Scholz & Co. bringen der Ukraine Gastgeschenke mit – und draußen heulten die Sirenen
Am Ende dauerte es 113 Tage ab Kriegsbeginn, bis Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Kiew reiste. Zusammen mit drei anderen Staatsmännern, die teils auch lange zögerten. Im Vorfeld war spekuliert worden: Was bringen Scholz & Co. der Ukraine als Gastgeschenk mit? Nun ist klar: Das Land soll schon bald EU-Beitrittskandidat werden. Und das, obwohl gerade der Kanzler und der ebenfalls angereiste französische Präsident sich lange zögerlich dazu geäußert hatten.
Kanzler Scholz und Präsident Emanuel Macron haben sich damit erstmals dafür stark gemacht, dass die Ukraine Beitrittskandidat werden soll. Scholz sagte bei seinem lang erwarteten Besuch in Kiew: „Meine Kollegen und ich sind heute hier nach Kiew gekommen mit einer klaren Botschaft: Die Ukraine gehört zur europäischen Familie.“
Macron ergänzte: „Auf jeden Fall unterstützen wir den Beitrittsstatus der Ukraine zur Europäischen Union.“ Neben Macron begleiteten auch Italiens Ministerpräsident Mario Draghi und der rumänische Präsident Klaus Iohannis den Bundeskanzler bei diesem Solidaritätsbesuch. Beide sprachen sich ebenfalls für den Kandidatenstatus aus.
Scholz: Keine Zusage für neue Waffenlieferungen
Scholz machte indes keine konkreten Zusagen für weitere Waffenlieferungen, als die ohnehin schon vereinbarten. „Wir unterstützen die Ukraine auch mit der Lieferung von Waffen, und wir werden das weiterhin tun, solange die Ukraine unsere Unterstützung benötigt“, sagte er.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte das klare Bekenntnis seiner Gäste: „Der EU-Kandidatenstatus könnte eine historische Entscheidung für Europa sein.“ Die Ukraine hatte kurz nach dem Angriff Russlands am 24. Februar einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt.
Selenskyj: „Das ganze deutsche Volk unterstützt die Ukraine“
Scholz, Macron und Draghi waren gemeinsam über Nacht mit dem Zug angereist. Iohannis hatte eine andere Reiseroute gewählt. Selenskyj würdigte den Besuch von Scholz. Es würden Waffen geliefert, auch die gewünschten. „Hier hilft uns Deutschland sehr“, sagte er. „Ja, ich bin überzeugt, dass das ganze deutsche Volk die Ukraine unterstützt.“
Es wird erwartet, das die EU-Kommission in Brüssel heute den Vorschlag machen wird, der Ukraine eine klare Beitrittsperspektive zu geben. Die EU-Staats- und Regierungschefs werden dann schon in der kommenden Woche auf ihrem Gipfel (23./24. Juni) darüber beraten.

Die Entscheidung, ob die Ukraine Beitrittskandidat wird, muss einstimmig getroffen werden. Beitrittsverhandlungen sind kompliziert und dauern in der Regel Jahre.
Scholz machte sich zudem dafür stark, neben der Ukraine auch der kleinen Nachbarrepublik Moldau den Status von EU-Beitrittskandidaten zuzusprechen. „Deutschland ist für eine positive Entscheidung zugunsten der Ukraine. Das gilt auch für die Republik Moldau“, sagte er. Und: Auch die Westbalkan-Staaten, die schon länger um Aufnahme bitten, sollten näher an die EU rücken, so Scholz.
Luftalarm während des Staatsbesuchs
Kurz nach der Ankunft des Quartetts wurde in der ukrainischen Hauptstadt Luftalarm ausgelöst, der nach gut 30 Minuten wieder aufgehoben wurde. Auch am Nachmittag beim Treffen mit Selenskyj heulten die Sirenen.
Nach ihrer Ankunft besuchten die Staatsmänner den teils zerstörten Kiewer Vorort Irpin. Ähnlich wie im benachbarten Butscha waren dort nach dem Rückzug der Russen Ende März knapp 300 teils hingerichtete Zivilisten gefunden worden. Scholz verurteilte die „Brutalität“ des russischen Angriffskriegs und sprach von sinnloser Gewalt.
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In einer ersten Reaktion redete Russlands früherer Präsident Dmitri Medwedew den Besuch klein. Die Politiker müssten mit dem Zug reisen wie vor 100 Jahren und stellten der Ukraine eine EU-Mitgliedschaft und „alte Haubitzen“ in Aussicht, so Medwedew.
Der Kanzler hat stets betont, dass er nur nach Kiew reisen werde, wenn es konkrete Dinge zu besprechen gebe. Diese Vorgabe wurde nun zumindest teilweise erfüllt. (km/dpa)
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