Verdaddelt CDU-Chef Friedrich Merz gerade alles, Herr Professor Wiesendahl?
Elmar Wiesendahl (78) ist ausgewiesener CDU-Experte. Die MOPO hakte nach beim Hamburger Politik-Professor: Was hält er von den jüngsten Patzern des Parteichefs Friedrich Merz? Ist der überhaupt der richtige Mann an der Spitze der Union – oder müsste da nicht eher ein Söder, Wüst oder Günther stehen? Welchen Kurs würde Wiesendahl der CDU empfehlen, um sich als Alternative zur Ampel zu präsentieren? Und vor allem: Wie konservativ darf oder muss es nach den Merkel-Jahren denn sein?
MOPO: Herr Prof. Wiesendahl, in unserer Redaktion wundern wir uns in letzter Zeit häufig über Friedrich Merz. Mal ehrlich: Wenn er die CDU als „Alternative für Deutschland – aber mit Substanz“ präsentiert. Oder andeutet, auf kommunaler Ebene könne die Brandmauer zur AfD doch nicht so ganz gelten. Irrlichtert er da herum? Oder weiß der Mann, was er tut, und verfolgt einen Plan?
Elmar Wiesendahl: Konkret auf diese Punkte bezogen: Da ist mein Eindruck in der Tat, dass er nicht mehr ganz unter Kontrolle hat, was er so rausspült. Das Tragische ist: Seine Absicht war meines Erachtens eine ganz andere. Und zwar eben nicht, die Brandmauer einzureißen. Sondern lediglich zu erklären, was ihm vor allem ostdeutsche Landesverbände häufig sagen: Dass es diese Zusammenarbeit – übrigens ja auch von anderen Parteien – mit der AfD zwanghaft längst gibt. Aber dass die Brandmauer dennoch steht.
Aha, das kam aber bei vielen nicht so an. Und die Umfragen sind nach diesen Aussagen spürbar abgesackt. Bei der Sonntagsfrage lag die Union zuletzt mit 25 Prozent Zustimmung nur noch vier Prozentpunkte vor der AfD.
Ja, weil Merz nicht in der Lage ist, genügend zu berücksichtigen, wie die Wirkung dessen ist, was er sagt. Da ist er sehr schnell mit dem Raushauen. Diesen arroganten Politik-Sprech, den hat er schon lange kultiviert. Schon häufig hat er mit Aussagen hohe Wellen geschlagen. Er lag aber auch häufig sehr daneben. Das liegt aber natürlich auch an seiner früheren Rolle, die er immer noch nicht geschafft hat abzulegen.
Elmar Wiesendahl (78) ist ausgewiesener CDU-Experte. Die MOPO hakte nach beim Hamburger Politik-Professor: Was hält er von den jüngsten Patzern des Parteichefs Friedrich Merz? Ist der überhaupt der richtige Mann an der Spitze der Union – oder müsste da nicht eher ein Söder, Wüst oder Günther stehen? Welchen Kurs würde Wiesendahl der CDU empfehlen, um sich als Alternative zur Ampel zu präsentieren? Und vor allem: Wie konservativ darf oder muss es nach den Merkel-Jahren denn sein?
MOPO: Herr Prof. Wiesendahl, in unserer Redaktion wundern wir uns in letzter Zeit häufig über Friedrich Merz. Mal ehrlich: Wenn er die CDU als „Alternative für Deutschland – mit Substanz“ präsentiert. Oder andeutet, auf kommunaler Ebene könne die Brandmauer zur AfD doch nicht so ganz gelten. Irrlichtert er da herum? Oder weiß der Mann, was er tut, und verfolgt einen Plan?
Elmar Wiesendahl: Konkret auf diese Punkte bezogen: Da ist mein Eindruck in der Tat, dass er nicht mehr ganz unter Kontrolle hat, was er so rausspült. Das Tragische ist: Seine Absicht war meines Erachtens eine ganz andere. Und zwar eben nicht, die Brandmauer einzureißen. Sondern lediglich zu erklären, was ihm vor allem ostdeutsche Landesverbände häufig sagen: Dass es diese Zusammenarbeit – übrigens ja auch von anderen Parteien – mit der AfD zwangsläufig längst gibt. Aber dass die Brandmauer dennoch steht.
Hamburger Politologe: Das sind Friedrich Merz‘ Fehler
Aha, das kam aber bei vielen nicht so an. Und die Umfragen sind nach diesen Aussagen spürbar abgesackt. Bei der Sonntagsfrage lag die Union zuletzt mit 25 Prozent Zustimmung nur noch vier Prozentpunkte vor der AfD.
Ja, weil Merz nicht in der Lage ist, genügend zu berücksichtigen, wie die Wirkung dessen ist, was er sagt. Da ist er sehr schnell mit dem Raushauen. Diesen arroganten Politik-Sprech, den hat er schon lange kultiviert. Schon häufig hat er mit Aussagen hohe Wellen geschlagen. Er lag aber auch häufig sehr daneben. Das liegt aber natürlich auch an seiner früheren Rolle, die er immer noch nicht geschafft hat abzulegen.
Die des Blackrock-Aufsichtsrats? Des Merkel-Gegners?
Er ist der geborene Anti-Merkelianer. Und diese Rolle hat ihn nun im dritten Anlauf ja auch in das Amt des Parteichefs getragen. Nach den Merkel-Jahren wollten die Konservativen jemanden aus ihrem Lager. Wobei er auch bis heute kaum Loyalität in diesen Reihen erwarten kann. Er war zu lange draußen. Und galt zu lange als Störenfried. Es fehlen ihm als Heerführer gewissermaßen immer noch die treuen Truppen. Auch im Adenauer-Haus, der Parteizentrale, oder im Parteivorstand hat er zu wenig aufgeräumt, um sich auf sein Umfeld verlassen zu können.
Hamburger Politologe: Was Merz eigentlich tun müsste
Manche sagen ja, dass Merkel die konservativen Wurzeln der Partei verraten hat. Und daher ein Schwenk zurück wichtig wäre, um der AfD wieder Stimmen abzugraben. Das scheint Merz’ Idee. Warum verfängt das nur bedingt?
Merz verkennt seine Rolle als Parteichef einer Volkspartei. Er bräuchte einen bärbeißigen Konservativen an seiner Seite. Einen Kläffer. Einen Kanther. Einen Schönbohm. Und dann noch links einen Laumann. Damit allen klar ist: Er thront im Zentrum der Partei und ist damit für alle Mitglieder und Anhänger wählbar. Aber wenn er selbst dauernd die konservative Karte spielt, gerät er zwischen alle Stühle und kann nur enttäuschen.

War Carsten Linnemann ein Versuch in Richtung Kläffer?
Nein, der sollte eher den glücklosen Vorgänger im Amt des Generalsekretärs ersetzen. Und steht eigentlich auch eher für die liberal-konservative Mitte.
Es gibt also drei Lager in der CDU?
Ja, ganz klar. Es gibt die liberalen Wurzeln der Partei, das, was man gemeinhin als Merkel-Lager bezeichnet. Dann die Mitte, die Wirtschaftskonservativen könnte man es auch nennen. Und die Konservativen. Und die – bei Anhängern und Mitgliedern – wurden in den Merkel-Jahren verprellt.
Wie Prof. Wiesendahl die Merkel-Jahre bewertet
Waren die Merkel-Jahre demnach doch fatal für die CDU?
Jein. Zu ihrer Zeit hat das ja auch funktioniert. Weil sie Wähler aus der Mitte und von links rekrutiert hat. Aber es war klar, dass das nur funktioniert, solange sie da ist. Und jetzt muss das konservative Drittel zurückgeholt werden. Und da ist die Grund-Idee von Merz aus Sicht der CDU erst mal gut. Nur sollte nicht er als Parteichef die konservative Karte spielen.
Hat Merz den Konservativen denn nur gespielt und spielt ihn noch?
Nein. Der ist ein knackiger Konservativer. In all seinen Denkweisen und Gesellschaftsvorstellungen. Und ich sehe auch nicht, dass er da in seiner Außendarstellung weniger starr wird. Wenn die Medien ihm das vorhalten, dann wird er aus Trotz eher noch starrer. Plus: Er hat schlechte Erfahrungen gemacht. Als er etwa die Gleichstellung der Frauen in der Partei voranbringen wollte, haben die Konservativen ihm das übelgenommen, und auf der liberalen Seite hat es ihm auch nichts eingebracht.
Was fehlt der konservativen Seite denn?
Die alten Werte. Sitte und Anstand, Fleiß, Ordnung. Alte bürgerliche Tugenden. Da sehen die Konservativen einen Werteverlust. Aber wiederum: Da bräuchte Merz einen Kläffer. Sonst verprellt er die andere Seite. Und so sinken auch seine persönlichen Umfragewerte.
Wer wären alternative Unions-Kanzlerkandidaten?
Wer könnte es denn besser? In besagten Umfragen werden ja vor allem drei Namen oft genannt als mögliche Kanzlerkandidaten der Union, die allesamt besser abschneiden bei den Befragten: Günther, Wüst und Söder.
Söder schon mal nicht. Bei dem würde früher oder später das Bajuwarische zu sehr durchschlagen.
Bierzelt-Polemik? Oder was meinen Sie?
Nein, viel konkreter. CSU-Bundespolitiker machen am Ende zu oft „Bavaria first“-Politik. Schauen Sie sich an, wie viel Geld über Jahre unter CSU-Verkehrsministern nach Bayern gewandert ist. Oder in der Landwirtschaftspolitik. Und dieses „Mia san mia, und den Preußen, denen wischen wir eins aus“, das spüren auch die Wähler im Norden und Osten. Gegen einen Scholz etwa könnte Söder nicht gewinnen.
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Und Günther?
Günther ist ein ganz netter Mensch. Aber er ist Schleswig-Holstein. Schwergewicht wäre schon eher Wüst, allein als Chef im größten Landesverband NRW. Zumal der die wahrscheinlichste Macht-Option verkörpert und erfolgreich anführt: Schwarz-Grün. Und dieses Modell torpediert Merz ja auch mit seinen Aussagen, die Grünen wären der Hauptgegner. Auch in Hessen regiert Schwarz-Grün erfolgreich.
Also Wüst könnte Merz am ehesten gefährlich werden.
Ja. Wobei auch der keine Wähler von den Grünen abziehen wird. Deren Anhänger sind mit die treuesten.