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Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD), spricht mit Sven Rump, Bundeswehr Kommandeur der „Gazelle“-Einheit.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD), spricht mit Sven Rump, Bundeswehr-Kommandeur der „Gazelle“-Einheit.
  • Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Was macht der Kanzler bei den Kampfschwimmern – in der Wüste?

Was haben Kampfschwimmer eigentlich in der Wüste zu suchen? Kanzler Scholz bekommt bei der Bundeswehr im Niger eine Antwort darauf. Das Signal seines ersten Truppenbesuchs im Ausland: Es gibt neben dem Ukraine-Krieg noch andere Krisen, um die man sich kümmern muss.

Washington und Tokio, Brüssel und Paris, Moskau und Kiew. Bundeskanzler Olaf Scholz ist im ersten halben Jahr seiner Amtszeit durch Präsidentenpaläste und Regierungsgebäude in mehr als einem Dutzend Hauptstädte geschleust worden. Am Montag steht mal was ganz anderes auf seinem Reiseprogramm: Wüste, Staub, Stacheldraht, gepanzerte Fahrzeuge, vermummte Soldaten in Flecktarn und voller Kampfmontur.

Am Montagmorgen landet der Kanzler mit einem Militärtransporter vom Typ A400M auf einer Sandpiste des Bundeswehr-Feldlagers Tillia. Niamey, die Hauptstadt des westafrikanischen Niger, eines der ärmsten Länder der Welt, ist eine Flugstunde entfernt. Die Grenze zu dem von islamistischen Gruppen besonders stark terrorisierten Mali liegt 80 Kilometer westlich. Es ist eine der gefährlichsten Regionen der Welt.

Scholz fliegt erstmals mit dem A400M – im Cockpit

Scholz betritt an diesem Tag in vielerlei Hinsicht Neuland. Den A400M hat er zwar als Erster Bürgermeister von Hamburg, Produktionsstandort des Herstellers Airbus, schon von innen gesehen. Nun fliegt er aber zum ersten mal mit dem Militärtransporter – gleich im Cockpit.

Es ist auch sein erster Truppenbesuch im Ausland als Kanzler. Und auf dem afrikanischen Kontinent ist er auch ein ziemlicher Neuling. Vor fast 30 Jahren hat er zwar mal den legendären Kilimandscharo in Tansania bestiegen. Das war’s dann aber auch schon. Dienstlich war Scholz vor seiner jetzigen Reise nach Senegal, Niger und Südafrika noch nie in Afrika.

Bundeskanzler Olaf Scholzin einem Transportflugzeug der Bundeswehr. picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Bundeskanzler Olaf Scholzin einem Transportflugzeug der Bundeswehr.
Bundeskanzler Olaf Scholzin einem Transportflugzeug der Bundeswehr.

Im blauen Polo-Hemd und heller Hose steigt er aus der grauen Maschine mit dem Schriftzug „Luftwaffe“, begrüßt neben den Kommandeuren der deutschen und nigrischen Streitkräfte auch die Stammesführer der örtlichen Tuareg und Araber. Scholz hat Glück: Es sind nur 34 Grad, weil es in der Nacht geregnet hat. Normalerweise ist es hier locker 10 bis 15 Grad heißer.

Kampfschwimmer – aber weit und breit keine Gewässer

Für seinen ersten Truppenbesuch hat sich der Kanzler einen Einsatz ausgesucht, dessen Erfolg unumstritten ist. Kommandosoldaten der Marine bilden dort nigrische Spezialkräfte aus. In der Regel sind 190 deutsche Soldaten in Tillia stationiert, wegen eines Kontingentwechsels sind es derzeit 260.

Eine Handvoll davon sind sogenannte Kampfschwimmer, Spezialkräfte der Marine, die bei der Ausbildungsmission die Federführung haben. Warum Kampfschwimmer, wenn es weit und breit keine Gewässer gibt? Als die Mission „Gazelle“ in Niger 2018 begann, hatten die Spezialkräfte des Heeres – das von Skandalen verfolgte KSK – noch in Afghanistan zu tun. Deswegen wurden die Kampfschwimmer aus Eckernförde geschickt, die aber dieselbe Qualifikation für einen solchen Ausbildungseinsatz mitbringen.

„Die Bundeswehr leistet hier Außerordentliches“

Die Botschaft, die vom ersten Truppenbesuch des Kanzlers ausgeht, ist klar: Trotz des Ukraine-Kriegs, trotz wachsender Aufgaben der Bundeswehr bei der Sicherung der Nato-Ostflanke – auch um andere Krisen in der Nachbarschaft – muss man sich weiter kümmern. Und wie das im Niger geschieht, hält Scholz für vorbildlich.
„Die Bundeswehr leistet hier Außerordentliches und hat hier auch Außerordentliches unter sehr schwierigen Bedingungen zustande gebracht“, sagt er den Soldaten. Es gehe darum, dass die nigrischen Streitkräfte selbst für die Sicherheit in ihrem Land sorgen können.

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Scholz will mit seinem Besuch im Niger auch einen Partnerstaat würdigen, in dem ein demokratisch gewählter Präsident Armut und Terror trotzt – anders als in den Nachbarländern Mali und Burkina Faso, wo das Militär das Sagen hat. Als „Anker der Stabilität“ in der Sahelregion südlich der Sahara sieht die Bundesregierung das Land.

137 Tote bei IS-Angriff

Trotzdem schlägt der Terror etlicher bewaffneter Gruppen, von denen einige dem Islamischen Staat (IS) oder Al-Kaida die Treue geschworen haben, auch dort brutal zu. Erst vor gut zwei Monaten griff der IS zwei Tuareg-Siedlungen an der Grenze zu Mali an und tötete 137 Kinder, Frauen und Männer. Noch nie zuvor hatte es bei einer IS-Attacken im Niger so viele Tote gegeben.

Die Instabilität ist ein Grund dafür, dass sich Menschen aus der Region zu Tausenden auf den Weg nach Europa machen. Auch deshalb hat Deutschland ein Interesse an der Stabilisierung der Region.

Die Lage in der Sahelzone ist besonders bedenklich, seitdem die frühere Kolonialmacht Frankreich im Februar aufgrund von zunehmenden Spannungen mit Malis Militärjunta seinen Abzug aus dem westafrikanischen Krisenstaat mit seinen rund 20 Millionen Einwohnern verkündete. Frankreich war in der Region bislang mit Tausenden Militärs im Anti-Terror-Kampf aktiv.

Scholz nennt Einsatz russischer Söldner „verheerend“

Die Militärjunta verschob demokratische Wahlen, die am 27. Februar 2022 stattfinden sollten, auf bis zu fünf Jahre. Sie pflegt zudem enge Beziehungen zu Russland und soll Söldner der russischen Firma Wagner im Land agieren lassen. Die Europäische Union wirft Wagner vor, Gewalt zu schüren und Zivilisten einzuschüchtern.

Scholz begründet nun die Neuausrichtung des Mali-Einsatzes mit den russischen Söldnern und nennt es „verheerend“, dass sie im Land sein dürfen. „Sie werden dort für gravierende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht. Auf diese Entwicklung musste Deutschland reagieren.“


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Der Bundestag beschloss am Freitag, den Ausbildungseinsatz in Mali zu beenden. An der UN-Friedensmission Minusma wird sich die Bundeswehr allerdings weiter beteiligen. Und auch im Niger soll die Truppe bleiben. Das verspricht Scholz bei seinem Truppenbesuch. Es gehe jetzt darum, „ein gutes Anschlussprojekt“ zu identifizieren. Das geschehe mit den Partnern vor Ort. Wenn er jetzt „die Motivation unserer Soldatinnen und Soldaten sehe“, habe er das Gefühl, dass sie sich auf eine Fortsetzung des Einsatzes freuten.

Scholz nimmt Tuareg-Bett mit nach Hause

Am Ende dieses ersten Truppenbesuchs bleibt übrigens noch ein Rätsel: Was macht Scholz mit dem Geschenk, dass ihm die Stammesführer von Tillia überreicht haben. Auf der Ladefläche des A400M flog auf dem Rückweg nach Niamey ein buntes Holzgestänge samt einigen Matten mit – ein traditionelles Bett des Wüstenvolks der Tuareg.

Wo es nach der Rückkehr des Kanzlers nach Deutschland seinen Platz finden wird, blieb erstmal offen. (mik/afp)

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