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  • Foto: Wim Jansen

Rettung vom Star-Koch für das Silvester-Dinner

Jetzt habe ich den Salat. Es ist kurz vor Silvester und ich habe zum Jahreswechsel Küchendienst. Anni hat Weihnachten groß aufgefahren und da will ich natürlich mithalten. Doch einfach nur Kaviar und Champagner aufzutischen, das wäre, naja nicht gerade günstig, aber doch zu billig. Also greife ich zum Telefon, denn hier muss ein Profi ran. Es klingelt. Und klingelt. Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn. Dann die rettende Stimme: „Juhnke.“ Am anderen Ende der Leitung spricht mein Lieblingskoch. Einer, der weltweit in Sachen Kulinarik wirklich etwas bewegt hat. Der den grünen Michelin-Stern trägt, weil Regionalität, Saisonalität und der nachhaltige Umgang mit Lebensmitteln keine Marketingmaßnahmen, sondern die drei Gebote meines Küchengottes sind: Björn Juhnke.

Schon kurz nach meinem Anruf stehe ich in der Küche seines Restaurants HACO, wo er an der Ecke Clemens-Schulz-Straße und Rendsburger Straße seit 2017 eine der für mich besten Küchen der Welt serviert. Mich erfreut dabei nicht nur das fantastische Essen und die feine Auswahl von Winzer-Champagner, sondern auch die Tatsache, dass die einstige kulinarische Vielfalt und Hochkultur auf St. Pauli durch Björn Juhnke eine Renaissance erfährt. Nach weltweit renommierten Stationen in großen Häusern hätte sich der Koch seinen Job aussuchen können – doch er entschied sich, seinen ersten eigenen Laden auf St. Pauli zu eröffnen.

Lobster gehört zu den Hummerartigen

Genau da stehe ich jetzt, in der zum Gastraum offenen Küche. „Salat“, sagt Björn. „Gutes Stichwort. Anni liebt doch Kartoffelsalat – und genau den machen wir jetzt. Und zwar so richtig lecker.“ Ich lerne: La Ratte ist eine Kartoffelsorte, Schalotte kein Mädchenname und Mayonnaise lässt sich tatsächlich ganz einfach selber machen. Während wir so in der Küche stehen und ich die Mayo hochziehe, wie der Fachmann sagt, und meiner hausgemachten Sauce einen Hauch Rapsöl für die nussige Note hinzufüge, blicken Björn und ich durch die großen Fenster auf die Straße. „Warum gerade hier?“, frage ich ihn. „Weil ich diesen Kontrast so liebe. Ich mag es, dass unser Restaurant Teil der lebendigen Welt und nicht von ihr abgetrennt ist. Gleichzeitig ist hier ein Ort zum Runterkommen, Entspannen und Genießen. Aber eben mittendrin“, sagt Björn, verschwindet kurz und kehrt mit rötlich schimmerndem Seafood zurück. „Hummer?“, frage ich. „Nein. Lobster“, erklärt der Sternekoch und ich lerne schon wieder etwas: Neben Hummer oder Kaisergranat ist der Lobster einer von 56 Arten der Hummerartigen.

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Während die La Ratte-Kartoffeln abkühlen, bevor wir sie zu Kartoffelsalat verarbeiten können, bereiten wir also noch eine kleine Überraschung für Anni zu: Lobster-Salat. Wichtigste Zutat: Champagner. Der muss vor der Zubereitung in den Koch gegossen werden. Und weil wir schon dabei sind, öffnet Björn eine Dose Sirbiskaya-Kaviar: „Hand her“, sagt er und platziert einen ordentlichen Löffel davon auf meinen Daumengrundgelenk. Das ist die Tequila-Luxusvariante: Erst lutscht man den Kaviar von der Hand und nimmt dann einen Schluck Champagner.

Auf St. Pauli gab es Silvester häufig Kaviar

Ich fühle mich in meine Kindheit auf St. Pauli zurückversetzt. Zuhause gab’s Kartoffelsalat von meinem Onkel, der den Speck in Mikrowürfel schnitt, mit deftiger Mayonnaise und in den guten Etablissements Kaviar, direkt von unter der Ladentheke von Bernie Fick. Der hat in seiner gleichnamigen Kneipe, die später Domenica übernommen hat, mehr verschobenen Fisch verkauft als der Fischmarkt selbst. Ich erinnere auch die Silvesterabende in unserem Hotel, an denen alle in Abendgarderobe kamen und feiner Kaviar, leckerer Jahrgangschampagner und Berliner serviert wurden. Wo nicht selten prominente Gäste wie Rudi Carell mitgefeiert haben.

Wim Jansen
Kaviar war auf St. Pauli fester Teil eines gelungenen Silvesters.
Michel Ruge mag Kaviar – nicht nur an Silvester.

Das HACO ist auch so ein besonderer Ort, der Vielfalt erlaubt. Hier kann man ebenso im Smoking wie in Jeans und T-Shirt sitzen. „Hier zählt der Genuss“, sagt Björn Juhnke. „Und den zelebriert jeder Gast so wie er es wünscht. Deshalb machen wir kein großes Tamtam und keinen Zirkus, sondern lassen den Menschen Raum für ihr ganz eigenes Genusserlebnis.“ Ich bin beeindruckt. Dieser stattliche Kerl hat richtig was hingestellt und hält dabei nicht ständig sein Gesicht in jede Kamera, obwohl er auch hier locker aufschlagen würde. Björn Juhnke –  ein echter Star-Koch. Nicht nur, weil sein Restaurant auf St. Pauli einen Stern trägt, sondern weil er seine Gerichte mehr feiert als sich selbst. Ich bin überzeugt, dass Anni mich heute Abend für diese zwei Salate feiern wird. Und damit Euer Silvester ebenso schön wie unseres wird, gibt es in diesem Artikel die Rezepte von Juhnke für Ihr perfektes Silvester-Dinner.

Zu den Autoren: Der Bestseller-Autor Michel Ruge („Bordsteinkönig – meine wilde Jugend auf St. Pauli) und seine Frau, die Journalistin und Lyrikerin Annika Ruge, leben und arbeiten im Herzen von St. Pauli. Auf der Suche nach interessanten Menschen, spannenden Orten und außergewöhnlichen Geschichten streifen sie durch unsere schöne Stadt. Was sie dabei erleben, darüber schreiben sie für die MOPO am Wochenende. Dieser Text ist zuvor in der Printausgabe erschienen.

Kartoffelsalat, der nicht nur Anni schmeckt

Zutaten:

1 kg kleine festkochende Kartoffeln
1 Suppenbund (wobei hier 2 Karotten reichen)
1 Bund Schnittlauch
4 Schalotten
1 kleines Glas Gewürzgurken
4 hart gekochte Eier
Salz, Pfeffer
1 TL Kümmelsaat
2 Lorbeerblätter

Mayonnaise

Zutaten:

2 Eigelb
1 TL Senf
100g Pflanzenöl
100g gutes Rapsöl
Spritzer Zitronensaft
Salz, Zucker

Zubereitung Salat:

Kartoffeln und Gemüse waschen und mit Schale in reichlich Salzwasser mit Kümmelsaat und Lorbeer 25 Minuten kochen, abgießen, ausdämpfen und auf Zimmertemperatur abkühlen lassen. Kartoffeln schälen und in Scheiben schneiden. Gemüse schälen und mit den Gewürzgurken in kleine Würfel schneiden; den Gurkensud aufbewahren. Schnittlauch in feine Röllchen schneiden. Schalotten fein würfeln und in der Pfanne mit einem Spritzer Rapsöl glasig dünsten. Alle Zutaten mit der Mayonnaise vermengen und gegebenenfalls ein wenig Gewürzgurkensud dazugeben. Gekochte Eier kleinschneiden und hinzufügen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Zubereitung Mayonnaise:

Eigelb und Senf verrühren. Pflanzen- und Rapsöl langsam einlaufen lassen und dabei stetig rühren, sodass eine Emulsion entsteht. Mit Salz, Zucker und Zitronensaft abschmecken.

Dazu passen am besten Würstchen vom Metzger des Vertrauens.

Rezept Lobster-Salat:

Zutaten:

1 Hummer (500-800g) vorzugsweise Europäischer Hummer
1 Suppenbund
1 Schalotte
1 kleines Stück frischer Meerrettich
1 Orange
1 Bund Dill
1 Fenchelknolle
2 Eigelb
200ml Pflanzenöl
Salz
2 Schuss Cognac (1 für die Mayo, 1 für den Koch)
Messerspitze Ketchup

Zubereitung:

Dill zupfen, Spitzen fein schneiden und beiseite stellen. Die Stiele werden aufbewahrt. Suppenbund grob schneiden und zusammen mit den Dillstielen in einem großen Topf Wassereinen Sud kochen. Den Hummer bei stark kochenden Sud, Kopfüber in den kochenden Sud geben und bei geschlossenem Deckel für fünf Minuten kochen lassen. In der Zwischenzeit das Waschbecken mit kaltem Wasser volllaufen lassen. Den Hummer nach fünf Minuten mit der Schaumkelle aus dem Sud nehmen und abschrecken. Nun die Mayo zubereiten (siehe oben). Zusätzlich kommt hier noch Ketchup, Congac und Orangensaft rein. Gemisch glattrühren und mit einer Prise Salz abschmecken. Das Fleisch des Hummers aus den Schalen befreien und in Würfel schneiden. Die Fenchelknolle in feine Scheiben schneiden, Hummer samt Congac-Mayo und Dillspitzen vermengen und mit dem Fenchelsalat anrichten. Dazu passt geröstetes Brot.

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