Olaf Scholz vor dem US-Kapitol in Washington
  • Olaf Scholz (SPD) telefonierend vor dem US-Kapitol. Hier agiert ein Staatsmann, sollen die Fotos wohl als Botschaft transportieren.
  • Foto: XanderxHeinl/photothek.de

Scholz und das Kanzleramts-Rennen: „Dann ist vieles möglich“

Eigentlich hatten sie ihn bereits abgeschrieben. Politische Beobachter, die Konkurrenz, ja selbst Parteifreunde – keiner hatte Olaf Scholz noch als ernst zu nehmenden Anwärter auf die Merkel-Nachfolge auf dem Schirm. Kanzlerkandidat der 14-Prozent-SPD? Lächerlich. Doch dann machte die Konkurrenz einen Fehler nach dem nächsten und Scholz kletterte in den Beliebtheitsskalen Stufe für Stufe nach oben. Und jetzt liegen SPD und Grüne in den Meinungsumfragen plötzlich gleichauf.

Es war einer dieser Momente, in denen die neue Dynamik des Bundestagswahlkampfes sichtbar wurde: Mitte der Woche meldete sich SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz das erste Mal zu Wort – und sprang seiner Konkurrentin Annalena Baerbock bei. „Nicht fair und gerecht“ sei der Umgang mit der Grünen-Spitzenkandidatin, die seit Wochen wegen Ungereimtheiten in ihrem Lebenslauf und wegen Plagiatsvorwürfen unter Beschuss steht. Eine nette Geste des SPD-Mannes. Und ein kluger Schachzug.

Denn am Ende waren es nicht nur Worte der Solidarität, sondern Scholz machte auch deutlich: Da ist die Angeschlagene. Und hier bin ich, der es gar nicht nötig hat, auch noch auf ihr rumzuhacken.

In den Umfragen plötzlich gleichauf

Laut Sonntagstrend, den das Meinungsforschungsinstitut Insa im Auftrag der „Bild am Sonntag“ erhebt, liegen SPD und Grüne mit jeweils 17 Prozent inzwischen gleichauf. Zum Vergleich: Noch vor einigen Wochen hatte die Öko-Partei fast doppelt so stark abgeschnitten wie die Sozialdemokraten.

Bei der Frage, wer das Land als Kanzlerin oder Kanzler regieren sollte, liegt Scholz (19 Prozent) aktuell sogar deutlich vor Baerbock (15 Prozent) und Kopf an Kopf mit CDU-Chef Armin Laschet. „Danke, Olaf“, schrieben diverse Sozialdemokraten am Sonntag in ihre Social-Media-Profile.

Vernünftig vor sich hinarbeiten

Dabei muss Olaf Scholz gar nicht viel tun, um sich in der Reihe der Kanzlerkandidaten hervorzutun. Es reicht schon, wenn er nicht unangenehm auffällt. Denn während Annalena Baerbock durch ihre Glaubwürdigkeitskrise taumelt, CDU-Frontmann Armin Laschet in der Causa Hans-Georg Maaßen keine glückliche Figur macht und überregionale Medien bereits vom schmutzigsten Wahlkampf aller Zeiten schreiben, kann Scholz das machen, was er sich seit jeher mit Vorliebe auf die Fahnen schreibt: vernünftig vor sich hinarbeiten.

Er jettet nach Washington, wo er sich im Präsidenten-Style mit Handy am Ohr vor dem Kapitol ablichten lässt. Und kehrt mit Erfolgsmeldungen zu einer globalen Mindeststeuer zurück nach Berlin.

Der Rest der SPD hält vornehm Abstand

Gleichzeitig hält sich der Rest der SPD vornehm im Hintergrund. „Olaf only“ soll das Wahlkampfrezept lauten, wie die „Welt“ berichtet. Die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, deren Treffsicherheit bei öffentlichen Äußerungen oftmals an betrunkene Schützenfestbesucher erinnerte, sind weitestgehend aus dem Rampenlicht verschwunden.

„Olaf Scholz zeigt gerade mit seinem globalen Einsatz für die Mindeststeuer, dass er Kanzler kann“, lobt Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel den ehemaligen Chef im Hamburger Rathaus. Er sei sehr zuversichtlich, dass die SPD die Grünen noch überholen werde. „Und dann ist viel möglich.“

Ein Steuermann an Bord: So wie hier am Rnde des G20-Gipfels in Venedig inszeniert sich Olf Scholz gerne. An seiner Seite: die deutsche Generalkonsulin in Mailand, Tatjana Schenke-Olivieri. XanderxHeinl/photothek.de
Scholz am Rande des G20-Gipfels in Venedig
Ein Steuermann an Bord: So wie hier am Rande des G20-Gipfels in Venedig inszeniert sich Olf Scholz gerne. An seiner Seite: die deutsche Generalkonsulin in Mailand, Tatjana Schenke-Olivieri.

Andere Kandidat:innen merkten gerade, was es bedeute, wenn einem die Regierungserfahrung fehle, stichelt Hamburgs SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf in Richtung Baerbock. Olaf Scholz sei seiner Devise treu geblieben. „Er ist verlässlich und einer, der Krisen bewältigen kann.“

Die FDP ziert sich weiterhin

Trotzdem zeigt der Blick auf mögliche Bündnisse, wie aussichtslos die Lage für Scholz und sein Team noch immer ist. Die Union liegt in diesen Wochen in Umfragen stabil mit 28 Prozent auf Platz 1 – und hat elf Prozentpunkte Vorsprung auf SPD und Grüne. Und die Liberalen um Parteichef Christian Lindner haben mehrfach betont, dass sie eine Zusammenarbeit mit der Union allen anderen Konstellationen vorziehen.

Für ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP würde es aktuell reichen, für die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hingegen nicht. Auch Rot-Rot-Grün wäre mit den aktuellen Werten keine Option.

Mehrheiten ohne die Union möglich

Und doch hat der Ausgang der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März gezeigt, dass es Mehrheiten ohne die Union geben kann. Den wiederholten Wahlsieg seiner Parteifreundin Malu Dreyer sieht Scholz längst als Blaupause für die Bundestagswahl im September, ihre Ampel-Koalition wäre sein favorisiertes Bündnis für Berlin.

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Am Ende ist es längst das Markenzeichen von Olaf Scholz, unbeirrt an sich zu glauben – er selbst ist sein wohl treuester Fan. Man kann das ziemlich größenwahnsinnig finden. Die aktuelle Entwicklung gibt ihm recht.

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