Komplett am Ende: Warum deutsche Millionen-Influencer jetzt YouTube verlassen
„Ich weiß nicht mehr, wer ich bin“: Mit diesen Worten beginnt das neuste Video auf dem YouTube-Kanal von Super-Influencer Josef Buchholz aka Joey’s Jungle. Es ist sein letztes, denn der 26-Jährige verkündet darin seinen Abschied von der Plattform – obwohl er damit seinen Lebensunterhalt verdient. Mit dem Rückzug ist er nicht allein, auch andere YouTuber geben derzeit ihre Kanäle auf – trotz Millionen-Followerschaften. Was steckt hinter dem Kollektiv-Exodus?
Der Blick ist traurig, die Szenerie melancholisch, die Stimme kommt aus dem Off: Mit einem emotionalen Video hat YouTuber Joey’s Jungle kurz nach Neujahr seinen Rückzug aus der Öffentlichkeit angekündigt. In dem gut fünf Minuten langen Clip steht er am Strand und schaut anscheinend niedergeschlagen in die Kamera, stellenweise wirkt es, als müsse er sich Tränen verkneifen.
Joey’s Jungle: „Ich weiß nicht mehr, wer ich bin“
„Ich weiß nicht mehr, wer ich bin“: Mit diesen Worten beginnt das neuste Video auf dem YouTube-Kanal von Super-Influencer Josef Buchholz aka Joey’s Jungle. Es ist sein letztes, denn der 26-Jährige verkündet darin seinen Abschied von der Plattform – obwohl er damit seinen Lebensunterhalt verdient. Mit dem Rückzug ist er nicht allein, auch andere YouTuber geben derzeit ihre Kanäle auf – trotz Millionen-Followerschaften. Was steckt hinter dem Kollektiv-Exodus?
Der Blick ist traurig, die Szenerie melancholisch, die Stimme kommt aus dem Off: Mit einem emotionalen Video hat YouTuber Joey’s Jungle kurz nach Neujahr seinen Rückzug aus der Öffentlichkeit angekündigt. In dem gut fünf Minuten langen Clip steht er am Strand und schaut anscheinend niedergeschlagen in die Kamera, stellenweise wirkt es, als müsse er sich Tränen verkneifen.
Joey’s Jungle: „Ich weiß nicht mehr, wer ich bin“
In der Tat ist das, was Josef Buchholz, so sein bürgerlicher Name, zu den Bildern sagt, wenig positiv. „Ich weiß nicht mehr, wer ich bin, wer ich sein will und wer ich war“, schildert der 26-Jährige. Das Video trägt den kurzen Titel „Ende“.
Nichts, was er tue, fühle sich derzeit so an, als ob er es tun wolle, schildert Buchholz. Er habe das Gefühl, sein Körper sei „von tausend Stimmen eingenommen“, die ihm erklärten, was für ihn gut und richtig sei, „damit ich so lebe, wie ich leben soll.“ Er habe sich, so der 26-Jährige weiter, „verloren auf dem Weg, mich zu finden. Bei dem Versuch herauszufinden, wer ich sein kann, habe ich die wichtigste Frage überhaupt vergessen: ,Will ich dieser jemand auch sein?‘“
YouTube-Influencer: Follower bedeuten Kohle
Tatsächlich ist Buchholz einer der erfolgreichsten deutschen Influencer. Auf YouTube folgen seinem Kanal fast zwei Millionen Menschen. Sie sehen zu, wie der Kölner „die dümmsten Amazon-Produkte“ testet, Kuchen backt oder eine riesige Schokoladentafel verspeist. Aber Buchholz macht nicht nur Blödelkram: Für Aufsehen sorgte jüngst auch ein Video, in dem er sich als schwul outet und über Homosexualität spricht.
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Das Ganze ist ein handfestes Business: Unter anderem mit der Werbung, die YouTube vor und während Buchholz‘ Videos ausspielt, verdient der junge Mann jede Menge Geld. Wie viel genau, ist öffentlich nicht bekannt. In Branchenkreisen geht man davon aus, dass Influencer etwa zehn bis 20 Cent pro YouTube-Abonnent pro Jahr verdienen – im Fall von Joey’s Jungle wären das also wohl zwischen 200.000 und 400.000 Euro pro Jahr, die er nur mit YouTube-Filmen verdient. Doch Buchholz ist auch auf anderen Plattformen aktiv, hat etwa auf Instagram ebenfalls knapp eine Million Follower und macht dort zum Beispiel bezahlte Werbung für Google-Handys.
Warum gibt man freiwillig so eine Reichweite und die damit verbundenen Einnahmen auf? Hat der YouTuber bloß eine Sinnkrise? Oder steckt mehr dahinter?
Auch andere Influencer verabschieden sich von Youtube
Buchholz ist nicht der einzige, der YouTube und Co. den Rücken kehrt. Auch Melina Sophie Baumann, eine der erfolgreichsten Influencerinnen der Video-Plattform, hat kürzlich ihren Abschied von selbiger erklärt. Kurz vor Silvester lud sie einen Clip hoch, in dem sie ihren gut 1,8 Millionen Fans ihren „Austritt aus der Öffentlichkeit“ erklärt.
Sie habe schon länger mental zu kämpfen gehabt, erzählt die 26-Jährige. Jetzt sei sie „endlich an einen Punkt gekommen, an dem ich mich wohlfühle, an dem ich zufrieden bin.“ Die Entscheidung, die Öffentlichkeit zu verlassen, sei ein entscheidender Punkt „auf dem Weg der Genesung“ gewesen, so Baumann weiter. Ihr Rat an ihre Fans: „Nutzt Social Media portioniert und mit Vorsicht.“
Zur selben Zeit wie Baumann beendete auch Jonas Ems alias JONAS seine bisherige Karriere als YouTube-Witzbold. „Das Ende dieses Kanals“ heißt der Clip, in dem der 25-Jährige vor seinen 2,75 Millionen Fans zugibt, dass er sich mit seiner Vergangenheit mittlerweile nicht mehr identifizieren kann. „Vieles davon war einfach zu heftig.“
Als Beispiel nennt der Influencer ein Video, in dem er seiner Freundin vorspielt, er würde mit ihr Schluss machen: „Man macht seine Freundin traurig für ein paar Klicks.“ Er habe von Kollegen und Fans oft Gegenwind für seine Inhalte bekommen. „Das hat wirklich an mir genagt. Jeder YouTuber (…), der behauptet, dass man in all den Jahren lernt, mit dem Hate umzugehen und sich nicht jucken zu lassen, der lügt.“ Doch nicht nur der Hass sei schlimm: „Was einen genauso runterzieht, ist der krasse Zahlendruck.“ Die Jagd nach Klicks und Likes mache einen „wahnsinnig“, treibe einem „Gedanken in den Kopf, die jenseits von Gut und Böse sind“.
Rezo: „Dass Leute sich über Likes definieren, ist ja keine Krankheit von YouTubern“
Buchholz‘ „Ende“ und der Abschied weiterer Kollegen zieht derzeit weite Kreise – denn das alles wirft ein Schlaglicht auf eine Szene, die nach außen immer fröhlich, gutbezahlt und sorglos wirkt, aber ihre Akteure auch fertigmachen kann. Davon berichtet auch ein Kollege und Freund von Buchholz, der bekannte YouTuber Rezo. „Ich weiß dass Joey schon so lange struggle (dt. Probleme – Red.) hat“, so Rezo in einer Reaktion auf das „Ende“-Video.
Damit sei Buchholz aber nicht allein: „Das ist bei so vielen Leuten in der Szene so, dass es ähnliche Belastungsschemen gibt.“ Rezo erklärt: „Wenn zehn Leute dir sagen, dass du scheiße bist, oder zehn Leute dir sagen, dass du geil bist, das ist dann schon krass.“ Bei Influencern seien es aber jeden Tag hunderte Menschen, die einem so etwas sagten. „Und das ist nur ein Teilaspekt.“
Auch die Business-Seite sei belastend: „Alleine selbstständig zu sein, ist psychisch sauanstrengend. Selbstständig zu sein mit quantifizierbaren Ergebnissen über alles, was du tust, ist nochmal eine Steigerung. Bei den wenigsten Jobs ist jede Handlung, die du tust, exakt in Zahlen messbar.“ Auf YouTube aber schon – und das mache etwas mit einem, so Rezo.
Er selbst komme „verhältnismäßig gut klar damit. Das liegt zum großen Teil daran, dass ich auch erst relativ spät in die YouTube-Szene gestolpert bin. Ich bin ja nicht mit 17, 18, 19 YouTuber geworden, sondern mit Mitte 20.“ Da sei er schon „an einem anderen Punkt in meinem Leben“ gewesen. Rezo weiter: „Wäre ich mit 18 YouTuber geworden, hätte ich mit 18 Erfolg auf YouTube gehabt, könntest du mich einweisen. Ohne Witz.“
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Der YouTuber führt weiter aus: „Das, was Joey da schildert, dieser unglaubliche Leistungsdruck, dass dein Leben definiert ist über das, was du leistest, über das, was du schaffst, das, was du lieferst – ich glaube, das ist etwas, was unglaublich viele Leute empfinden.“ Und das gehe über die Influencerwelt weit hinaus: „Dass Leute sich über Likes definieren, ist ja keine Krankheit von YouTubern, sondern eine Krankheit von mittlerweile jedem.“