Hoffnung für die Ukrainer: Es heißt, Putin wolle Russlands Angriffe runterfahren. (Archivfoto)

Hoffnung für die Ukrainer: Es heißt, Putin wolle Russlands Angriffe runterfahren. (Archivfoto) Foto: picture alliance/dpa/Pool Sputnik Kremlin/AP | Mikhail Klimentyev

Überraschende Ankündigung: Russland will Angriffe auf Ukraine herunterfahren

Es ist ein blutiger Angriffskrieg. Doch die Ukraine ist ein härterer Gegner als Kremlchef Wladimir Putin offenbar vermutete. Seine Hoffnung auf eine Kapitulation der Ukraine zerschlägt sich wohl langsam. Sein Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin kündigt ein überraschendes weiteres Vorgehen an.

Im feinen Anzug, nicht in Militäruniform, liest in Istanbul Putins Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin kleinlaut vor, Russland reduziere seine „militärischen Aktivitäten“ im Norden um die Hauptstadt Kiew und die Großstadt Tschernihiw deutlich. Der Offizier spricht von einem Schritt, der Vertrauen bilden soll in den Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew für ein Ende des Krieges. Die Ukraine sieht sich in ihrem hartnäckigen Widerstand bestärkt.

Wladimir Putin behauptet, alles laufe nach Plan

Zwar betonen der 69-jährige Putin und prominente Vertreter seines Machtapparats immer wieder, dass alles nach Plan laufe bei der „militärischen Spezial-Operation“. Aber in Sicht sind die von Putin ausgegebenen Ziele bisher nicht. Deshalb geht der Krieg, der in Russland so nicht genannt werden darf, auch nach den neuerlichen Verhandlungen in der Türkei weiter.

Als Grund für ihr Einlenken, zumindest in zwei der vielen umkämpften Regionen, nennen die Russen ein Angebot der Ukrainer. Demnach ist Kiew bereit, unter Gewährung von Sicherheitsgarantien einen Vertrag über einen neutralen, block- und atomwaffenfreien Status der Ukraine zu schließen. Diese Garantien soll es von den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats wie den USA, Frankreich, Großbritannien, China oder Russland nach dem Vorbild der Nato-Militärallianz geben.

Ukraine-Krieg: Putins Angst, die Krim und Sewastopol zu verlieren

Allerdings solle sich diese Garantie nicht auf die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim mit der strategisch wichtigen Stadt Sewastopol oder die abtrünnigen Gebiete Luhansk und Donezk beziehen, betont Putins Verhandlungsführer Wladimir Medinski. „Das heißt, dass die Ukraine auf ihr Streben verzichtet, sich die Krim und Sewastopol mit militärischen Mitteln zurückzuholen“, sagt Medinski in Istanbul. Das sei zwar nicht die russische Position, räumt er ein. „Aber die Ukraine hat ihren Ansatz formuliert.“

Russland hat stets einen Verzicht der Ukraine auf diese Gebiete gefordert. Aber so werde es jetzt Präsident Putin vorgelegt.

Noch ein weiter Weg bis zu Verhandlungen

„Die Möglichkeit, einen Frieden zu schließen, ist näher gerückt“, meint Medinski. Der Vertrag müsse nun vorbereitet, dann von den Verhandlungsteams bestätigt und anschließend von den Außenministern begutachtet werden. Erst dann komme ein Treffen von Putin mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zur Unterzeichnung des Dokuments in Betracht. Klar ist aber auch, dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist.


Starten Sie bestens informiert in Ihren Tag: Der MOPO-Newswecker liefert Ihnen jeden Morgen um 7 Uhr die wichtigsten Meldungen des Tages aus Hamburg und dem Norden, vom HSV und dem FC St. Pauli direkt per Mail. Hier klicken und kostenlos abonnieren.


Nach gut einem Monat Krieg treten die ukrainischen Unterhändler immer selbstbewusster auf. Es gebe „keinerlei Kompromisse“ bei den russischen Gebietsforderungen, sagt Kiews Verhandlungsführer David Arachamija, Fraktionschef der Präsidentenpartei im Parlament. Und auch das Zugeständnis bei einem möglichen neutralen Status der Ukraine knüpft er an die Zustimmung der Bevölkerung bei einem Referendum. „Dafür muss Frieden herrschen.“

Russlands Vize-Verteidigungsminister nennt Bedingungen

Nach den Verhandlungen in Istanbul diktiert Arachamija die Bedingungen: „Wenn alle Seiten diese Position akzeptieren, dann werden die (russischen) Streitkräfte abgezogen, die Menschen kehren zurück und dann wird es ein Referendum geben.“ Ob es unter diesen Umständen zu einem solchen Vertrag kommt, gilt als fraglich, weil die russische und die ukrainische Seite eine lange Geschichte haben, sich im Kleinklein von Verträgen zu verlieren.

In Moskau donnert auch die Kriegspartei, Russland könne sich unter keinen Umständen jemals eine Niederlage leisten – schon gar nicht gegen die in den Staatsmedien stets als unzuverlässig dargestellte Ukraine, der weiter jedes Existenzrecht abgesprochen wird. Die Ukraine müsse als Staat zerstört werden, fordert etwa der Propagandist Anton Krassowski.

Kriegskorrespondent einer Zeitung fordert Fortsetzung des Krieges

Der Kriegskorrespondent der russischen Zeitung „Komsomolskaja Prawda“, Alexander Koz, warnt, die russischen Soldaten dürften nicht umsonst ihr Leben gelassen haben. Der Fernsehkorrespondent des russischen Ersten Kanals, Andrej Rudenko, meint: „Die Offensive jetzt zu stoppen, bedeutet Kiew erneut Zeit zu geben, noch mehr Kämpfer für einen neuen Krieg vorzubereiten.“

Dagegen betont auch Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Tag der Verhandlungen vor Offizieren in Moskau, dass die Militäroperation fortgesetzt werde, bis alle Ziele erreicht seien. Er spricht von Erfolgen bei der „Entmilitarisierung“ des Nachbarlandes, die ukrainische Marine existiere praktisch nicht mehr. Und auch die Luftwaffe des Nachbarlandes sei fast vollständig zerstört.

Ukraine: Russlands Militär griff Kranken- und Wohnhäuser an

Seit Beginn des Krieges setzt Russland vor allem auf seine von Kriegsschiffen und Kampfflugzeugen abgefeuerten Raketen, um ukrainische Militärobjekte zu zerstören. Diese Angriffe gehen unabhängig vom teilweisen Rückzug der Bodentruppen weiter. Getroffen wurden in den vergangenen Wochen zudem reihenweise zivile Ziele wie Kliniken und Wohnhäuser – was die Ukraine und westliche Staaten als Kriegsverbrechen anprangern.

Das könnte Sie auch interessieren: Überraschende Ankündigung: Russland will Angriffe auf Ukraine herunterfahren

Schoigu sendet auch Warnungen an den Westen, unter keinen Umständen Kampfflugzeuge oder Luftabwehrsysteme zu schicken. Die Kämpfe sollten sich nun vor allem auf die Gebiete Luhansk und Donezk konzentrieren, bis diese völlig von moskautreuen Separatisten und der russischen Armee eingenommen sind. Unter Kontrolle hat Russland auch weite Teile der Schwarzmeer-Küste – etwa in der Region Cherson, wo ein Rückzug bisher weder angekündigt noch in Sicht ist. (sd/dpa)

Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp
test