueller Nötigung jetzt gekippt – wegen eines Verfahrensfehlers. Und völlig überraschend wurde der US-Amerikaner umgehend aus seiner Zelle nach Hause entlassen.

„Er ist extrem glücklich, zu Hause zu sein und freut sich darauf, mit seiner Frau und seinen Kindern zusammen zu sein“, sagte seine Anwältin Jennifer Bonjean bei einer improvisierten Pressekonferenz auf Cosbys Anwesen. Ein anderer seiner Anwälte nannte Cosbys Zeit im Gefängnis fast schon zynisch einen „ungewollten dreijährigen Urlaub, um den Herr Cosby nie gebeten hatte“. Wirklich schlecht ging es dem Mann hinter Gittern also offenbar nicht. Auch Cosby selbst äußerte sich – und zeigte weiter kein Einsehen, keine Reue. „Ich habe weder meine Haltung noch meine Geschichte je geändert. Ich habe immer meine Unschuld beteuert“, schrieb er auf Twitter.

Bill Cosby: Haftentlassung sorgt für Empörung

Die plötzliche Haftentlassung sorgt weltweit für Entsetzen und Unverständnis. „Und diese Wut ist angebracht”, sagt Ceyda Keskin vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland, im Gespräch mit der MOPO. „Es zeigt die gesellschaftlichen Machtverhältnisse: Bill Cosby ist reich, er hat seine Position ausgespielt – und ist damit durchgekommen.“

Die Expertin weiß: „Für Frauen ist es schambesetzt, zuzugeben, dass sie Opfer von Gewalt geworden sind, sie denken oft, es wäre ihre Schuld oder es würde sowieso nichts ändern, wenn sie den Täter anzeigen.“  Und genau diesen Eindruck bestärkt auch das Cosby-Urteil. Keskin dazu: „Es wäre gut, wenn die weltweite Empörung, die jetzt herrscht, dazu führt, dass die herrschenden Machtstrukturen weiter hinterfragt werden – und es endlich ein Umdenken gibt.“

Doch wie kam es überhaupt zu der kurzfristigen Freilassung? Die Richter begründen ihre Entscheidung in einer 80-seitigen Stellungnahme mit einer alten Vereinbarung: Wegen des Deals eines früher mit dem Fall befassten Staatsanwalts hätte Cosby in dieser Sache gar nicht erst angeklagt werden dürfen, hieß es. Der Prozess darf auch nicht noch einmal aufgerollt werden.

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Bei der letzten Anklage 2015 hatte die Staatsanwaltschaft nämlich Aussagen Cosbys in einem Zivilverfahren zitiert, in denen er zugegeben hatte, dem Opfer Andrea Constand vor dem Geschlechtsverkehr Betäubungsmittel gegeben zu haben. Cosby sagte auch, einer anderen Frau sogenannte Quaaludes gegeben zu haben, bevor sie in den 70ern Sex hatten. Diese Aussagen machte er aber nur, weil ihm versprochen worden war, dass er dafür nicht weiter verfolgt werden würde.

Seine Opfer dagegen werden ihr Leben lang verfolgt: Von Erinnerungen und Traumata. „Ich bin wütend, diese Nachricht zu hören. Ich kenne persönlich Frauen, die dieser Mann mit Drogen bewusstlos gemacht und vergewaltigt hat. Schande über das Gericht für diese Entscheidung“, kommentierte die Schauspielerin Amber Tamblyn auf Twitter. Ihre Kollegin Rosanna Arquette nannte die Entscheidung „widerlich“.

Aber es gibt auch andere Reaktionen: Phylicia Rashad, die Cosbys Frau in der Cosby-Show spielte, reagierte dagegen erfreut: „Ein schreckliches Unrecht wurde korrigiert!!!“, twitterte sie.

Bill Cosby war einer der erfolgreichsten Entertainer der USA

Cosby wurde in den USA jahrzehntelang als „America’s Dad“ verehrt. Mit seiner Rolle als liebenswürdiger Arzt und Familienvater Cliff Huxtable in der „Bill Cosby Show“ wurde er zu einem der beliebtesten Schauspieler. Und einem der reichsten: Mehr als 350 Millionen Dollar hat er während seiner Karriere verdient, seine Show lief von 1984 bis 1992.

Privat war Cosby alles andere als ein charmant-liebenswürdiger Mann: Mehr als 60 Frauen hatten ihm sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Im Prozess ging es allerdings nur um einen einzigen Fall aus dem Jahr 2004 – die anderen waren da schon verjährt. Die Jury sah es als erwiesen an, dass Cosby eine Frau mit Tabletten hilflos gemacht und sexuell genötigt hatte.

Cosby saß seit September 2018 als Häftling „NN7687“ im „SCI Phoenix“-Gefängnis in Pennsylvania – als einer von rund 2400 Insassen. Seine Tage verbrachte er mit Sport und „Ansprachen an die Mitinsassen“, so sein Sprecher. Darauf, was seine Opfer ihm zu sagen haben, wird Cosby wohl auch für den Rest seines Lebens nicht hören.

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