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Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan (M.) begrüßt Russen-Oligarch Roman Abramowitsch (2.v.r.) und die restliche Delegation der Friedensverhandler in Istanbul.
  • Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan (M.) begrüßt Russen-Oligarch Roman Abramowitsch (2.v.r.) und die restliche Delegation der Friedensverhandler in Istanbul.
  • Foto: imago/ITAR-TASS

Angeblich vergiftet: Abramowitsch-Fotos bei Ukraine-Gesprächen sorgen für Wirbel

Wurden Russen-Oligarch Roman Abramowitsch und weitere ukrainische Unterhändler bei Treffen mit Russland vergiftet? Das zumindest behaupten Journalisten. Bloß: Die mutmaßlichen Angreifer schweigen – und die angeblich Angegriffenen dementieren. Was steckt hinter der irren Geschichte?

Der russische Milliardär Roman Abramowitsch und zwei ukrainische Unterhändler sind möglicherweise Ziel eines Giftanschlags geworden. Das „Wall Street Journal (WSJ)“ berichtete am Montag unter Berufung auf informierte Kreise, Abramowitsch und die Ukrainer hätten Anfang März nach einem Treffen in Kiew „Symptome einer mutmaßlichen Vergiftung“ aufgewiesen. Eine mit den Verhandlungen vertraute Quelle bestätigte dies der Nachrichtenagentur AFP.

Hinter der angeblichen Vergiftung soll Moskau stecken

Die drei Männer litten dem Bericht zufolge unter geröteten Augen, schmerzhaftem Tränenfluss und sich ablösender Haut an Gesicht und Händen. Die Symptome hätten sich dann aber wieder verringert. „Das hat leider tatsächlich stattgefunden“, sagte die informierte Quelle zu AFP. Der Artikel im „WSJ“ erschien, bevor an diesem Dienstag in der türkischen Stadt Istanbul erneut Verhandlungen starteten.

Bei selbigen sorgten dann Bilder für Wirbel, die Abramowitsch neben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zeigten. Erdogan fungiert in den Gesprächen zwischen Kiew und Moskau als Vermittler. Auch wurden Videos veröffentlicht, die Abramowitsch im Verhandlungsraum zeigen sollen. Auf den Aufnahmen wirkt er gesund, mögliche Folgen einer etwaigen Vergiftung sind auf den ersten Blick nicht zu erkennen.

Abramowitsch soll in die Verhandlungen allerdings nicht in führender Position eingebunden sein: Der BBC-Journalist Tom Bateman schrieb auf Twitter, Abramowitsch sitze bei den Gesprächen „nicht am Haupttisch“. Neben ihm habe Erdogan-Sprecher Ibrahim Kalin Platz genommen.

„Es war nur eine Warnung“

Wer aber steckt hinter dem angeblichen Anschlag auf den Milliardär und die ukrainischen Unterhändler? Nach Angaben der „WSJ“-Quellen sollen Hardliner in Moskau dafür verantwortlich sein. Sie wollten die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine für ein Ende des Ukraine-Kriegs sabotieren, hieß es. Ein Vertrauter Abramowitschs sagte dem „WSJ“, es sei unklar, wer hinter dem Vorfall stehen könnte. Auch hätten westliche Experten keine Erklärung für die Symptome liefern können.

Die renommierte Enthüllungs- und Fact Checking-Plattform „Bellingcat“ teilte mit, man könne bestätigen, dass drei Mitglieder der an den Friedensverhandlungen in der Nacht zum 4. März 2022 beteiligten Delegation Symptome gezeigt hätten, wie es sie bei der Vergiftung mit Chemiewaffen gebe. Ein „Opfer“ sei Abramowitsch gewesen.

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Christo Grozev, „Bellingcats“ Direktor und Experte für Vergiftungen, ging davon aus, dass es aber nicht Ziel des Angriffs war, die Unterhändler zu töten. „Es war nur eine Warnung“, sagte er. Laut „Bellingcat“ hat Grozev Bilder der Auswirkungen der mutmaßlichen Vergiftung der drei Männer gesehen.

Angebliche Vergiftung bei Friedensgesprächen: Beide Seiten dementieren

Kurios: Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak bestätigte den Vorfall nicht – im Gegenteil. „Alle Mitglieder des Verhandlungsteams arbeiten heute wie gewohnt“, sagte er. „Es gibt eine Menge Spekulationen über die Informationen in den Medien und verschiedene Verschwörungstheorien“. Es sei besser, „nur den offiziellen Informationen“ zu folgen.

Ähnlich äußerte sich am Mittwochnachmittag der Kreml. Die Vorwürfe seien „Teil einer Informationskampagne, Teil einer Informationssabotage, das ist Teil eines Informationskrieges“, zitierte die Agentur Interfax Kremlsprecher Dmitri Peskow. „Diese Berichte sind definitiv nicht wahr.“

Grozev verwehrte sich gegen den Vorwurf, die Recherchen entsprächen nicht der Wahrheit. „Was ukrainische und US-Beamte angeht, die diesen Vorfall herunterspielen: Es gibt Dutzende plausible und sogar einige legitime Gründe für Regierungsbeamte, darüber zu lügen. Für uns gibt es keinen Grund“, schrieb Grozev auf Twitter.

Bereits am Morgen hatte der im „WSJ“ als „Opfer“ erwähnte Unterhändler Rustem Umjerow bei Facebook geschrieben, dass mit ihm alles in Ordnung sei. „Mir geht es gut. Dies ist meine Antwort auf all die Klatschnachrichten, die sich verbreiten. Bitte vertrauen Sie keiner nicht verifizierten Information. Auch bei uns läuft ein Informationskrieg.“ Von Abramowitsch sind bislang keine öffentlichen Äußerungen zu einem möglichen Giftanschlag bekannt.

Abramowitsch als Vermittler zwischen Kiew und Moskau tätig?

Medienberichten zufolge ist der russische Oligarch seit einigen Wochen in die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine involviert. Er soll mehrmals zwischen den beiden Ländern und weiteren Orten, an denen verhandelt wurde, hin und her gereist sein. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Sonntag gesagt, seine Regierung habe Unterstützungsangebote von russischen Geschäftsleuten erhalten, darunter auch Abramowitsch.

Der Milliardär mit guten Verbindungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin war nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine von der EU und Großbritannien mit Sanktionen belegt worden, nicht aber von den USA. Das „WSJ“ hatte vergangene Woche berichtet, Selenskyj habe US-Präsident Joe Biden gebeten, den als Besitzer des englischen Fußballclubs Chelsea bekannten Oligarchen von den Sanktionen auszunehmen, weil er eine wichtige Vermittlerrolle einnehmen könnte.

Ukrainischer Unterhändler nach Treffen erschossen

Wirbel hatte es bereits Anfang März um die erste Delegation ukrainischer Unterhändler gegeben: Kiews Vertreter Denys Kirjejew wurde nach dem Treffen unter ungeklärten Umständen erschossen.


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In ersten Medienberichten hatte es geheißen, er solle für Russland spioniert haben. Später wurde er offiziell als Mitglied des ukrainischen Militärgeheimdienstes geehrt. (mik/afp/dpa)

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