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  • Omid Nouripour (Grüne, v.l.), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) wollten vor allem Einigkeit beweisen – nun hagelt‘s Kritik.
  • Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Wuchtig oder wolkig? Viele offene Fragen beim Entlastungspaket

65 Milliarden Euro für Entlastungen – das klingt allein vom Volumen her schon beeindruckend. Entsprechend zufrieden zeigten sich die Koalitionäre bei der Vorstellung des Pakets. Jedoch: Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Etliche Fragen scheinen ungeklärt, viele Probleme bleiben.

„Deutschland steht zusammen“ steht über dem Entlastungspaket Nummer drei. SPD, Grüne, FDP: Alle Ampelpartner sind überzeugt, verteidigen die Maßnahmen gegen Kritik. Allen voran Finanzminister Christian Lindner: Entscheidend sei das Ergebnis, „und ich denke, das überzeugt“, so der FDP-Chef in den ARD-Tagesthemen.

Sowohl Lindner als auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatten mehrfach von einem „wuchtigen“ Paket gesprochen. Die „taz“ kommentierte leicht hämisch: Es sei sowohl wuchtig, als auch wolkig. Ähnlich argumentierten einige Länderchefs, die Opposition von links bis rechts, Sozialverbände und Vertreter von Handwerk und Industrie. Fünf der problematischsten Themenfelder:

Die Länder-Mitsprache

Zwei Bundesländer pochen auf Mitsprache: Die Regierungschefs von NRW und Baden-Württemberg, Hendrik Wüst (CDU) und Winfried Kretschmann (Grüne), forderten eine baldige Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Olaf Scholz (SPD).

Das Entlastungspaket habe massive Auswirkungen auf die Länderhaushalte, so Kretschmann. Deswegen müssten die Länder darüber dringend mit dem Bund sprechen. Wüst, aktuell Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern: „Wenn die Länder mit bezahlen sollen, müssen sie auch mit entscheiden können.“

Das Problem mit den „Zufallsgewinnen“

Noch dramatischer wird‘s, schaut man sich die nächsthöhere Ebene an, von der der Ampel-Plan abhängt. Nicht nur die Länder sind entscheidend, sondern auch die EU, besonders bei den sogenannten „Zufallsgewinnen“ der Stromkonzerne, die nun abgeschöpft werden sollen.

Nun will die Bundesregierung erstmal abwarten, inwieweit die EU in den Strommarkt selbst eingreifen will, bevor sie einen Alleingang wagt. Wann das wäre – steht in den Sternen. Und ob so ein Alleingang in einem vernetzten europäischen Markt möglich wäre – ebenso.

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Besonders spannend: Wie schwammig die Formulierungen sind, wie sehr herumlaviert wurde, damit ja nicht der Eindruck entsteht, die Ampel plane eine Übergewinnsteuer. „Zufallsgewinne“ der Energiekonzerne sollen nun abgeschöpft werden, wenn sie im Windschatten der Gaspreisentwicklung ebenfalls höhere Preise erzielen. Das Ganze sei ein „energiepolitisches“ Instrument, kein steuerliches, so Lindner, der stets auch rechtliche Probleme bei einer Übergewinnsteuer sah.

Das Ergebnis: Gas- und Ölkonzerne können weiter Gewinne einstreichen, obwohl auch sie durch den Krieg teils Einnahmen einstreichen wie seit langem nicht. Christian Görke (Linke) kritisierte: „Die Gewinne mit Kraftstoffen und Gas bleiben auch in Zukunft gänzlich außen vor.“

Keine Gas-Entlastung

Nicht nur fehlen die Gas-Konzerne bei der Gewinnabschöpfung, ob man die nun Übergewinne oder Zufallsgewinne nennt. Es fehlt auch ein wirksames Instrument, die Gaspreise zu deckeln, so die vielfach geäußerte Kritik.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte: „Notwendige Maßnahmen gegen die Energiepreisexplosion bleiben ungelöst.“ Es gebe „keine Entscheidung zum Weiterbetrieb der Kernkraftwerke, keine Entscheidung zur Reduzierung der Gaspreise, keine Entscheidung zum Stopp der Gasumlage, keine Klarheit bei der Dämpfung der Energiekosten, weder an der Zapfsäule noch beim Gas, noch beim Strom“.

Auch Christian Görke von der Linken fürchtet, die Einmalzahlungen würden „allein für die Inflation bei Lebensmitteln“ draufgehen und „zum Beispiel die Explosion der Gaskosten nicht annähernd kompensieren können“.

Die Klima-Blindheit

Auch in Sachen Klimaschutz hagelt es Kritik: Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nannte das Aussetzen der Anpassung des CO2-Preises ein „katastrophales Signal für den Klimaschutz“. Die Ampel plant, die entsprechenden Erhöhungen um ein Jahr zu verschieben. Auch Umweltverbände wie der WWF reagierten entsetzt auf diese Ankündigung.

Klimaschutzgruppen kritisierten vor allem, dass etwa Ökostrom-Anbietern die „Zufallsgewinne“ abgezogen werden, gleichzeitig aber Gas- und Ölkonzerne außen vor blieben. Auf Gaspreise gelte gar plötzlich der verminderte Mehrwertsteuer-Satz von sieben Prozent. Fridays for Future Hamburg schrieb: „In Sachen Klimaschutz ist das neue Entlastungspaket leider ein Vollversagen.“

Gießkannen-Prinzip

Der häufigste Vorwurf und zugleich das komplexeste Feld, weil es etliche Unterpunkte des Pakets betrifft: Es herrsche das Prinzip Gießkanne. Clemens Fuest etwa, der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo), sagte der „Bild“, die Unterstützungen seien zu wenig zielgenau: „Hier ist man teils mit der Gießkanne unterwegs.“ Die Entlastung bei den Strompreisen etwa komme auch Haushalten mit höheren Einkommen zu Gute, die die Strompreise selbst tragen könnten. Dass Rentner:innen und Studierende diesmal berücksichtigt werden: prinzipiell gut, aber brauchen es alle?

Auch DIW-Chef Fratzscher kritisierte: Menschen in der Mittelschicht und mit geringeren Einkommen würden nicht zielgerichtet unterstützt. Besserverdiener bekämen unter dem Strich den größten Teil.

Auch neben diesen fünf großen Punkten gab es weitere Kritik und offene Fragen. Etwa zu Sinn und Unsinn der steuerfreien Sonderzahlungen, die nur einige Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern weitergeben werden. CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte, stellvertretend für Vertreter von Handel, Handwerk und Industrie:  „Ich glaube, dass die deutsche Wirtschaft sich in den nächsten Tagen massiv beklagen wird darüber, dass an sie nicht gedacht wird.“

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