Eine Frau weint in Butscha um ihren von russischen Soldaten getöteten Mann. (Symbolbild)
  • Eine Frau weint in Butscha (Ukraine) um ihren von russischen Soldaten getöteten Mann. (Symbolbild)
  • Foto: picture alliance/dpa/AP | Rodrigo Abd

„Biologische Kriegsführung“: Russen sollen auch Männer und Jungen vergewaltigt haben

Was in der Ukraine passiert, muss abscheulich sein: Aus mehreren Städten und Orten gibt es Berichte über schwerste Kriegsverbrechen. Die Vereinten Nationen (UN) untersuchen Dutzende Fälle von potenziellen Vergewaltigungen, bei denen Frauen, Männer und Kinder von russischen Soldaten malträtiert worden sein sollen. Es könnte, so die UN, „nur die Spitze des Eisbergs“ sein.

Die Schilderungen klingen furchtbar: Offenbar wurden und werden derzeit vermehrt Männer und Jungen von russischen Soldaten in der Ukraine vergewaltigt. Das teilten Vertreter der UN und der Ukraine am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Kiew mit, wie der britische „Guardian“ berichtet.

Die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Venediktova etwa sagte, ihrem Büro lägen mehrere Berichte über sexuelle Gewalt durch russische Truppen vor. Diese richtete sich nicht allein gegen Frauen, sondern gegen alle Ukrainer:innen, unabhängig von Geschlecht und Alter. So seien Männer und Frauen, Kinder und Senior:innen zu Opfern geworden.

Männer zeigen Vergewaltigungen oft nicht an

Man versuche, die geschilderten Vorfälle zu überprüfen, sagte Pramila Patten, die UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt im Krieg. Ihr zufolge sollen es Dutzende Berichte sein.

Die Sonderbeauftragte der UN für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Patten (l.), und die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Olga Stefanishnina, bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz. IMAGO / Ukrinform
Die Sonderbeauftragte der UN für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Patten (l.), und die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Olga Stefanishnina, bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz.
Die Sonderbeauftragte der UN für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Patten (l.), und die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Olga Stefanishnina, bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz.

Noch sei unklar, ob sie sich verifizieren lassen. Gerade männliche Überlebende von Vergewaltigungen zeigten die Verbrechen oft nicht an, so Patten weiter. „Für Frauen und Mädchen ist es unter anderem wegen der Stigmatisierung schwierig, [Vergewaltigung] anzuzeigen, aber für Männer und Jungen ist es oft noch schwieriger. Wir müssen diesen sicheren Raum für alle Opfer schaffen, damit sie Fälle von sexueller Gewalt melden können“, sagte Patten. Es mangele aber derzeit an Anlaufstellen, an die speziell Männer sich wenden könnten.

Systematische Vergewaltigungen in der Ukraine: „Das ist biologische Kriegsführung“

Venediktova sagte, Moskau habe Vergewaltigungen als bewusste Strategie eingesetzt. „Dies dient natürlich dazu, die Zivilgesellschaft zu erschrecken. Alles zu tun, um die Ukraine zur Kapitulation zu zwingen.“

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Auch Patten unterstrich, dass sexuelle Gewalt durch Russland als stille, billige und wirksame Waffe gegen Ukrainerinnen und Ukrainer eingesetzt werde. „Günstig, weil es kostenlos ist. Sehr effektiv, weil es nicht nur das Opfer betrifft, sondern ganze Familien, ganze Gemeinschaften“, sagte sie. „Das ist biologische Kriegsführung. Es ist psychologische Kriegsführung.“

„Dokumentation von heute – Strafverfolgung von morgen“

Patten warnte gleichzeitig davor, dass die Dutzenden Fälle sexueller Gewalt, die bislang untersucht werden „nur die Spitze des Eisbergs“ seien. Etwaige Überlebende und weitere Opfer sollten sich melden, um die Täter zu finden und zur Verantwortung zu ziehen. „Die Dokumentation von heute wird die Strafverfolgung von morgen sein“, sagte Patten.

Zu den in der UN-Prüfung befindlichen Berichten kommen zahlreiche weitere: Die Menschenrechtskommissarin des Landes, Lyudmila Denisova, gab an, sie habe bislang offiziell die Fälle von 25 Frauen dokumentiert, die in Butscha in einem Keller festgehalten und systematisch vergewaltigt wurden. Auch Gerichtsmediziner, die Obduktionen an weiblichen Leichen in Massengräbern durchgeführt hatten, gaben an, sie hätten Belege dafür gefunden, dass einige von ihnen vor ihrem Tod vergewaltigt worden waren.


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Aktivisten versuchten dem „Guardian“ zufolge, angesichts der Berichte über Vergewaltigungen, so schnell wie möglich, Notfall-Verhütungsmittel wie die „Pille danach“ in ukrainische Krankenhäuser zu bringen. (mik)

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