Rasanter Aufstieg der SPD: Eine Personalie ist dabei bezeichnend
Belächelt, bemitleidet, begraben: Zu Beginn des Wahlkampfes glaubte niemand an einen SPD-Sieg. Die Partei galt als zerstritten und orientierungslos, Scholz als uncharismatischer Politik-Automat. Doch dann begann die Wandlung, das Ergebnis konnte am Samstag bestaunt werden: Geeint und selbstbewusst präsentieren sich die Genossen beim Sonderparteitag. Und Scholz? Versprüht Aufbruchsstimmung.
Er hat die Partei umgekrempelt. Die lautstarken Flügelkämpfe scheinen unter Kontrolle. Sogar die Juso-Chefin Jessica Rosenthal findet den Koalitionsvertrag „extrem überzeugend“. So leicht wäre Scholz unter ihrem Vorgänger wohl nicht weggekommen. Er ist ein bekannter Kritiker des Kanzlers in spe. Doch in den kommenden Jahren soll er zur Schlüsselfigur werden.
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Belächelt, bemitleidet, begraben: Zu Beginn des Wahlkampfes glaubte niemand an einen SPD-Sieg. Die Partei galt als zerstritten und orientierungslos, Scholz als uncharismatischer Politik-Automat. Doch dann begann die Wandlung, das Ergebnis konnte am Samstag bestaunt werden: Geeint und selbstbewusst präsentieren sich die Genossen beim Sonderparteitag. Und Scholz? Versprüht Aufbruchsstimmung.
Olaf Scholz ist aufgewacht. Er läuft auf und ab, spricht frei und unterstreicht seine Worte mit einer auffallend lebendigen Gestik. Vom Scholzomaten keine Spur. Sein Auftritt steht ganz im Zeichen des „Packen wir’s an“-Sounds seiner Rede.
Parteitag: Große Zustimmung für Koalitionsvertrag
„Lasst uns mehr Fortschritt wagen“, ruft Scholz seinen Genossen zu. Etwa 40 Delegierte sitzen in der SPD-Zentrale im Halbrund um die Rednerbühne, weitere 500 sind digital zugeschaltet. Sie sollen am Samstag auf dem Sonderparteitag der SPD über den Koalitionsvertrag mit den Grünen und der FDP abstimmen.
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Während die Union abgeschlagen und zerstritten auf den Oppositionsbänken Platz nehmen muss, herrscht bei der SPD gelöste Stimmung. 98,8 Prozent Zustimmung für den Koalitionsvertrag. Nur sieben der 608 Delegierten stimmen mit Nein. So viel Einigkeit gab es lange nicht mehr bei den Genossen.
Es reicht der Blick ein paar Monate zurück: Die SPD taumelte von Umfragetief zu Umfragetief. Manche fragten sich schon, was Olaf Scholz überhaupt neben den Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Die Grünen) bei TV-Auftritten zu suchen hatte. Seine Kandidatur galt als aussichtslos, hatte er es intern doch nicht einmal zum Parteichef geschafft. Doch Laschet und Baerbock patzten – und Scholz arbeitete sich „schlumpfig“ nach oben.
Ein Aufbruch wie unter Brandt und Schröder
Bei seiner Rede stellt sich Scholz in die Tradition von Willy Brandt (1969) und Gerhard Schröder (1998). Nach Jahren der Opposition übernahm die SPD mit diesen beiden Männern wieder das Kanzleramt. „Ein solcher Aufbruch soll uns wieder gelingen“, betont Scholz.
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Er hat die Partei umgekrempelt. Die lautstarken Flügelkämpfe scheinen unter Kontrolle. Sogar die Juso-Chefin Jessica Rosenthal findet den Koalitionsvertrag „extrem überzeugend“. So leicht wäre Scholz unter ihrem Vorgänger Kevin Kühnert wohl nicht weggekommen. Er ist ein bekannter Kritiker des Kanzlers in spe. Doch in der kommenden Regierung soll er Lars Klingbeil beerben und der neue Generalsekretär der SPD werden. Ein kluger Schachzug: Auf diesem Posten kann sich Kühnert keine Attacken auf die eigene Partei mehr leisten.
Scholz-Kritiker Kevin Kühnert eingefangen
Als Generalsekretär fungiert er als „Anwalt der Partei nach außen und Manager der Partei nach innen“, wie er selbst es in einem Instagram-Video beschreibt. Und leistet sich dann doch gleich noch eine kleine Scholz-Spitze: Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans und Lars Klingbeil hätten die Partei zusammengeführt. Der Erfolg sei ihnen zu verdanken. „Daran möchte ich gerne anknüpfen, wenn auch sicherlich mit einem ganz eigenen Akzent“, sagt Kühnert. Aber nicht nur der Scholz-Kritiker wurde eingefangen. Inmitten der großen Versöhnung soll auch die geschasste Ex-SPD-Vorsitzende Andrea Nahles laut „BamS“ zurückkommen: als Chefin der Arbeitsagentur.
Die SPD scheint eine Metamorphose durchgemacht zu haben. Oder wie Walter-Borjans auf dem Parteitag sagt: „Wir sind wieder mit voller Kraft da.“ Einigkeit sei das Schlüsselwort ihres Erfolges. Er hoffe, dass die Union das auch schaffe.